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Bar-Trip: Mit Vincent O. Carter unterwegs im Bern der 50er-Jahre

Prolog und Einstieg der BM-Serie

Wie lebte ein junger Mann in den frühen 50er-Jahren in Bern? Welche Restaurants, Bars und Clubs besuchte er? Wie haben sich die Lokale seither verändert, gibt es sie überhaupt noch? Statt über Aktuelles und Zukünftiges zu berichten, macht sich der BM in einer neuen Serie auf in die Vergangenheit. Von Roman Dautzenberg

Prolog. In einer neuen Serie geht der BM auf eine historische, gastronomische Spurensuche, gestützt auf «The Bern Book». Was ist aus den Orten geworden, die der junge US-Amerikaner in diesem Buch beschreibt? Wir finden es in dieser 4-teiligen Serie heraus.

Vincent O. Carter, geboren in Kansas City in den USA, Veteran des Zweiten Weltkriegs, möchte sich in Europa ein neues Leben aufbauen. In Paris, Amsterdam und München ist er nicht sesshaft geworden, und so findet er sich leicht gedemütigt in einem Zug wieder, welcher ihn nach Bern bringt. Der junge Mann ist Schriftsteller, wenn auch mit ausbleibendem Erfolg, und von der Stadt an der Aare zuerst völlig beeindruckt.

Am 19. Juni 1953 kommt er an und erlebt somit Bern in voller Pracht – anlässlich des 600-Jahre-Jubiläums des Beitritts in die Eidgenossenschaft ist die Stadt geschmückt und herausgeputzt. Schnell jedoch holt ihn die Realität ein, denn Vincent O. Carter fällt auf: Von den damals rund 150’000 Berner:innen ist er der erste und einzige Schwarze. Bereits bei der Suche nach einer Wohnung wird er aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert, geschweige denn die unzähligen Blicke und Sprüche, die er ertragen muss.

Die englische Ausgabe des im November 2020 erschienen Buchs «The Bern Book: A Record Of A Voyage Of The Mind» von Vincent O. Carter.

In Beizen und Bars: Carter philosophiert und analysiert Berns Manieren

Auf nunmehr 290 Seiten berichtet Carter von seinem Leben in Bern, geprägt von Rassimus, häufigen Umzügen und Schwierigkeiten im Beruf. Aber er sieht auch die schönen Seiten, ist dankbar für die Sauberkeit und Zuverlässigkeit und erfreut sich an der natürlichen Schönheit der Stadt. Viele Abende verbringt Carter in Beizen und Bars, er diskutiert, philosophiert und analysiert die Manieren der Berner:innen.

70 Jahre später, pünktlich zur Veröffentlichung der deutschen Übersetzung, nutzt der Bewegungsmelder Carters Erzählungen in «The Bern Book» als Ausgangspunkt für neue Perspektive auf die hiesige Kulturszene: Wo hat er seine Abende verbracht, wo ging er hin, wenn er einfach einen Abend tanzen wollte und wie haben sich die Lokale seither verändert? Als Einstimmung lohnt es sich, am Freitag, 29. Oktober im Orell Füssli Bern an der Veröffentlichung der deutschen Version von Carters Geschichte vorbeizuschauen.

Zeichnung von Vincent Carter. Foto: Davide Fortiguerra

Ausblick. Im nächsten Teil besuchen wir den «Rendez-Vous» Tea-Room, der kurz nach Carters Ankunft in Bern eröffnet wurde und sich schon bald zu seiner «Stammbeiz» entwickelte. Leider gibt es das «Rendez-Vous» seit einiger Zeit nicht mehr – oder lebt es doch weiter? Schaut euch doch mal bei der Tramhaltestelle «Monbijou» um, vielleicht fällt euch ja etwas auf…

Infos

P.S: Diese Serie behandelt nur einen Bruchteil der von Carter besuchten Lokale, es empfiehlt sich also das Buch selber zu lesen: «The Bern Book – A Record of a Voyage of a Mind», von Vincent O. Carter, erhältlich auf Englisch unter anderem bei Orell Füssli oder auch zur Ausleihe in diversen Bibliotheken. Die deutsche Version ist ebenso ab sofort erhältlich.

Mi 27.10. 2021