Die Winterthurer Musikfestwochen zeigen sich im neuen Gewand. Die 46. Ausgabe feierte an drei neuen Standorten ihre Rückkehr und wollte neun Tage lang mit Gratiskonzerten begeistern. Wie das teilweise gelungen ist, erfährst du hier. Von Lenard Baum
Wie die Jahre zuvor stand in Winterthur viel auf dem Programm. 12 Festivaltage waren geplant und so konnte man sich auf Theater, Lesungen, Poetry-Slam Wettbewerbe und Konzerte freuen. Insgesamt 92 Veranstaltungen liessen über 30’000 Besucher die neuen Bühnen bestaunen. Fanden die Jahre zuvor die meisten Konzerte klassisch inmitten der Altstadtpassagen und Wohnquartiere statt, wurden mit drei Anlagen im Grünen wenige Minuten von der Altstadt entfernt genauso schöne wie Covid-19 gerechte Standorte gefunden. Der Viehmarkt, welcher Platz für 500 Personen zuliess, der Büehlpark sowie der Rychenbergpark; für je 1’500 Personen stellten die neuen Bühnen etwa für Brandao Faber Hunger, My Ugly Clementine, Majan oder Luuk & Knackeboul einen würdigen Rahmen. Doch inmitten der startenden Festivalfreude bereitete den Veranstaltern etwas anderes Sorge.
Hauptsache gratis und so
Gratiskonzerte, nicht nur eines der grossen Highlights der Musikfestwochen, sondern innerhalb der gesamten Schweizer Festivalgesellschaft etwas Besonderes. Neun Tage lang beste Musik von hochkommenden Bands erleben, welche in ein paar Jahren oder auch bereits jetzt jeweils auf den grossen Festivalbühnen des Sommers stehen. Manillio, Chlyklass, Clueso, Prinz Pi, Portugal. The Man oder AnnenMayKantereit etwa. Viele grosse Namen konnten das Angebot der Musikfestwochen als wichtiges Sprungbrett für weitere Möglichkeiten nutzen. So freute man sich, wie die Jahre zuvor, auf vielversprechende Namen, wie etwa Brutus, Los Bitchos oder die Wiener Undergroundband My Ugly Clementine.
Hätten wir eine normale Festivaljahr, so hätten wir hier mit viel Lob und Freude auf die fantastischen Konzerte zurückblicken können. Doch es ist nun mal Corona-Festival-Sommer und das hiess; spezielle Massnahmen, sei es auf dem Festivalgeländer selbst (dazu später mehr), wie auch beim Ticketkauf.
So musste man dieses Jahr für alle Konzerte Tickets holen, inklusive Gratiskonzerte, weil nicht zu viele Menschen rein durften. Alle Tickets wurden am Vortagmorgen sowie Abenden ausgeschalten. Dies, damit alle, egal welchen Tagesablauf man hat, Tickets erstehen konnte. Statt diese tolle Möglichkeit zu nutzen, um endlich wieder mal ein Festival zu besuchen, sicherten sich viele ihr Ticket nur, um dies dann wieder links liegen zu lassen. Unter «No-Shows sind Mäh» riefen die Veranstalter auf Social-Media-Kanälen dazu auf, Tickets doch bitte weiterzugeben oder einfach nicht zu bestellen. Dies, nachdem bei vielen Konzerten ein Drittel aller Tickets nicht entwertet wurden. «Die No-Show-Rate ist leicht gesunken. Und wir haben auf Instagram und Facebook eine Ticketbörse eingerichtet. Das funktioniert sehr gut», wie Geschäftsleiter David Egg verriet. Es sollte eines der wenigen Low Lights der Musikfestwochen bleiben. Doch widmen wir uns den schöneren Themen.
«Es bedeutet mir unfassbar viel, dass ich wieder zurückkommen konnte und heute hier stehen darf.»
Felix Kummer alias Kummer an letzten Tag der 46. Musikfestwochen.
Lange durfte die Deutschschweiz auf ihre Festivals warten, mit Gampel und den Musikfestwochen konnte man sich aber nach einer nicht leichten Zeit wieder auf Klasse Live-Musik freuen. Die gestiegenen Jahre gingen aber auch an den Künstler*innen nicht einfach so vorbei. Viele Künstler*innen waren begeistert, wenn nicht sogar gerührt, endlich wieder vor begeistertem Publikum spielen zu können.
Dies brachte Headliner Kummer bestens zum Ausdruck: «Es bedeutet mir unfassbar viel, dass ich wieder zurückkommen konnte und heute hier stehen darf». Nur zwei Festivalshows hatte Felix Kummer, den meisten als Kraftklub-Frontmann bekannt, in letzter Zeit geschafft. Die Anspannung merkte man dem Karl-Marx-Städtler aber nicht an. So läutete er mit wilden Moshpits, einer halben Stunde Zugabe und vor allem mit viel Herz das Ende der Musikfestwochen ein. Eine Ausgabe, welche mit viel Herzblut zusammen zufassen ist. Stand das OK-Team rund um David Egg und den 850 Freiwilligen offensichtlich vor einer ihrer schwierigsten Ausgaben.
Ah Winti, du stichst immer heraus
Die heisse Sonne, die herunterschien, die Lichterketten, welche die Abendkonzerte erhellten, endlich wieder sich in Moshpits zu stürzen oder das überteuerte Bier. Unsere Redakteure haben die Zeit in «Winti» sehr geniessen können, samt typischen Festival Lows. Der Umzug in die Parkanlagen gelang den Veranstalter*innen sehr gut, begeisterte vor allem das liebliche und detailreiche Design und machte die mancherorts vermisste Altstadtatmosphäre vergessen. Ebenso das schwierige Thema mit dem Einlass wurde gut bewältigt, besonders dank den freundlichen Helfer*innen, welche oftmals verwirrte Festivalbesucher*innen ohne Zertifikat oder Test zu den Teststation lotsten, welche in der Stadt verteilt waren.
Kleine Kritik gab es zwar, wie manche Besucher uns erzählten, für die teilweise rund 90 Minuten Wartezeit für einen Test. Umso mehr machte die ausgelassene Stimmung, begleitet von den Klängen Fabers, Al Pride, /A\ oder eines Finn Ronsdorf. Mit einer guten Bilanz können die 46. Musikfestwochen abschliessen und wir überlegen, ob man nächstes Jahr vielleicht nicht auch ein bis zwei Bühnen wieder nach draussen verlagern möchte. Wir werden vor Ort sein, um wieder darüber zu berichten. Danke, Winti!
Noch nicht genug bekommen? Dann schau dir die Story-Highlights auf Instagram an und erlebe die Festival-Tage nochmals. Go check it out: @bewegungsmelder_bern