Vier intensive Tage, die Sonne stets im Gesicht und die Musik auf vielen Bühnen zu finden. Was uns so blieb, was uns so gefiel: Der Gurtenfestival-Report. Von Simona Schwarzenbach, Pablo Sulzer
Nach dem Gartenfestival-Report folgt an dieser Stelle ein kurzer Rückblick auf die Gurtenfestival-Ausgabe 2015. Jeder Tag brachte Überraschendes wir auch Ernüchterndes. Nicht nur die Musik war im Zentrum, wie so oft, doch immer der Wegweiser für unser Treiben auf dem Berner Hausberg. Hier unsere gesammelten Impressionen, abwechselnd Simona (DO, SA und SO) und Pablo (FR).
Donnerstag: „Yeah, Güsche, hüt gömmer z Bodä!“
scs. Die Donnerstags-Euphorie, beflügelnd und saugefährlich. Der Festivalgänger zehrt noch nicht vom Abend vorher und stürzt sich rein. Ins Festival. So auch ich. Was ich vom Donnerstag noch weiss, will ich euch nicht vorenthalten. Den mühsamen Aufstieg bis zur Gurtenbahn bestritten wir souverän. Bachnass waren wir oben angekommen waren und die Aussentemperatur fühlte sich beim Verlassen der Bahn wie eine kühle Brise an. Wir sammelten ein paar bekannte Gesichter ein und setzten uns mit einem Bier auf die Wiese vor der Hauptbühne. Der erste Act, den wir so zu sehen bekamen, war Farin Urlaub Racing Team. Gut, um in Stimmung zu kommen. Doch waren wir die einzigen, die sitzen blieben. Rundherum nur Beine. Die Fantastischen Vier konnten mich gar nicht überzeugen. War aber auch schon ihr 9. Gurtenauftritt, die haben das nicht mehr nötig. Die Nacht nahm ihren Lauf und irgendwie bekam ich noch Stefanie Heinzmann mit, und dann verlor ich mich im Güsche-Nirvana.
Freitag: Nachmittagsstund hat Crystal Fighters im Mund und,.. bis zum fantastischen Ende
blo. Frühe Auftrittszeiten an einem Festival können manchen Bands die Luft völlig aus den Segeln nehmen. Obwohl die aus London stammenden Musiker von Crystal Fighters (Interview folgt) an den meisten Festivals weltweit eher zu später Stunde auftreten, wurden die Neo-Hippies mit ihrer sonderbaren Genre-Melange à Pop, Electro, Afrobeats et plus dazu verdonnert, die Hauptbühne um 13:00 Uhr zu eröffnen. Dass der Donnerstag vortags persönlich eine kurze Sache wurde, diente letztlich dem Unterfagen, am frühen Nachmittag diesem Spektakel beizuwohnen. Ja, es hat sich gelohnt. Und wie. Viel Platz vor der Bühne, eine Menge enthusiastisch tanzender Festivalgänger, die der kurzen Nacht trotzten bzw. dank der langen Nacht aus dem Vollen schöpfen konnten. Crystal Fighters gaben ihr Bestes um das Maximum aus dem undankbaren Slot zu pressen. Es gelang ziemlich gut, täuschte aber nicht darüber hinweg, dass die Jetsetter wohl noch viel mehr aus der Show gekitzelt hätten, wenn sie… eben.
Sei es drum: Es gab am Freitag noch so manches zu bestaunen. Zum Beispiel? Die Robustheit der bunt durchmischten Gurtenfestivalbesuchenden angesichts der hohen Temperaturen und Schattenknappheit. Gewiss, lieber schwitzen statt schlammbaden, doch ein erdbeerrotter Rücken kann eben nicht wirklich entzücken. So viel zum Wetter. Wo waren wir? Ach ja, bestaunen: Kraftklub. Die Jungs aus Chemnitz legten eine Energie hin, als hätten sie einen Pakt mit Luzifer himself geschlossen. Wobei, die Kunst bestand bei den Indie-Rockern eher darin, den Power-Schalter beim Publikum zu finden, so dass die Leute vor der Hauptbühne zu einer einheitlichen Rowdy-Meute mutierten. Inklusive Aktionen wie das Oberteil in der Luft schwingen und mehr oder weniger koordinierten Hüpf-Einlagen. Uns hats gefallen; die Krafties dürfen ruhig öfter vorbei kommen.
Gerne hätte man den Auftritt von Xavier Rudd und Mimiks nicht verpasst, selbes lässt sich von Ellie Gouldings nicht sagen. Das reichte aus der Ferne, voll und ganz. Auch EldoradoFM wäre ganz bestimmt einen Besuch wert gewesen, doch ein Senior, der seinerseits Oscars, Grammys & Co. gewonnen und der Welt zahlreiche Hits als Produzent beschert hat, rufte von der Zeltbühne aus: Herr Giorgio Moroder, der nach dem Motto „74 is the new 24“ lebt, war an den Reglern für die Sause zuständig. Naja. Die Visuals waren ganz nett, der erste Eindruck des rüstigen Herren am bescheidenen DJ-Pult stimmte auch, doch das Ganze verkam im Verlauf der Show lamentablerweise zu sehr zu einem ewig andauernden Karriere-Medley, dass sich nicht wirklich von einer guten statischen Playlist abhab. Überraschungseffekte gleich null, Platz fürs Publikum im Verlauf des „Konzerts“ entsprechend stark zunehmend. Die Erwartungen waren etwas hoch, vielleicht zu hoch. Zugegeben, hätte man alle Hits von Herr Moroder im Ohr präsenter gehabt, wäre die Freude vielleicht grösser gewesen.
Kommen wir zum eigentlichen Hauptgang: Faithless. Die britischen Legenden trommelten die Gurtenschar kurz nach Mitternacht vor die Hauptbühne und waren bemüht ihrer Rolle als Freitags-Hauptact gerecht zu werden. Tatsächlich, die Lichtshow bekam vorzüglich, doch der Funke sprang nur selten rüber. Klar, Insomnia. Und Mass Destruction. Ja, das war cool. DJ Is A God, toll. Doch eben, ihre 20 Jahre Remix-Show war gut, aber es fehlte etwas Salz und Pfeffer bzw. der letzte Punch. Wobei, was erwartet man von einer Band, die es allen schon gezeigt haben, eine (wohl) letzte Runde am drehen sind und der Gurten-Auftritt für sie wohl ein schönes, aber kein wirkliches Sommerfestival-Highlight darstellt. Oder doch? Zumindest für die meisten Festivalbesuchenden nicht.
So, der Freitag war fast zu Ende. Aber was heisst hier schon fast! Der heimliche Headliner dieser Ausgabe wartete noch auf der Zeltbühne, um den noch Lebendigen sowie auch den bereits im Nirvana schwebenden Festivalbesuchenden das Lebendige aus der Brust zu prügeln. Musikalisch, versteht sich: Denn der rockige Koloss den Foals, die nimmermüden Brit-Rocker aus Oxford, auf die Bühne beschwörten, riss alle Anwesenden in seinen Bann. Was für eine Energie, was für eine Spielfreude, was für eine Wucht! Müsste ich mich an dieser Stelle auf mein Highlight 2015 festlegen: Ja, klare Sache. Der Rest des Gurtens wurde nur noch zum Bonus.
Samstag: Wunderbare Wendung, 3D-Affen-Projektion und grölend mit dem Velo nach Hause
scs. Der Samstag, oh wow, der Tag, der das Festival für die einen perfekt und für die anderen zum Desaster machte. Casper sagte in der Nacht auf Samstag krankheitsbedingt ab. Ersatz: K.I.Z.! Was für eine wunderbare Wendung. Hab mich während einer Stunde in den Pogerkreisen rumgeschmissen, mitgesungen und um Zugabe gefleht – ohne Erfolg. Cro hat später dann die Softie-Variante des deutschen Rap präsentiert. Mir wurde etwas schlecht bei all den Pärchen und kreischenden Mädels um mich rum. Überraschung für mich waren Shaka Ponk. Die Band mischt Punk mit Metal und Elektro – total schräg und total feierbar. Dazu die Bühnenshow, die von einer täuschend echten 3D-Affen-Projektion unterstützt wurde… Irgendwie krank. Aber geil! Mit Müslüm zusammen haben wir gegen Rassismus gesungen, ausserdem noch kurz bei Pablo Nouvelle vorbeigeschaut – lohnt sich einfach immer – und uns schliesslich die letzte Stunde Musik (Bravo Hits im Bacardi Dome) rein gezogen. Nach dem obligaten Sonnenaufgang-Schauen fuhren wir K.I.Z.-Hits grölend mit dem Velo nach Hause. Ein kurzer Powernap, bevor der letzte Tag anbrach.
Sonntag: Grosser Abschluss und keine Zugabe als Trend
scs. Das Sonntagsprogramm lockte die vom vielen Feiern geschundenen Viertagespässler noch ein letztes Mal auf den Gurten. Wie jedes Jahr bot sich mir ein grandioser Anblick: Alkoholleichen und Durchfeiernde zwischen Familien mit Kindern. Alles friedlich, alles schön. Patti Smith konnte ich leider nur liegend mitverfolgen, setzte mir doch die Hitze etwas sehr zu. Für die Berner Rumpelrocker Kummerbuben war ich dann wieder fit. Und das ganze Volk tanzte dermassen, dass der Boden sich in Staub auflöste. Patent Ochsner war mein letztes Konzert am diesjährigen Güsche. Bei keinem anderen Auftritt hatten sich während diesem Wochenende so viele Leute versammelt. Unglaublich. Und bei den Klassikern sangen alle mit. Ein würdiger Abschluss für mein diesjähriges Gurtenfestival, mit dem ich im Grossen und Ganzen wirklich zufrieden war. Nur ein komischer Trend scheint sich da durchzusetzen: Nicht nur K.I.Z. spielte keine Zugabe… Das gefällt mir nicht!
INFOBOX
Dieser Festivalreport wurde von zwei BM-Redaktoren zusammen verfasst.
Simon Scharzenbach fasste den DO, SA und SO zusammen, Pablo Sulzer liess seinen Senf zum FR raus.
Das Gurtenfestival findet jedes Jahr im Juli statt, dieses Jahr ging es vom 16.-19. Juli 2015 über die Bühne(n).
Bild: David Schneider