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Welcome To Iceland

Ein skurriler Roadmovie - zu Fuss

Eine gescheiterte Familie, die mit letzter Kraft versucht ihren Zusammenhalt in der Welt nicht zu verlieren. Ein hippes Grossstadtpärchen, welches dem Leben davon läuft und ein Selbstmörder, der alles Elend dieser Welt als seine Last empfindet, treffen sich in der kargen Lavawüste Islands... Von Sebastian Leiggener

Die Einöde beginnt zu leben.

Schon alleine der eindrucksvollen Landschaftsbildern wegen, ist «Welcome To Iceland» ein sehenswerter Film. Eben – salopp gesagt – jenem Bühnenbild  ist es zu verdanken, dass dem Zuschauer das Leben mit all seiner Härte ins Gesicht geschleudert wird.

So will es der Zufall, dass sich in dieser kargen Landschaft trifft, was sich eigentlich nicht treffen darf. Die Grossstadthipster Alicia und Leo wollen eigentlich nur eins, Zigaretten, Musik und möglichst viel Spass. Um das zu erhalten setzten sie auf Luxusprodukte. Marken sind der heilige Gral der Spassgesellschaft, die Alicia und Leo verkörpern. Mit eiserner Stoigkeit davonlaufen, wenn das wahre Leben einen einholt, ist ihre Lösung für alle Probleme. Doch was, wenn dieses Konzept nicht mehr funktioniert? Eine Autopanne konfrontiert die beiden mit dem Unausweichlichen: Der Notwendigkeit, sich mit dem Leben und ihrer Beziehung zu befassen.

Iceland_Stuhl

 

Gregor hingegen fühlt sich der Gesellschaft und der Welt verpflichtet. Seine Schuld ist es, zu oft glücklich, und so für sämtliche Tragödien und Katastrophen auf diesem Erdball schuld zu sein. Als Strafe verordnet er sich selber den Tod und landet mit einem Radio und einer Pistole im Koffer auf dem Lavasteinhaufen.

Nicht das Ende, sondern ein Neubeginn soll Island für Julia und Klaus sein. Ihre in die Brüche gehende Ehe wollen sie durch eine Abenteuerwanderung quer über diese Insel zusammen mit den Kindern Simone und Raphael wieder kitten. Dass es dafür bereits zu spät ist, sieht wohl nur Claire, das Alter Ego von Julia, zu der sie in einem Videotagebuch spricht.

Konfrontationen, Streit und Überlebenswille

In der Lavawüste Islands treffen schliesslich alle diese unterschiedlichen Charaktere aufeinander und es beginnt wider Willen ein gemeinsamer Roadtrip durch die karge Wildnis Islands. Dabei versucht jeder seine Philosophie durchzusetzen, was dem Gemeinschaftsgefühl gar nicht gut bekommt. Alicia tut was sie am besten kann: Sie rennt davon. Doch ein Sturz beendet abrupt ihre Flucht aus dem wahren Leben. Alleine zurück gelassen in der Steinwüste, mit einem verletzten Knöchel, befasst sie sich zum ersten Mal mit ihrem Inneren. Derweil schiebt Leo eine ganz ähnliche Krise, wird durch Julia und die Kinder, sowie dem Selbstmörder Gregor quasi in die Rolle des Leitwolfes der Gruppe gedrängt. Dabei möchte er doch nur seine Alicia wieder. In ihm bricht seine angestaute Gefühlswelt in sich zusammen und sucht sich ein Ventil nach draussen.

Iceland_Alle

 

Durch diese neuen, fremden Inputs merken Klaus und Julia, dass etwas mit ihrer Familie gar nicht stimmt. Abgeschottet von der Aussenwelt sind die vier bisher durch das Leben gedümpelt und müssen nun einsehen, dass man das Leben eben nicht aussperren kann. Von ihrer Kontrollsucht mehr oder weniger unfreiwillig befreit, verschieben sich die bisher so klaren Rollen in der Familie und Julia wird zur starken Mutter, die ihre Kinder endlich wieder in den Fokus nimmt.

Und Gregor? Er behält sein Ziel, sich das Leben zu nehmen, stetes im Auge, entdeckt aber dabei wie schön es ist, am Leben zu sein.

Iceland_Schlussbild

 

Starke Aussagen geben Spielraum zum Denken

«Welcome to Iceland» ist somit nicht nur ein Roadtrip durch Island. Vielmehr ist es eine Seelenwanderung der Protagonisten. Die düstere und lebensfeindlich scheinende Landschaft durch die sie wandern, lässt dabei eine melancholische Stimmung entstehen und die starken Aussagen der Hauptdarsteller konfrontieren auch die Gedankengänge der Zuschauer. Wie findet man seine Liebe wieder? Indem man sie verliert, stellt Gregor fest. Und Julia merkt, sie haben den Unsinn verloren – den heiligen Unsinn. Wo geschissen wird ist Leben, philosophiert Leo. Dieses Leben hat einen Platz. In einem Wirtshaus treffen alle wieder aufeinander und kehren zurück in die reale Welt. Versehen mit den tiefen Erkenntnissen dieser Wanderung machen sie sich auf, das Leben und ihre Beziehungskisten anders wahrzunehmen. Island und der allwissende Wirt bereiten sich derweil auf die Ewigkeit vor, die hie und da eben unterbrochen wird durch kleine, feine Zufälle, die Schicksale verändern und Ewigkeit erträglicher machen.

«Welcome to Iceland» – ein ernster und zugleich subtil humorvoller Film über die Verworrenheiten des Lebens und die allumfassende Liebe, die das Leben so lebenswert macht.

Infos

Regisseur : Felix Tissi
Spielfilm 96 Minuten

Kinotermine Deutschschweiz
5. Mai 2016
Bern – Kino Rex (inkl. Retrospektive)

5. Mai 2016
Solothurn – Kino Canva

6. Mai 2016
Zürich – Kino Stüssihof (inkl. Retrospektive)

10. Mai 2016
Olten – Lichtspiele

11. Mai 2016
Basel – Kultkino

ab sofort im Kino

Mo 25.04. 2016