Zurück

Track der Woche #73: Tocotronic – Electric Guitar

Es gibt Dinge, die wir heute als ganz selbstverständlich erachten. Dennoch, oder gerade deswegen, sollte man keinesfalls vergessen: Es musste erstmal wer auf die Idee kommen. Von Maurice Angst

Dank Johannes Gutenberg zum Beispiel müssen wir uns nicht mehr jeden Unsinn erzählen lassen, dürfen wir die Buchstaben selber lesen und sind in der Lage, sie nicht bloss mühsam zu erahnen. Wäre da nicht der Herr Albert Hofmann gewesen, die Welt wäre wahrscheinlich längst wieder im düsteren Mittelalter angelangt und ohne Adolph Rickenbacker und George D. Beauchamp, hätte Jimmy Hendrix nicht Woodstock gerockt, sondern – imgaine –  höchstens irgendwo in einem viel zu übel herausgeputzten Saal für das Establishment die eine oder andere Sonata in E-Minor gespielt. „Teenage Riot im Reihenhaus.“

All diese Erfindungen sind über die Jahre hinweg zu einem mehr oder weniger festen Bestandteil unseres Alltags geworden und manche von ihnen haben gar Revolten, Umstürze sowie kleinere und grössere gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt. „Sex & Drugs im Reihenhaus.“

Tocotronics „Electric Guitar“ ist eine vierminütige Ode an eben jenes Instrument, dessen Sound wohl so ziemlich jeden von uns seit der Kindheit und den damit verbundenen Anstrengungen begleitet. Gleichermassen ist’s ein Augenzwinkern, ein zurückblickendes Klagelied über die Leiden und Freuden junger Menschen, über das Heran-, Ent- und Verwachsen. „Manic Depression im Elternhaus.“

Dieser Track der Woche dürfte mit seinen treibenden Drums, den tragenden, jedoch allzu verletzlichen Tieftönen, dem wie gewohnt träge, fast faul anmutenden, Gesang, der kühlen Poesie des Dirk von Lowtzow – er erzählt uns alles, und alles ist wahr – und dem hin und her gerissenen, mal kratzenden, mal streichelnden Spiel der elektrischen Gitarren, in vielen die Erinnerungen an damals etwas entstauben, ja für einen Moment ein paar Jährchen jünger machen. In diesem Sinne, let there be rock!

Infos

Die Single "Electric Guitar" ist eine Auskopplung vom 12. Studio-Album "Die Unendlichkeit".
Das dazugehörige, stimmungsvolle Musikvideo stammt vom Münchner Maximilian Wiedenhofer.

Am Montag, den 09. April 2018, beehrt uns die Kult-Band aus Hamburg im X-Tra, Zürich.

Mi 31.01. 2018