Die minderjährige Jesse reist nach Los Angeles, um dem Kleinstadtmief zu entkommen und aus ihrer Schönheit Kapital zu schlagen. Obwohl sie eine von vielen ist, scheint sie aus der Masse heraus zu ragen und wird unmittelbar zum Magnet von Begierde, Neid und Gewalt. Von Bjørn Strømme
Die Geschichte ist so oberflächlich wie die porträtierten Schönheitsideale im Film selbst. Doch irgendwie kann man sich dem Sog, den der (Leidens)Weg der jungen Jesse (Elle Fanning) entfaltet, trotzdem nicht ganz entziehen. Wahrscheinlich liegt es an den farbig-düsteren Bildern, dem eingängigen Soundtrack und dem gelungenen Cast. Die von Regisseur Nicolas Winding Refn mit «Drive» etablierten Stilmittel werden auch hier wieder gekonnt eingesetzt und mit der Frage nach unserer Vorstellung von Schönheit konfrontiert. Die Behauptung, dass wahre Schönheit das wichtigste Gut überhaupt sei und sich ihre Perfektion in schierer Boshaftigkeit manifestiert, passt perfekt zu seinem Filmstil. Mit seiner zeitgenössischen «Hipster-Ästhetik» vermag Refn nämlich die Vorstellung einer komplett inhaltsleeren Modewelt perfekt inszenieren, läuft aber immer wieder Gefahr, sich in eben dieser Leere zu verlieren. Die äusserst lapidar gehaltenen Dialoge helfen dabei auch nicht weiter. Manchmal scheint es gar, als wären die gezeigten Figuren, hauptsächlich junge Models, über die Leinwand geisternde Leichen.
Und dabei wären wir bei einem für Refns Filme wichtigen Stichwort: Tod. In allen seinen Filmen rundet blutrünstige Gewalt, wenn auch pointiert eingesetzt, seine unverkennbare Bildsprache ab. Dies ist auch in «The Neon Demon» nicht anders und wird zarte Gemüter ziemlich in Anspruch nehmen. Im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger «Only God Forgives» jedoch, ist der Film einiges zahmer und zugänglicher, kryptisch-verworrene Inhalte weichen der glatten Oberfläche eines Laufstegs und bieten dennoch genug Material, um die Geister sich scheiden zu lassen. Und das ist in Ordnung so.