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Steinhalle: Museum of Modern Standards

Sachen gibt’s: Der Wald ist in der Stadt, Sushi gehört so wenig zu Japan wie die rote Mütze zum freundlichen Gartenzwerg und Albert Einstein hat sich offenbar geirrt. Die Zukunft hat gerade Saison und liegt irgendwo dazwischen. Von Maurice Angst

Wie und wo man seine Gepflogenheiten beim Lunch verwerfen muss, Denkmuster entstaubt, sich wundert und speist und trinkt wie Gott in Italien, wie der Volksmund sagt, verrät womöglich dieses Stadtzmittag. Da der Titel allerdings eh schon jegliche Spannung versaut hat, hier gleich nochmal extra-blumig formuliert: Im schicken Kirchenfeld-Quartier, auf dem Platz der Helvetia mit dazugehörigem Politpanorama, also gleich am nördlichen Ende jener gleichnamigen Brücke, die diese, nicht bloss an Diplomatenfahrzeugen reiche Wohngegend, von der Innenstadt mit ihrem ameisenhaufenähnlichen Treiben und dem Lärm trennt. Und von welcher aus Herr und Frau Tourist vor lauter Entzücken reihenweise in die schiere Atemnot geraten beim Anblick dieser sich höflich zurückhaltenden Skyline, die sich typisch schweizerisch, unbeirrt, stets bescheiden gibt, und doch so vornehm, ja beinah einem Gemälde gleich über der nur zögerlich dahin fliessenden, malachitfarbenen Aare thront. Kurz: Drüben beim Historischen.

Es isch Spätherbschtmorge gäge Mittag, wie der Züri Westler sagt.

 

Jedenfalls, spätestens seit Anfang September sorgt eben dort, an diesem lauschigen Fleckchen Erde bei den toten Tieren und dem altehrwürdigen Gebäude, diesem reizenden Schlösschen, eine junge, wilde, top-motivierte Fachmannschaft aus beglaubigt ambitionierten Küchenartisten und aufmerksamen, betont lockeren Gastgebern um den Maitre Markus Arnold für beträchtliches Aufsehen. Und das völlig zu recht: Das Entrée, ein scheinbar unspektakulärer grüner Salat, besticht bereits bei seinem Betrachten durch augenscheinliche Leichtigkeit, überzeugt selbstverständlich aber vor allem der fantastisch dezenten, meisterlich gewürzten Sauce wegen, die da von Messer und Gabel perlt und förmlich trieft von verspielten Aromen, die an den knackigen Blättern sich entfalten wie glitzernder Spätherbstmorgentau, das Blau vom Himmel hängender Gärten. Doch wahrlich ein Poem, was darauf nun folgt.

So wurden mit dem Hauptgang gleich sämtliche, nicht gerade bescheidenen Erwartungen des Autors und seiner Begleitung, schlicht masslos übertroffen. Füllig, währschaftsehrlich, auf das i-Pünktchen gebracht und doch zugleich fremd, echt und anders, zart, fast zärtlich, bleibt diese saftige Schweizer Schweinebrust Steamed Buns aus gedämpftem Hefeteig. Und das noch nicht einmal auf Porzellan serviert, sondern ganz cool auf dem Tablet. High End meets Mensa. Schon recht wunderbar, das alles hier. Na, in modo semplice incredibile, wie der Franzose sagt.

Liegt ein Nackter im Wald…

Vom Arnold, weder zu laut noch zu leise, in seiner neusten Rolle bereits weit über Gastro- und Presselandschaftsgrenzen hinaus freudig erwartet und ab und an auch gerne als «Pop Up-König Berns» betitelt, dürfte selbst der härteste Stubenhocker und Nicht-Zeitungsleser-und-News-sowieso-grundsätzlich-Verweigerer, dürfte mittlerweile sogar im schlechtesten Fall irgendwie doch schon mal gehört haben. Wem es gelingt, das eigene, kreative Schaffen als Grundlage nicht vor sich selbst und die ständige Weiterentwicklung von Qualitätsmerkmalen stellt, aber auch das richtig Spasshaben bei der täglichen Arbeit in der Hektik einer gastgewerblichen Küche nicht vergisst und dies dann auch noch mit einem dieser prestigeträchtigen Michelin-Sterne auszuzeichnen vermag, ihn zu sich nach Hause zu holen – übrigens den allerersten unserer Stadt, wohlgemerkt – dem sind in der Regel mediale Präsenz, viel Lob, liebe Glückwünsche und die Aufmerksamkeit nicht bloss von den Kollegen, Freunden und all den sogenannten Szenekennern erst mal sicher.

Easy Lunch. Klar so weit?

Dass auch zwei, drei neuartige Modeerscheinungen im konzeptionellen Erscheinungsbild des Hauses zu reden geben könnten, sei an dieser Stelle nicht unerwähnt. Wohl schaut der halt doch eher konservative Mittagsgast vielleicht etwas verdutzt, wenn er noch vor dem Platznehmen aus den vier Menus auswählen und dies sogleich bezahlen darf. Ein Bimmeln mit dem herzig kleinen Glöcklein auf dem Tisch sorgt allerdings jederzeit für die Erfüllung etwelcher zusätzlicher Wünsche. Und da das mit dem Bezahlen ja schon erledigt ist, braucht man zumindest für’s Verlassen des Lokals keinerlei Plusminuten einzurechnen.

Als im positiven Sinne angenehm gefährlicher, verflixte Zeit zu verlieren, entpuppt sich da schon eher das Entdecken, das überrascht-werden von versteckten, oft unübersehbaren Pop Up-Elementen, die sich einem mal scheu im unaufdringlichen Deko-Deckmantel, auch des Öftern in provokativer Kunst, primär aber in der Küche zeigen, die keinem Gast, sofern er denn will, den Blick auf sich verwehrt. Man nimmt sich für’s Gesamterlebnis auch mal zurück und mit in die Zukunft, was in der Vergangenheit so vorzüglich funktioniert hat, will darauf nicht verzichten, seien dies nun die geilen Ideen oder jemand aus dem Team. Das leuchtet ein.

Lobenswert: In Stein gemeisselt scheint hier rein gar nichts.

Dass der Patron auch mit kulturcrashigen, weltenbummlerischen, an Lebensdauer zwar buchstäblich befristeten, umso intensiveren, lebhafteren Projekten mit so international anmutenden Namen wie etwa «Captain Frank» oder «Mister Mori – No Sushi», überaus beachtliche Erfolge feiern durfte, zeugt vom notwendigen Mut, einem Gespür für den Zeitgeist und das launische, allzu oft viel zu schnelllebige und selten bis nie berechenbare Business. Dafür, wie man halt auch den einhergehenden, höher geschraubten Erwartungen gerecht zu werden, gehobenere Ansprüche sowohl heute als auch übermorgen zu erfüllen vermag. Ein gewisses Mass an Tatendrang und verwirklichten Plänen ist nicht zuletzt deshalb so weitum wie hinlänglich bekannt.

Pöbelnder Zwerg

Die Steinhalle ist ein Ort, der gehegt und gepflegt wird und einen ziemlich easy sympa Groove ausstrahlen will. Die Ziele sind klar, hoch, deutsch und deutlich formuliert, der Weg dazu ist eingeschlagen. Es zwitschern die Vögel und es pöbelt ein Zwerg beim Toilettenbesuch, denn so ein Wald im Herbstkleid kann überall sein und zählt ja schliesslich zweifelsohne zu den mit Abstand schöneren Dingen auf dem Planeten. Er lässt Körper und Geist zur Ruhe kommen, er erinnnert uns daran, die Seele baumeln zu lassen, inspiriert und wirkt wunderlich, auch in der Kunst der Kulinarik. Und zumindest uns Haupstädtern liegt er dieser Tage noch näher als sonst. Ja, so ist das. Mit dem Unerwarteten ist ständig irgendwie zu rechnen, aber so sollte das im Leben eigentlich sowieso ein bisschen mehr sein. A propos, das Meer ist sehr wahrscheinlich auch bald mal in der Stadt. Die Terrasse präsentiert sich so prächtig wie schattig, es lässt sich hier prima Sonnenstrahlen-  Wortfetzen-, Naturklängefangen beim zufriedenen Verweilen, sie lädt zum schönen Leben ein. Die Stimmung scheint gelassen, heiter, aber nicht träge. Aussicht top.

Hat sich wohl verirrt: Albert Einstein
Infos

Wir haben im Voraus bezahlt:

Fresh Rolls mit Kopfsalat, Frühlingszwiebeln,
Gurke, Kimchi, Sesam, pikantem Ketchup
CH Short Rib für CHF 19.-

3 Steamed Buns im gedämpften Hefeteig
mit Kimchi, Gurke und Knusperzwiebeln
CH Schweinebrust für CHF 16.-

Ice Tea Hausgemacht
5dl für CHF 7.-
Mineral mit Kohlensäure
3dl für CHF 3.50
Espresso CHF 4.20

Restaurant Steinhalle
Helvetiaplatz 5
3000 Bern

www.steinhalle.ch

Tel 031 351 51 00
info@steinhalle.ch (10% Rabatt bei Online-Reservation)

Mi 08.11. 2017