Der Anschlag auf die Word Trade Center-Türme in New York ereignete sich vor 17 Jahren. Unsere neue BM-Kolumnisten Stephanie Beutler besuchte kürzlich im Berner Café des Pyrénées den Pyri-Talk. Das Thema lieferte reichlich Gesprächststoff, ebenso reichlich Beobachtungen für die lauschende Kolumistin. Von Stephanie Beutler
Es war ungefähr 16 Uhr und irgend etwas Schlimmes war passiert, als meine Mutter mich mit dem Auto von der Schule abholte. Das Autoradio lief und der Sprecher erzählte etwas von einer noch nie dagewesenen Katastrophe. Kaum zu Hause angekommen, machte ich den Fernseher an. Und da waren sie. Die zwei rauchenden Türme. Wie zwei übergroße, qualmende, in den Himmel ragende Zigarettenstummel, welche im Begriff waren, für immer ausgetreten zu werden. Draußen flogen gerade ein paar Militärjets ein Manöver und rauschten mit lautem Donnern über unser Haus hinweg. Weltuntergangsstimmung. Und dann plötzlich der Kollaps. Man konnte live mitverfolgen, wie hunderte Menschen ihr Leben verloren. Einfach schrecklich.
«Fast jeder von uns weiß noch, was er an dem Tag des 11. Septembers getan hat», bekundet Reto, einer der Initianten des neuen Formats «Pyri-Talk». «Es berührte uns alle und die Folgen sind bis heute spürbar, deshalb haben wir uns für dieses Thema entschieden», führt er weiter fort. Das Thema «9/11 und seine geopolitischen Folgen» betitelt die zweite Ausgabe des internationalen, politischen Stammtischs im Café des Pyrénées. Die Stimmung in der kleinen Runde ist familiär und die Teilnehmer begrüßen sich freundschaftlich. Die Gäste untereinander, ebenso wie die Moderatoren. Es scheint eine gemütliche Runde zu werden.
Doch der rebellische Geist steht manchen schon quasi ins Gesicht geschrieben. Dieses Wort wird zwar nicht benutzt, aber es ist klar, es geht auch um Verschwörungstheorien. Alsbald fallen Stichworte wie «Öl-Schock, Petrodollar und Nato-Bündnisfall» und kaum dürfen sich auch die Zuhörer zu Wort melden, starten auch schon die hitzigen Diskussionen. Zuschauer stehen für ihre Plädoyers auf, um ihnen mehr Nachdruck zu verleihen. Wirklich unterhaltsam, denke ich mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Und es hat trotzdem immer noch mehr Stil als eine subalterne «Arena». Irgendwie passt das Ganze ins Pyri, welches mit seinem typischen Charme doch durchaus zum Philosophieren und Politisieren einlädt. Und das Glas Weißwein lockert dann auch irgend wann etwas meine eigene Zunge.
«Genau das ist ja auch das Ziel dieses Stammtischs» meint Manuel, der langjährige «Pyribeizer» dazu. «Zwischen den verschiedenen Menschen sollen Diskussionen und ein Meinungsaustausch stattfinden. Der Stammtisch dient zur Förderung der politischen Gesprächskultur, welche den Kern des demokratischen Wesens ausmacht». Und ganz plakativ denke ich als Sozi dabei an die Förderung der gesellschaftlichen Kohäsion. Eine nicht ganz leichte Kost, für so einen Sonntagabend. Doch die Zusammensetzung des Publikums zeigt, dass der Plan der Initianten aufzugehen scheint. Die Gäste im Alter zwischen 30 bis 70 aus Kunst, Kultur und Politik beteiligen sich rege an den Diskussionen. Einzelne genießen das Geschehen aber auch aus dem Hintergrund und nippen einfach genüsslich und amüsiert an ihrem Bier. Der Pyri-Talk; klein aber fein. Kultur einmal nicht nur zum konsumieren, sondern bei Bedarf auch zum mitmachen. Die ambitionierte Runde war inspirierend und bewegte mich dazu selbst auch ein Thema für die nächste Ausgabe einzubringen; «Die Geheimnisse und Hintergründe der Pharmaindustrie». Ich bin gespannt, was sich daraus ergibt.