Zurück

Sozi meets Kultur #1: Das Monschterbuech

Schrott für Kinder? Unsere neue BM-Kolumnistin Stephanie Beutler verbindet jeweils eine Kultur-Veranstaltung mit ihren täglichen Beobachtung. In ihrer ersten Ausgabe staunt sie darüber, wie Kinder oft für dumm verkauft werden und entsprechend seicht berieselt werden. Ist das so? Von Stephanie Beutler

Ich war so unheimlich verliebt in David Hasselhoff und alles was meine Großmutter dazu zu sagen hatte, war, dass ich doch erst sechs Jahre alt sei und noch gar nicht wisse, was Liebe ist. Einem Kind die Liebe abzuerkennen, geht das? Wie ernst sollen wir unsere Kinder eigentlich nehmen, ihre Anliegen, ihre Wünsche? Wie ernst ist denn ihre spielerische Welt? Und gäbe es überhaupt irgendeine Art von Kunst, wenn wir nicht alle manchmal im Spiel die Ernsthaftigkeit unserer Welt darstellten? «Noch nie ist, denke ich, soviel Schrott auf Kinder gekippt worden wie heutzutage. Ich meine damit vor allem die Produkte, in denen erwachsene Menschen sich auf ein eingebildetes oder bereits bewährtes Kinderniveau herunterschrauben. Aber wenn es um Leben und Tod geht, um Liebe und Hass, Eifersucht, Lügen, List, Hoffnung, Sehnsucht, Wünsche und so weiter, da wissen diese ‚Kurzen Menschen‘ doch verdammt gut Bescheid.» Der 2005 verstorbene Zeichner, Autor und Regisseur Friedrich Karl Waechter bringt es auf den Punkt.

Wie einfach ist es doch, abends die Kleinen einfach mal kurz mit YouTube oder Sonstigem ruhig zu stellen. Mit einer lustigen Trallala-Welt. Doch haben bereits nahe Kulturformen wie etwa das Theater eine womöglich anregendere, magischere Art und Weise, uns unsere Welt zu vermitteln, die Zeichen der Zeit zu codieren und die wahren Realitäten unserer Welt darzustellen. Und dabei muss man als Mama oder Papa nicht immer gleich ängstlich und zimperlich sein, denn unsere lieben Kleinen sind nicht dumm. Wir dürfen ihnen ruhig ein Stück der Ernsthaftigkeit unserer Welt zumuten. Was hilft es, alles bis zum harten Einstieg in die Erwachsenenwelt zu bagatellisieren? Das Leben von Kindern ist durchaus auch manchmal die Hölle und nicht nur ein Spaziergang im Honigkuchenpferdland. Wenn man also Kinder ernst nehmen und ihnen etwas fürs Leben mitgeben will, dann gehört der Horror in gewissem Masse auch auf deren kulturellen Speiseplan.

So bringt das exemplarische Theaterstück «Das Monschterbuech» eine solche Ernsthaftigkeit in einem wunderbaren Gleichgewicht von Zumutung und erleichterndem Humor auf die Bühne. Es behandelt das Thema Angst und setzt auf Darstellungsformen wie dem Spiel zwischen Licht und Schatten. Das Stück erschafft damit bewusst eine Ästhetik, die für Kinder neuartig und herausfordernd sein kann. Es wird Fragen nachgegangen, wie; Was sind Monster? Müssen Monster bezwungen werden oder geht es nicht eher darum, friedlich, in Koexistenz, mit ihnen zu leben? Inwiefern sind die Monsterängste der Kinder unterschiedlich zu den Erwachsenenängsten? Oder sind es nicht vielmehr Monster, die uns seit Kindheit begleiten? Die Geschichte des Theaterstücks zeigt, dass es sich nicht lohnt, vor jedem Monster davon zu rennen. Letztlich eher hilft, die inneren Monstern zu verstehen und zu akzeptieren. «Das Monschterbuech» ist ein Theaterstück, das den Anspruch hat, mehr zu sein, als eine reine Märchenbühne und dadurch interessante Denkanstöße für die Kleinen wie auch für die Großen bietet.

 


Zur aktuellen Veranstaltung
Das Theaterstück «Das Monschterbuech» läuft ab dem 08. November 2018 im Theater Schlachthaus Bern.

Spiel: Michael Glatthard, Dominik Gysin, Brigitta Weber / Konzept: Brigitta Weber, Sibylle Heiniger / Inszenierung: Sibylle Heiniger / Text: Maria Ursprung / Illustrationen: Mohéna Kühni / Ausstattung: Renate Wünsch / Sounddesign: Resli Burri / Lichtdesign: Martin Brun / Technik: Pavel Mischler / Produktionsleitung: Boss & Röhrenbach

Infos

Stephanie Beutler studiert Soziokulturelle Animation, arbeitet im Lehrerzimmer Bern und ist Mutter. Als Kulturinteressierte und ehemals unter anderem im Gaskessel engagierte Akteurin gewährt sie dem Bewegungsmelder monatlich einen raschen Einblick in ihre Alltagsnotizen, die sie aus der Sicht der Animatorin wie auch als Stadtbewohnerin zusammenkritzelt. Für ihre neue Kolumne «Sozi meets Kultur» beschäftigt sich die Kolumnistin mit Kultur- und urbanen Themen und wendet diese sogleich auf eine aktuelle Veranstaltung an.

Di 09.10. 2018