In seinem Debütroman erzählt der Sänger der Goldenen Zitronen von einem Leben in der Verweigerungshaltung und verweigert dabei der Leserschaft konsequent eine kohärente Geschichte. Das Buch ist eine Autobiografie und dann auch wieder nicht – und ist damit ein Abbild seines Autoren. Von Kevin Mc Loughlin
Eines vorneweg: Einfach ist dieses Buch nicht. Wer Schorsch Kamerun und sein Werk mit den Goldenen Zitronen und im Theater etwas kennt, wird sich schon ein Bild davon machen können, auf was man sich hier einlässt. Die Rede war von einer Autobiografie. Das ist dieses Buch aber eigentlich nicht. Klar, die Geschichte von Protagonist Horsti aka Tommi from Germany ist die Geschichte von Thomas aka Schorsch Kamerun. Und klar, die weiteren Personen im Buch lassen sich mit etwas Hintergrundwissen problemlos Weggefährtinnen und Weggefährten Kameruns zuordnen, aber das ist eigentlich nicht so wichtig. Denn «Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens», übrigens benannt nach einem Lied Kameruns, will mehr, als nur wiedergeben was war.
Den Anfang nimmt die Geschichte in der norddeutschen Provinz, in Bimmelsdorf. Hier findet Horsti mit Freunden den Weg in den Punk und probt schon einmal im Kleinen den Aufstand wider die Eltern, die Schule, das örtliche Establishment. Wer Punk sein will, braucht auch eine neue Existenz und so wird aus Horsti bald einmal Tommi from Germany (wobei das i immer grossgeschrieben wird). Bald einmal zieht es Tommi from Germany von der Provinz nach Hamburg, wo er sich in der hiesigen Szene einen Platz sucht. Horst, oder Tommi (aber eigentlich Schorsch) erläutert im Folgenden seine Aktionen, den musikalischen Werdegang, die Gründung des Clubs mit dem speziellen Tier im Namen (sprich: den Golden Pudel), seine ersten Gehversuche als Theaterregisseur und immer wieder das Aushandeln seiner eigenen Position und seiner Freundschaften.
Das Leben besteht aus Konfettifetzen
Der Geschichte zu folgen kann mitunter etwas schwerfallen, weil Kamerun die Sperrigkeit seiner Band auch in seine Erzählung einfliessen lässt und sich sprachlich auf einem ähnlich assoziativen und sprunghaften Level befindet wie bei seinen Liedtexten. Sprunghaft ist er auch in der Erzählung, in der er fortwährend von Erinnerungen zu politischen oder philosophischen Allgemeinexkursen springt. Für dieses fragmentierte Erzählen, liefert sein Protagonist allerdings gleich im Buch selbst die Erklärung: «Ein heutiges Leben besteht aus Konfettifetzen, die zu einem Flickenteppich vereint, ein für den Einzelnen kaum mehr zu überschauendes Bild ergeben. Wie soll man ein solches Dasein angemessen wiedergeben?»
«Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens» ist ein Roman, den man sich erarbeiten muss. Als Belohnung winken eine intime Einsicht in die deutsche Punkbewegung der frühen 80er, der linken Szene Hamburgs und den «genialen Dilettanten» der 80er und 90er, Erklärungen zu einigen Liedtexten und Ansichten zu politischen Irrungen und Wirrungen heute wie damals. Wer sich für eine dieser Themen oder für die alten Hamburger (Punk-)Bands interessiert, wird mit Schorsch Kameruns Debütroman viel Stoff erhalten. Und generell wäre die Welt wohl ein besserer Ort, würden mehr Leute viel mehr Musik der Goldenen Zitronen hören.