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Schauplatz Bern #5: Radio zum Glück

Auf dem Arbeitsweg wird einem erst klar, was wir für ein Gück haben mit dem RaBe, wie traurig unsere Radiowelt sein kann und wie scheisse Gölä ist. Von Kilian Ochsner

Man kann ja nicht immer nur fressen und feiern, man hat sich seine Brötchen auch zu verdienen. Auf dem Weg zur Arbeit verbringe ich manchmal viel Zeit – ob zu zweit oder zu dritt – im Firmenwagen auf der Autobahn. Da wir zum Teil auch in die entlegensten Winkel der Schweiz fahren müssen (ich mein‘, wer hat schon jemals von einem Örtchen namens Feutersoey gehört?), sind wir zuweilen einige Stunden unterwegs. Der beste Freund und ärgste Feind auf der Strasse ist dabei das Radio.

Der beste Teil der Fahrt zur Arbeit ist ja meist kurz nach der Abfahrt in Bern, so ungefähr bis Kriegstetten, oder bis kurz vor Thun. Bis dorthin, wo man die wundervolle Frequenz auf 95.6 MHz verliert. Zugegeben: Ich geniesse ja nicht jeden Morgen das Programm auf RaBe mit dem gleichen Enthusiasmus, was nicht immer nur am Vorabendprogramm liegt. Punk Rock um Viertel nach acht in der Früh ist halt nicht immer mein Ding. Doch das ist ja meckern auf eher hohem Niveau, wenn man weiss, was einem blüht, sobald man die Reichweite verlassen hat.

Aus Mangel an halbwegs brauchbaren Privatradios in diesem Land schaltet man meist auf SRF1 und schon bald stellt sich die Frage: Wer um alles in der Welt stellt dieses Musikprogramm zusammen? Die Wechsel zwischen den verschiedenen Musikstilen, die Vehemenz, mit der immer dieselben Lieder zur selben Zeit des Tages gespielt werden und die komplette Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass es auch gute Schweizer Musik gäbe, lassen einen schon ein wenig sprachlos zurück. Von Zeit zu Zeit mag das ja eine gewisse Komik mit sich bringen, beispielsweise als sie Eddy Grants «Gimme Hope Jo’anna», direkt auf Franz Schuberts «Ave Maria» folgen liessen. Ich meine echt jetzt, wer macht denn sowas? Es gibt auch Augenblicke, in denen alle Insassen des Fahrzeugs am Feiern sind; gegen Klassiker von Queen, Neil Young oder David Bowie ist ja eigentlich nie etwas einzuwenden. Doch die meiste Zeit ist unser öffentlich-rechtliches Radio doch ein Jammertal des schlechten Geschmacks.

Speziell zu erwähnen ist die Auswahl der Schweizer Musik, die gespielt wird: Ich kann nur eine eher homöopathische Menge Plüsch, Adrian Stern, Gölä (ay, Caramba) oder Sina an einem Tag verkraften und dieser Grenzwert wird regelmässig massiv überschritten. Zwischendurch mag ja ein ganz anständiger Song von Züri West oder Stephan Eicher gespielt werden, aber nur in diesen Dosen, in welchen der ganze, erwähnte Schweizer Musikmüll noch halbwegs erträglich wäre. Diese zu seltenen Momente werden danach meist so oder so durch Bastian Baker oder 77 Bombay Street vernichtet. Weshalb werden die überhaupt von SRF1 gespielt? Bands, die hauptsächlich von 14-Jährigen gehört werden, haben doch auf einem Sender, der sich mit seinem Programm eher an unsere Mitmenschen im Rentenalter richtet, doch eigentlich nichts verloren.

Dabei gäbe es in der Schweiz doch keinen Mangel an musikalischem Talent. Es müssen ja nicht immer die gleichen drei, vier Berner Acts sein, die jeder schon kennt und irgendwie cool findet (und nein, Gölä ist damit bestimmt nicht gemeint).  Durchaus radiotaugliche Musik gäbe es ja auch von ABU, Patrick Bishop oder Pablopolar (um nur einige aus der Bundesstadt zu nennen), und wenn man gen Osten blickt, wäre da noch Stahlberger. Doch die Musikredaktion unseres Nationalradios scheint mit immer derselben Plärre, welche ab und an von einer Perle etwas aufgelockert wird, zufrieden zu sein.

Vielleicht hatte man ja das unglaubliche Glück und hat das eine Mani Matter-Lied, das am Tag gespielt wird, mitgekriegt, doch ein Highlight ist doch, wenn am Abend das Autoradio beim Durchschalten zum ersten Mal wieder auf den magischen 95.6 MHz hängen bleibt: Der Frequenz, die von den Insassen unseres Firmenwagens jedes Mal aufs Neue mit einem herzlichen «Praise the Laouwd!» begrüsst wird. Mit gutem Grund: Auf welchem Sender kriegt man sonst Songs zu hören, die man vom ersten Ton an liebt, ohne je etwas vom Interpreten gehört zu haben? Auf welchem Sender wird eine extrem talentierte, aber aus völlig unerklärlichen Gründen unentdeckte Musikerin wie Jessiquoi in eine Livesendung eingeladen? Welcher Sender hat den Mut, einem um 08:15 Punk um die Ohren zu hauen? Ich kenne nur einen und sage deshalb beherzt: Danke, RaBe!

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Das Bild dieser Kolumne ist von Claude Kuhn, VIsueller Gestalter & Szenograf aus Bern.

Infos

Er kennt die Stadt wie seine rechte Westentasche, ist sowohl in Spelunken als auch in überdimensionierten Konzerthallen anzutreffen und scheint einen unstillbaren Appetit auf Berns Kulturleben inne zu haben. Kilian Ochsner schaut für den Bewegungsmelder tief ins hiesige Treiben und stürzt sich gewohnt unbefangen und unparteiisch ins bunte Getümmel.

Das Bild dieser Kolumne ist von Claude Kuhn, VIsueller Gestalter & Szenograf aus Bern.

Zu RaBe: Das Berner Alternativ-Radio feiert dieses Jahr sein 20. Jubiläum und veröffentlicht ein Buch zur Geschichte des Senders. Als Mitglied kann man das Radio nachhaltig unterstützen. Mehr Infos dazu hier http://rabe.ch/mitgliedschaft

Do 15.09. 2016