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Schauplatz Bern #3: Unterwegs im schönsten Funkloch des Kantons

Manchmal muss man alle Zweifel über den Haufen werfen und einfach Ja sagen. Ja etwa zu einem Ausflug an ein Festival, von dem man noch nie etwas gehört hat, Ja zum Besuch eines unscheinbaren Waldes und unbekannten Dorfes, obwohl triftige Gründe fehlen. Denn manchmal wird man dafür reichlich belohnt. Von Kilian Ochsner

«Kommst du am Freitag auch nach Brenzikofen? Peacock Smith spielt da an irgend so ’nem kleinen Festival.» Zugegeben: Es dauerte bis Freitagmittag, bis ich die Frage mit einem klaren «Ja» beantworten konnte. Ich meine: Brenzikofen, wo ist das überhaupt, wie kommt man hin und wie wieder nach Hause? Als diese Fragen zum Teil geklärt waren, gab ich mir einen Ruck und sagte zu. Es sollte sich lohnen.

Nach der Ankunft am Bahnhof Brenzikofen gings erstmal an der Landi vorbei in Richtung Wald, danach den Waldweg am Bach entlang, bis man schliesslich vor dem Eingang des Festivalgeländes stand und von einem unglaublich bekifften jungen Herrn mit einem breiten Lächeln begrüsst wurde. Für den Eintritt auf Kollektenbasis stand ein Meter hinter dem Pult mit dem sympathischen jungen Herrn eine Box, wo man reinwerfen konnte, was es einem wert war. Ich hielt mich an den Richtpreis und steckte einen Zwanziger in die Kiste, was für einen Tag Boui-Boui, wie dieses kleine aber feine Festival (06. – 09. Juli 2016) heisst, empfohlen wurde. Nach der Kollektenkasse ging es dann weiter durch einen aus Holz gezimmerten Tunnel, welcher immer enger und verschlungener wurde. Zuweilen musste sogar ich mich – mit meinen knappen 1.74m Körpergrösse – bücken, um mir nicht den Kopf zu stossen. Nach der zweiten oder dritten Windung trat man über eine kleine Rampe inklusive Partybeleuchtung auf das Gelände.

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Endlich angekommen, kam ich aus dem Staunen kaum mehr raus: Alles – von der Hauptbühne über die Fressstände bis zu einer dreistöckigen Bar mit dem passenden Namen «Dangerzone» – war eigenhändig aus Holz gezimmert. Das Gelände hatte eine überschaubare Grösse. Mit dem Zeltplatz beim Eingangsbereich, der gegen den kleinen, flachen Hang ausgerichteten Hauptbühne und dem sogenannten Dörfli, wo sich die Fressstände, eine kleine Bühne, sowie eine Kaffee-Bar in Form einer riesigen Bialetti-Kanne befanden. Oder so überschaubar schien es zumindest, bis ich Peacock Smith über den Weg lief und ihn fragte, wo er denn um zwei Uhr nachts spielen werde. Er verwies mich auf einen kleinen Pfad, welcher neben der «Dangerzone» vorbei in den Wald führte. Voller Neugier folgte ich dem Weg, welcher bald zu einer selbstgebauten Brücke wurde, welche über den Bach in den Wald hinein führte und liebevoll mit Lichterketten und Lampen, welche auf das klare Wasser schienen, beleuchtet war. Dahinter war noch eine Treppe mit unregelmässigen Stufen, welche mir doch ein wenig Angst machte (spät nachts mit erhöhtem Alkoholpegel im Blut, ihr wisst schon). Am Ende stand man vor einer Bühne im Wald, die gegenüber eines kleinen Kletterparks aus Holz und Seilen lag.

Das ganze Festival wurde mit so viel Liebe organisiert und durchgeführt, dass es mich nicht im Geringsten störte, dass die Bands musikalisch nicht unbedingt meinem Geschmack entsprachen. Die Stimmung war einfach fantastisch, und sowohl Festivalbesucher wie Helfer schienen allesamt gut gelaunt zu sein und einige von ihnen hatten spannende und unterhaltsame Dinge zu erzählen. Entsprechend fiel es mir nicht schwer, die Zeit bis zum Konzert um zwei Uhr nachts zu überbrücken. Peacock Smith erfüllte mit seinem Electro-Rock auch so ziemlich das, was ich mir von ihm erhofft hatte. So stolperte ich kurz vor 05:00 Uhr mit einem breiten Grinsen im Gesicht Richtung Bahnhof Brenzikofen, um den ersten Zug nach Bern zu erwischen. Natürlich rundum glücklich darum, dass ich mich doch noch entschieden hatte, in dieses Funkloch zu fahren.

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Infos

Er kennt die Stadt wie seine rechte Westentasche, ist sowohl in Spelunken als auch in überdimensionierten Konzerthallen anzutreffen und scheint einen unstillbaren Appetit auf Berns Kulturleben inne zu haben. Kilian Ochsner schaut für den Bewegungsmelder tief ins hiesige Treiben und stürzt sich gewohnt unbefangen und unparteiisch ins bunte Getümmel.

Merci, Tabea Reusser, für die tollen Bilder.
Tabea's Blog.

Di 12.07. 2016