‹Zirkus Zeitgeist› der Mittelalter-Rocker Saltatio Mortis liefert zeitgenössische Gesellschaftskritik in alter Spielmannstradition. Von Orlando Willi
Musik aus dem Bereich der Mittelalter-Szene gehört zwar nicht zum Kerngeschäft des bewegungsmelders. Mit ‹Zirkus Zeitgeist› von Saltatio Mortis erschien am 14. August nun ein Album, das die aktuelle Befindlichkeit in unserer Gesellschaft treffender nicht einfangen könnte und darum hier seine Erwähnung verdient hat.
Die deutsche Combo Saltatio Mortis (lateinisch für «Totentanz») gehört zum Genre des Mittelalter-Rock und vereint die klassische Rock-Band-Formation mit Instrumenten aus Folk- und Mittelaltermusik (Dudelsäcke, Drehleier, Schalmeien, etc.). Neben Mittelalterfestivals wie dem MPS tritt die Band auch auf Rock- und Metal-Veranstaltungen auf. Auf ihrem neuen Studioalbum sind neben den Dudelsäcken allerdings weniger Spielmann- oder Marktmusik-Elemente auszumachen als auch schon. Dafür gibt es harte Gitarren-Riffs und geradlinige Schlagzeug-Beats, welche gut ins Gehör und den Nacken gehen.
Alte Geschichten in neuem Gewand
Inhaltlich beschäftigt sich Zirkus Zeitgeist wie es der Titel bereits verrät auch weniger mit klassischen Mittelalter-Themen, sondern mit den aktuellen Problemen der Gesellschaft. Dabei versteht es Schlagzeuger und Texter Lasterbalk der Lästerliche ausgesprochen gut, historischen Geschichten einen zeitgenössischen Anstrich zu geben und Vergangenheit und Gegenwart so musikalisch wie textlich zu kombinieren. ‹Des Bänkers neue Kleider› nimmt das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern auf und erzählt es anhand der nebulösen Geschäfte der heutigen Finanzinstitute. ‹Maria› ist eine historische Melodie, deren Originaltext entchristianisiert wurde und das Thema der ungewollten Empfängnis im Licht des Jahres 2015 behandelt. ‹Rattenfänger› ist mit Ska-Elementen und einem Tango-Part musikalisch der vielleicht interessanteste Song der Platte. Auch er nimmt eine alte Sage (Der Rattenfänger von Hameln) auf erzählt sie in neuem Gewand.
Der Anti-Kriegssong ‹Nachts weinen die Soldaten› und ‹Todesengel›, welches die wahre Geschichte von jüdischen Zwillingsmädchen im Holocaust erzählt, sind musikalisch wie textlich sehr emotionale Stücke, welche kaum jemanden unberührt zurück lassen. Mit ‹Trinklied›, ‹Geradeaus›, ‹Wilkommen in der Weihnachtszeit› und ‹Wo sind die Clowns?› sind aber auch genügend schnelle und (zu Teilen) fröhliche Lieder dabei. Zu ‹Wo sind die Clowns?› wurde auch ein Video gedreht, das die acht Herren von SaMo für einmal nicht in mittelalterlicher Gewandung sondern in Clown-Kostümen zeigt.
Moderne Spielleute
Insgesamt liefern Saltatio Mortis mit ‹Zirkus Zeitgeist› ein Werk ab, das besonders durch seine kritischen Texte und seine treffende Gegenwartdiagnose auffällt. Als Spielmänner der Moderne verstehen sie sich nicht als reine Unterhaltungsband, sondern legen den Finger in die Wunde einer zunehmend orientierungslosen Gesellschaft und Politik. Musikalisch wird die rockige Linie des Vorgängers «Das Schwarze IxI» fortgesetzt.
Zum 15jährigen Bandjubiläum erscheint das Album in einer Doppel-CD Edition. Auf der zweiten Scheibe haben unter dem Motto ‹15 Jahre – 15 Bands› befreundete Musiker jeweils einen Song der Band gecovert. Dieses Konzept zieht sich bei Bandjubiläen nun schon seit einigen Jahren durch verschiedene Genres. Neben diversen Combos aus dem Mittelalter- und Folk-Rock Genre hat auch die Queen of Metal Doro Pesch höchstpersönlich einen Song beigesteuert.