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Review: Sonisphere 2016

Die Neue Deutsche Härte am Vierwaldstättersee

Der Luzerner Metal-Anlass sorgte Anfang Juni vor allem mit international bekannten, ganz, ganz grossen Namen, wahren Ikonen des Genres und viel, viel Strom in Form von Lautstärke kurz für Furore. Ein mutwillig subjektiver Erlebnisbericht. Von Maurice Angst

Nach der Anreise im – wie so oft an einem Festivalwochenende, mit dem nun wirklich niemand und erst recht nicht die SBB hat rechnen können – völlig überfüllten Zuge und einer kurzen Busfahrt ab Hauptbahnhof, bleibt der ungläubige Blick erstmal auf einer zutiefst beeindruckenden Masse von Menschen und ihren Lederjacken haften. Beharrlich, aber erstaunlich ruhig und angenehm gestaffelt, pilgert sie im strömenden, zeitweise nicht mehr enden wollenden Regen auf die Allmend. Trotz Dreck, Schlick und Schlamm überall.

Wenn Rammstein zum Pyro-Spektakel im brachialen Stakkato-Gewitter rufen, wenn die bärtigen Kolosse von Slayer das Trashige ihrer Zunft mit einer Hingabe wie sonst kaum wer in der Branche zelebrieren oder die rüstigen Gentlemen-Haudegen von Iron Maiden auf den Bühnen dieser Welt gleich mehrere vergangene Dekaden des Hard Rocks auf- respektive weiterleben lassen, ist das ein wenig so, als wanderten die Völker. Alleine am Samstag habe man etwas mehr als fünfzigtausend Besucher gezählt. Zählt man hingegen die Minuten, die ein gewöhnlicher Open Air-Gast benötigt, um den Eingang zu passieren, an ein Bier, eine Bratwurst oder eine Toilette zu kommen, scheint diese Zahl eher leicht untertrieben. Hier tummeln sich Leute verschiedenster Herkunft, Altersklassen oder Gesinnung, auch die Politik und die Cüpli-Gesellschaft sind vertreten. Dennoch erkennt und schätzt man den fast schon familiären Zusammenhalt in dieser bestens verknüpften Szene mühelos.

rammstein sonisphere

Beim Dresscode allerdings herrscht, von ein paar vereinzelten Paradiesvögeln jetzt mal abgesehen, offenbar die reinste Einigkeit. Grundsätzlich gilt: Auf keinen Fall was mit Feen oder Blumen. Dafür ein bisschen mehr von Bones & Skulls, vielleicht das eine oder andere okkulte, semi-geheimnisvolle Symbol und natürlich ein métallisé-walpurgisnacht-dunkles Leibchen von einer Band, deren Namen richtig auszusprechen wohl nur wenige in der Lage sind und deren Musik so verdammt hart oder noch viel härter klingt, dass selbst der seelenleerste Sensemann reflexartig die Rockerfaust gen Himmel reckt, nett headbangt und die Glieder verwirft. Wogegen dann beispielsweise ein AC/DC-Konzert samt gehörnter Bundesrätin und den ewig gleichen, staubigen Pseudo-Rock’n’Roll-Floskeln des Herrn Ch. v. R. (Name der Redaktion bekannt) schliesslich eher so ein wenig rüberkommt wie Pipifax an einem echt total langweiligen Kleinkindergeburtstag.

iron maiden sonisphere

Ein kleiner Ausflug nach Heavy-Metal-Luzern ist also eine durchaus spassige Sache. Wieder vollständig nüchtern und im Nachhinein betrachtet, sollte dieser Umstand allein jedoch nicht über den beinahe grob offensiv und doch ziemlich kommerziell gepflegten Event-Charakter hinweg täuschen. Das kulinarische Angebot ist zwar reichhaltig, aber nicht wirklich kreativ, wer Bier nicht mag, ist hier halt selber Schuld. Campingmöglichkeiten bestehen ebenso wenig (also gar keine) wie jene, nach den Konzerten noch etwas weiter zu feiern. Man steht und wartet viel, und wenn’s langsam Platz gibt und der Fun-Faktor sich deswegen gerade noch einmal verdoppeln könnte, ist’s fertig. Jep, für alle gleichzeitig. Die Folgen davon könnt ihr euch ja denken. Ade, merci.

Infos

Line Up: Iron Maiden, Slayer, Apocalyptica, Rammstein, Sabaton, Tremonti, Gojira, The Raven Age, Wild Lies, Anthrax, Powerwolf, The Shrine, Shakra, Tuxedoo

So 12.06. 2016