Es ist wieder Zeit für die Carte Blanche der bee-flat, will heissen: Ein ausgesuchter, möglichst lokaler Künstler erhält einige Abende Zeit zur freien akustischen Gestaltung der Bühne in der Turnhalle. In diesem Jahr mit Florian Favre. Der Bericht zur zweiten Ausgabe. Von Sven Sommer
Was genau einem an diesem Abend erwarten sollte, dürfte den meisten nicht ganz so klar gewesen sein. Nur so viel: Mit den eingeladenen Musikern hat Florian Favre vorher noch nie zusammen gespielt. Das weckte wohl breites Interesse, die Turnhalle ist gut gefüllt. Eine sich bei manchen kritischen Gemütern eingeschlichene Skepsis nach Favres einleitenden Worten «Wir kamen auch am Nachmittag nur knapp zum Proben» muss schon nach den ersten paar Tönen aus Albin Bruns Schwyzerörgeli verflogen sein.
Auf der Bühne entsteht eine Harmonie, wie man es dem Schweizer Traditionsinstrument und dem Piano in Kombination, nicht sofort zugetraut hätte. Brun beginnt langsam, wechselt von traurig Moll zu fröhlich Dur, von dunkel zu hell, entlockt dem Instrument virtuos eher atypische Klänge und Favre begleitet, setzt plötzlich mit einen Beat ein und verleit dem Ganzen eine beinahe schon elektronische Note. Weiter geht die musikalische Reise durch Welt und Genres vom Luzerner Hinterland ins Morgenland: Amine M’Raihi mit seiner Oud, einer Laute, die ursprünglich aus dem mittleren Osten stammt, bespielt mit Favre als Begleitung den hohen Raum.
Jeweils im Duo, Tête–à–tête eben, gibt Favre mit seinem Pianospiel den sechs Musikern Plattform und Platz zur Entfaltung, holt alles aus seinem Instrument, dämpft die Saiten, zupft sie, nutzt Effekte, bleibt dabei aber im Hintergrund und setzt vielmehr die Gastmusiker in Szene. Von Gast zu Gast wechseln zugleich die Genres; Klassik fliesst in Jazz über, die Klänge stampfen, fliegen, stürzen, vertonen einen düsteren Stummfilm oder schreiben eine pompöse Rock-Oper.
Ganz zum Schluss begeben sich alle Musiker zusammen auf die Bühne und geben das eigens für die Formation komponierte Stück «Dance» zum Besten. Der Abend findet seinen Abschluss mit, fast schon erwartender, voller Bühne – nun nicht mehr als Tête–à–tête, sondern als Ménage à six.
Foto-Credits: Alle Fotos von Kathrin Schelker.