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Review Carte Blanche mit Isabelle Ritter #1: Flake

Die Carte Blanche-Reihe startete heuer früh, dieses Mal hat eine Sängerin das Programm erstellt. Doch was bringt diese Isabelle Ritter denn eigentlich für Musik auf die Bee-Flat-Bühne? Ein Erlebnisbericht. Von Sven Sommer

Aus dem Begriff «Pop» zieht man ja in etwa soviele Schlüsse wie aus der Bauanleitung für ein Ikeamöbel. Umso gespannter ist man jeweils, wenn man ein Konzert besucht, das mit dem Palindrom untertitelt wird.

Doch wie nennt man als Band seine eigene Musik, ohne so umfängliche Begriffe wie Rock oder Pop zu verwenden? (Achtung! Kurzer, hinterfragender Exkurs, weiter unten gehts zum eigentlichen Review) Reiht man einfach mehrere Begriffe aneinander (Pop-Rock), setzt man eine Musik-stilistische Spanne auf dem Zeitstrahl und baut die mit ein (Post-Pop-Rock)? Nimmt man ein paar englische Wörter, von denen man denkt, dass sie passen (Girlie-Power-Garage-Pop-Rock) oder nimmt man irgendeinen Phantasienamen, wie das etwa YOKKO machen (Atlantic-Wave). Dem Drang nach Individualität sind keine Grenzen gesetzt.

Item.

Die Tische sind mit Pfauenfedern geschmückt, das Licht ist bereits gedimmt und der Raum ist gut gefüllt. Als die iPod-Musik verstummt und die Bühne beleuchtet wird, entdeckt man auch an den Instrumenten, Verstärkern und Mikroständern dieselben farbigen Schmuckstücke aus dem Tierreich. Die Band betritt die Bühne und beginnt sogleich zu spielen – aufbauend, zuerst nur ein Beat, dann setzen langsam und zurückhaltend die Instrumente und die Backgroundstimmen ein. Die Scheinwerfer beleuchteten Isabelle Ritter erst als sie sanft zu singen beginnt, gekonnt monoton und irgendwie abgelöscht zuerst. Auch sie ist im Stil der Tisch- und Bühnenaccessoires mit Pfauenfeder-Ohrringen und ebensolchen Leggins ausgestattet, ein grünes Shirt verbindet alles. Der Rest der Band ist schlicht in Schwarz gekleidet.

 

Isabelle Ritter’s packende Stimme vermag auf einer grossen Bandbreite zu überzeugen: Von tieftraurig über soulig bis zu neckisch oder beinahe schon pompös deckt sie so gut wie alles ab. Man will lachen, man will weinen, man will tanzen, man will headbangen, den Kopf sanft in den Nacken legen, die Musiker umarmen.

 

Die Band selbst besteht aus Profis an ihrem jeweiligen Instrument oder eben in ihrem Können als Zweitstimmengeberinnen. Als Gesamtbild produziert die Band einen runden und äusserst facettenreichen Sound, der die Stimme der Sängerin aufgreift, unterstützt und diese im Kontrast noch stärker erscheinen lässt. Auch hier in einem breiten Spektrum, sei es nun Soul oder Funk oder in einem Rocksong, bei dem auch einmal ein Gitarrensolo drin liegt. Die Bezeichnung Pop als schwammige, sich nicht richtig festlegende Beschreibung für eine bestimmte Musikrichtung ist hier also nicht einmal wirklich fehl am Platz.

Die Gastgeberin selbst wirkt dabei stets sympathisch, lacht, tanzt, performt. Auch wenn einmal ein Songanfang wiederholt werden muss, weil das Tempo von Elektrobeat und Schlagzeug nicht übereinstimmte. Solche Fehler machen eine Band greifbar und menschlich – vor allem, wenn man darüber lachen kann und ohne grosses Gedöns noch einmal von vorne beginnt.

 

 

Bis zum zweiten Abend der hiesigen Serie ist es noch ein paar Wochen. Wie Willhelm Busch in seiner Pädagogik-Dystopie «Max und Moritz» zu schreiben pflegte: Dies war der erste Streich. Und der zweite folgt im März.


Fotos von Daniel Bernet.