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Oktober-Interview: Im Gespräch mit Suns of Thyme

«Nun haben wir wieder ein weisses Blatt und können von vorne beginnen.»

Im Dachstock trafen wir Suns Of Thyme für ein Gespräch. Sänger und Gitarrist Tobias Feltes erzählte uns im Backstage gemeinsam mit Gitarrist Tim Hoppe einiges über ihr Tourleben, ausgeklügeltes Songwriting und das gute, alte Berlin. Von Sven Sommer

Das Rössli: Reitschule-Fumoir und eines der wenigen Berner Konzertlokale mit dem Mut regelmässig (noch) unbekannte Indie-Bands auf ihre Bühne zu holen. Besonders wenn Gitarrenmusik, die nicht gerade ins Mainstream-Popschema passt, scheinbar einen schweren Stand hat. Booking done well. Aktuelles Beispiel: Die Suns of Thyme. Nach dem Essen im Souli stellten sich zwei der Berliner Musiker unseren Fragen.

 

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Tim Hoppe

Bewegungsmelder: Hallo, ihr beiden. Nach dem Essen nun das Interview. Ihr nennt euren Sound Krautgaze. Ist das der gemeinsame Konsens in der Band oder gibt einer von euch den Stil vor?

Tobi: Das hat sich in den ersten ein, zwei Jahren so herauskristallisiert. Jeder hat sehr unterschiedliche Einflüsse und sehr unterschiedliche Bands, die er mag. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass, egal was wir im Auto spielen, es immer mindestens zwei gibt, die die Musik nicht mögen. Einen gemeinsamen Geschmack zu treffen ist eigentlich unmöglich, aber genau dadurch kam unser eigener Sound-Mix zustande, der, hoffe ich zumindest, ansonsten noch nicht da war.

Tim: Es gibt schon auch einen gewissen Konsens, aber es wird halt auch immer viel diskutiert, weil wir zu fünft Songs schreiben. Wenn etwas zu stark an einen bestehenden Song angelehnt ist, wird beispielsweise schnell interveniert. Der eine mags halt poppiger, der andere ist eher fürs Experimentelle und technisch Anspruchsvolle. Das ist dann manchmal schon anstrengend und langwierig, schlussendlich sind dann aber alle mit dem Ergebnis zufrieden.

 

Funktioniert bei euch das Songwriting also so, dass ihr möglichst viele Songs schreibt, es aber nur etwa die Hälfte davon auf die Platte schafft?

Tobi: Für unser Album gab es zwar noch mehr Songideen, doch nach und nach formte es sich zudem, was es jetzt geworden ist.

Tim: Ungefähr die Hälfte der Songs war bereits fertig geschrieben, als wir angefangen haben, die Platte vorzubereiten. Ansonsten gab es relativ viele Ideen, bei denen nicht ganz klar war, wo das hingehen soll. Innerhalb von anderthalb oder zwei Monaten haben wir uns dann auf die besten geeinigt und viele noch kombiniert. Am Ende sind wenige Songideen zurückgeblieben, die wir dann nicht verarbeitet haben. Das war uns auch wichtig, da wir uns seit der ersten Platte zweieinhalb Jahre Zeit gelassen haben und wir alles aufs neue Album draufpacken wollten. Nun haben wir ein weisses Blatt und können wieder von vorne beginnen.

 

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Tobias Feltes

Ihr seid auf Tour, und kommt gerade aus London. Zuvor hattet ihr noch kurz einen Gig in Manchester eingeschoben?

Tim: Eigentlich war Brighton geplant, hat dann aber nicht geklappt. Jedoch kannte ich jemanden aus Berlin, der in Manchester einen Klub hat. Zudem spielte gerade eine befreundete Band dort. Manchester war also beinahe Pflichtprogramm. Der Gig war eigentlich echt cool, die Veranstalter waren super engagierte Leute. Leider fand zwei Tage zuvor in der ganzen Stadt ein Festival statt und die Menschen waren wohl etwas konzertmüde.

Tobi: Es kamen nicht so viele Leute wie gewünscht, die Stimmung war aber trotzdem super.

 

Wie seid Ihr eigentlich unterwegs. Ich hab draussen einen roten Bus stehen seh’n…?

Tobi: Ja, genau mit dem roten Bus! Ein 8-Sitzer mit Ladefläche und einem Bett darüber, was ganz angenehm ist. Wenn die Schlafmöglichkeit nicht geklärt ist, kann man mal eine Nacht darin verbringen.

 

Aber grundsätzlich pennt ihr schon in der Venue, oder?

Tim: Ja, wie hier [in der Reitschule] auch. Ausser in London, da konnten wir bei Freunden schlafen. Dort stand der Bus ziemlich sicher. Obwohl wir uns achten und zu unserem Material schauen, rechnen jeweils nicht damit, dass sich jemand die Mühe machen wird, unseren 40 Kilogramm schweren Amp rauszuheben. Wir nehmen nur die Kleinteile raus.

 

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Ich habe in einem Interview gelesen, dass ihr als Band ziemlich unabhängig funktioniert: Ihr habt das zweite Album „Cascades“ in Eigenregie aufgenommen, und auch das Artwork stammt von euch …

Tobi: Richtig, das Artwork stammt von Jascha, unserem Drummer. Um die Aufnahmen gekümmert, habe ich mich gekümmert.

Tim: Meinerseits habe ich einen Grossteil der bisherigen Interviews gegeben und übernehme meist einen Grossteil der Organisation. Gemeinsam mit Jascha suchen wir die Routen raus, mieten das Auto, teilen solche Sachen untereinander auf. Jens, unser Basser, ist derjenige, der am meisten fährt – gestern ganze 15 Stunden am Stück von Manchester runter.

Tobi: Gestern hat er sich das das bandinterne Truckerabzeichen geholt (lacht). Das hatte sich auch in anderen bereits Situationen angedeutet. Auf der Fähre [von Dover nach Calais, Anm. d. Redaktion] gibt es einen abgesperrten Bereich für Trucker, wo sie das Essen billiger kriegen. Jens ging da einfach rein und holte sein Essen. Als er zurück kam, wollten wir das natürlich auch, wurden aber mit der Frage an der Tür abgefangen, ob wir denn überhaupt Trucker seien.

 

Ihr könnt mit eurem neuen Label namens Napalm Records nun auch weltweit veröffentlichen. Ist eine Tour ausserhalb Europas geplant?

Tim: Die USA wären natürlich toll, sind aber extrem schwierig. Man braucht ein Arbeitsvisum und auch sonst sind die Auflagen hoch. Wir versuchen aber – falls wir’s fürs nächste Jahr hinkriegen – mit einer anderen Band als Support mit auf Tour zu gehen. Ergibt auch mehr Sinn, als einfach in die USA zu gehen und zu sagen: Here we are! Festivals wären natürlich eine Alternative, momentan ist aber noch nichts geplant.

 

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Ihr habt zusammen mit der Band Odd Couple eine 7-Inch aufgenommen. Sie haben auch schon hier im Rössli gespielt. Sind sie mit euch befreundet?

Tim: Odd Couple sind Tammo und Jascha, also unser Keyboarder und unser Drummer. Die kennen sich schon lange und haben diese Zwei-Mann-Band, wo ich ab und zu bei Live-Auftritten den Bass spiele. Wir teilen uns den Proberaum in Berlin und so dachten wir, wieso nicht einmal einen Tonträger zusammen aufnehmen. (Odd Couple spielen übrigens am 24. November 2016 im Fri-son in Fribourg)

 

Ihr lebt alle in Berlin. Was könnt ihr mir denn für eine Location empfehlen, besonders mit Indie-Sound und Live-Konzerten?

Tobi: Mal schauen was das Bassy oder die 8mm-Bar gerade veranstalten …

Tim: Die 8mm-Bar vereint die ganze Indie- und Psych-Rock Szene. Es finden viele Konzerte statt, da es eine kleine Bar ist, leider jeweils nicht mit dem ganzen Set-up. Manchmal mieten sie sich aber in Läden in der Nähe ein. Sie haben gerade ein Festival organisiert, an dem beispielsweise The Warlocks und Michael Rother gespielt haben. Die verkehren in der Szene und sind ein Anlaufpunkt. Aber in Berlin gibt es so viele kleine, richtig gute Läden und Bands, die man schnell mal übersieht. Wir spielten gerade erst einen Gig in Berlin mit einer Band und obwohl ihr Gitarrist gleich bei mir um die Ecke wohnt und sie richtig guten Shoegaze spielen, haben wir noch nie etwas von denen gehört. In Neukölln, wo wir alle wohnen, gibt es aber auch viele Jazzbars oder andere alternative Sachen, die dich interessieren könnten. Da die Stadt immer teurer wird, schliessen viele kleine Bars und vieles wandert raus in die Industriegebiete. Die 8mm-Bar ist aber die Konstante, die ich sicher besuchen würde. Oder auch im Acud, das auch im Prenzlauer Berg liegt, habe ich viele gute Bands gesehen, Ulrika Spacek zum Beispiel.

 

Nicht nur auf ihren beiden Platten klingen die Jungs super: Live bringen sie den Sound genau gleich packend und technisch präzise rüber. Und obwohl das Konzert in der Reitschule etwas spät begann und man am Publikum ansah, wann das letzte Tram fahren würde, waren sich Suns of Thyme nicht zu schade, um mehr als eineinhalb Stunden durchzuspielen. Ohne viele Worte darüber zu verlieren, vor was für einem tollen Publikum sie sich befänden.


Übrigens: Der Bewegungsmelder berichtete bereits über ihren Zweitling Cascades, der vor rund einem halben Jahr erschienen ist.


Fotos: JDUBOiS

Infos

Das aktuelle Interview erscheint im Rahmen der Bewegungsmelder Monatsinterview-Reihe. Bereits interviewte Bands, KünstlerInnen und Personen: Yokko und Liima. Die nächste Ausgabe folgt im November 2016.

So 30.10. 2016