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Montreux Jazz Festival 2019: von Popikonen und Nischenmusikern

Das Festival bleibt seinem Ruf treu: während zwei Wochen treten hochkarätige Musiker auf. Allen voran eröffneten Sting, Elton John und Janet Jackson. Fest steht jedoch auch, dass diese Popikonen nur den Rahmen für Extravaganz, Vielfalt und weniger namhaften Musiker bilden. Von Tamara Esaltato

Während 16 Tagen und fast anhaltender tropischer Wärme laufen mehr als 300 Konzerte über die Bühne an der schönen Genfer Riviera. Wer sich darunter ausschliesslich Musik wie von Chick Corea, Miles Davis oder sonstige Jazzlegenden vorstellt, ist falsch . Auch wenn der Festivalname in die Irre führen mag, ist der Musikstil Jazz nicht ganz so eng und exklusiv gehalten. Im Gegenteil, das Festival hat auch in seiner 53. Durchführung für ein grosses Spektrum an musikalischen Stilen gesorgt, bei dem viele zwar aus dem Jazz/Blues-Bereich kommen, sich aber zeitgenössisch und offen präsentieren.

Die ganz Grossen

Mit den legendären Auftritten von Elton John, Sting und weiteren namhaften Musikern liegt das diesjährige Festival im Zeichen des Pops. Am Eröffnungsabend sorgt der britische Musiker Sting für ein volles Stravinski Auditorium. Die meisten kennen ihn von der erfolgreichen New Wave Rock Band Police aus den 80er Jahren. Seither hat er sich musikalisch immer wieder neu erfunden, in Projekten zwischen Folkmusik, Klassik und Pop.

Sting, Auditorium Stravinki, © 2019 FFJM – Marc Ducrest

Der unumstrittene Höhepunkt des Line Ups ist der Auftritt von Elton John, bei dem sich das Festival dieses Jahr in Stadionausrüstung geworfen hat. Auch für Montreux ist es ein grosser Auftritt, denn normalerweise hält der grösste Konzertsaal Stravinski Platz für bis zu 4000 musikbegeisterte Personen, für Sir Elton John wurde der Platz aber fast vervierfacht! Für viele Fans war das zur Abschlusstournee gehörige Konzert ein unvergessliches Erlebnis.

Obwohl sich das Line Up stolz zeigen kann (und da es eine ansehnlich lange Liste ist, schlage ich ein Programmdurchforsten vor), liegt der Charme des Festivals im ganzen Drumherum und in den Konzerten der weniger Namhaften – wir waren zwei Abende vor Ort und haben uns folgende Konzerte zu Gemüte geführt.

Tropisch und Afro

Mit der Triokombination Nicola Cruz, Fatoumata Diawara und Ibey eröffnet das Jazz Lab am Erföffnungsabend die Tore und begeisterte mit afro- und südamerikanischen Vibes viele und vor allem junge Zuschauer. Mit tropischen Panflötenklänge und eingehenden Minimalbeats lockert der DJ und Produzent Nicola Cruz die Zuschauer auf, damit sie für das Headbangen der darauf folgenden malischen Fatoumata bereit waren. Du hast richtig gelesen – Energie pur. Fatoumata gleicht einer musizierenden Aktivistin, die in ihrer afrikanischen Kleidung und verspielten Art das Herz des Publikums gewinnt.

Ibey, Jazz Lab, © 2019 FFJM Renaud Alouche

Zum Abschluss krönen die Zwillingsschwestern Ibey den Abend mit einem beeindruckenden Set, das hauptsächlich aus Perkussion und gesanglichen Elementen zusammengesetzt ist. Obwohl das Konzert instrumental vergleichsweise simpel gehalten ist, überzeugt die selbstbewusste Bühnenpräsenz und die harmonierenden Stimmen der beiden.

Studiofeeling und der melanchonische Hauch von Justin Vernon

Die Kopfhörer bleiben wie bei einer Studioaufnahme auf den Ohren und Fotographen sind nicht erlaubt: Justin Vernon kapselt sich in gewisser Weise ab und lässt uns Zuschauer zugleich mit einem abwechslungsreichen Set in seine privaten Songs einblicken. Bon Iver – ein Musiker der Gegensätze und experimentellem Chaos, hat sich vom sentimentalen Indiefolk gelöst und ganz dem Elektronischen zugewandt: dies hört man gut bei seiner Stimme, der er mit dem Stimmverzerrer Auto-Tune einen hohen Pitch hinzufügt und zu etwas Abgespactem mutiert. Der Amerikaner hinterlässt mit seiner musikalischen Reife und dem Vor- und Rückspringen von alten zu neuen Songs – von Skinny Love zu Hey, Ma – einen zwar suchenden aber zugleich reifen Eindruck.

wunderbares Ambiente rund um die Konzerte © 2019 FFJM Florian Aeby

Nach dem wehmütigen Einstieg von Julien Baker bin ich erstaunt, wie abwechslungsreich das Konzert Bon Iver zu Ende geht. Weiter geht’s an die Afterparties, danke und see you next year Montreux.

Infos

Während bei regulären Festivals die Tickets tageweise verkauft werden, läuft dies beim Montreux Jazz Festival etwas anders ab. Die drei Hauptkonzerträume Stravinski Auditorium, Jazz Lab und Jazz Club bieten pro Abend zwei oder drei aufeinanderfolgende Konzerte an, wofür man pro Saal Tickets kauft. Zudem laufen zahlreiche Gratiskonzerte und Workshops parallel zum Programm.

Noch ist Zeit: Besuche das Festival bis diesen Samstag für die Abschlusskonzerte mit Quincy Jones und vielen mehr!

Fr 12.07. 2019