Zurück

Kolumne #7: Dönerwetter

Unser Aussenreporter Moritz Marthaler schaut von Berlin aus auf Bern und zurück. Diesmal: ein kulinarischer Exkurs. Von Moritz Marthaler

Es musste ja mal soweit kommen. Ja, ich werde über Döner schreiben. Von Brot umgebenes Fleisch. Überforderte Kolumnisten schwadronieren über Nähe und Besinnlichkeit, ich von Schärfegrad und Fettspritzern. Mir egal, Weihnachtszeit my ass, nur weils ständig so verflucht dunkel ist (momentan gibts hier oben gefühlte zehn Minuten Tageslicht) muss man noch lange nicht auf Ruhe und Einkehr machen. Und dem Döner ist das sowieso Wurst, er ist die saisonsicherste und zuverlässigste Währung in Berlin. In nachttrunkenem Zustand gibt der Dönerpreis bei Bedarf sofort Auskunft, wo man denn so gelandet ist. Alles unter 2,50 Euro ist entweder Vorort oder Wedding, ab 3 Euro Kreuzberg, ab 3,50 Prenzlauer Berg und wer mehr bezahlt hat sich übers Ohr hauen lassen oder aus Versehen einen Dönerteller bestellt…

Die Legende um den ersten Döner lebt, patentiert ist die Erfindung jedenfalls nicht. Fast 1500 Dönerbuden gibt es in Berlin, gefühlt sind es alleine pro Bezirk so viele (und ich bin mir ziemlich sicher, dass es niemals so viele Weihnachtsbäume gibt, nämlich!). In den 70ern begannen hier verschiedene türkische Imbisse, das Fleisch vom Spiess in Brote zu verpacken – fertig, geboren war die Teigidee und lanciert eine der grössten Gastro-Industrien Deutschlands. 3,5 Milliarden Euro werden damit jährlich umgesetzt, die grösste Kette in Berlin “Kaplan” hat auch Ableger im mittleren Osten. Berlins Türken beliefern mittlerweile ihre Heimat. Womit vielleicht auch einer der hartnäckigsten Urban Myths zusammenhängt: Berlin sei nach Istanbul die Stadt mit dem zweitgrössten Anteil türkischer Bevölkerung. Natürlich vollkommener Quatsch. Aber hört sich erstaunlich und somit gut an.

Item, oft schmeckt der Döner hier also ziemlich gut. Aber bei alleine über hundert Läden in meinem Kiez ist die Chance durchaus da, auch mal daneben zu greifen. Gewisse Fussballer schmeissen ja die Teigtasche in solchen Fällen um sich, aber das halte ich persönlich für übertrieben. Den Anstoss zu diesem Dönerwetter hier gab übrigens ein Ausflug nach Köln. Köln, das roch für mich immer so ein wenig nach Karnevalkotze, beschränkten Fussballfans und diesem Geissbock. Aber: wie erfrischend! Wie nett! Jedenfalls wurde dann türkisch gegessen, dafür muss man ja nach Köln, nidwahr, aber so richtig, mit Gängen und Tellern und so und dann fielen mir diese Männer mit roten Schals auf am Nebentisch. Union Berlin hatte im nahen Düsseldorf eben 3:0 gewonnen. Dreizunull! Eine solche Differenz steht wohl nicht einmal in deren Jahresschlussrechnung. Phänomenal! Auf jeden Fall wollte ich mich wenig später über YB schlau machen und begann zu lesen. Heute Cup, stand da geschrieben. Ich las nicht mehr weiter.

Infos

Zur Kolumne: Moritz Marthaler, Berner Sportjournalist, entdeckt die deutsche Metropole Berlin für sich. Gleichzeitig schielt er auf das Geschehen in der Bundeshauptstadt Bern, manchmal auch auf den ambitionierten, aber öfter erfolglosen Berner Grossklub BSC Young Boys. Bern ist der Ausgangspunkt für Annäherungen und Schwenker auf Berlin und seine unendlichen Ausgehmöglichkeiten, zusammengewürfelte Bevölkerung, launischen Zeitgenossen und tausend Eigenheiten.

Di 15.12. 2015