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Januar-Interview: Im Gespräch mit Nówfrago

«Meine erste Kassette aus der Bibliothek war Nicole mit Ein bisschen Frieden, die Beatrice Egli der 80er.»

Wir treffen Matthias Gunsch, Mastermind des Berner Musikprojekts Nówfrago zum Interview und unterhalten uns über sein Projekt, seinen persönlichen Musikgeschmack und ob man mit Musik wirklich Geld verdienen kann. Von Sven Sommer

Matthias empfängt mich in seinem Musikraum im Industriegebiet irgendwo in Bern, besser gesagt in der Gemeinschaftsküche inmitten mehrerer Büros (und auf etliche andersartig genutzten Räumen) und bietet mir gleich etwas zu trinken an. Es ist eine alte Fabriketage, die sie so nun billig nutzen können, zwischennutzen leider nur. Schnell entwickelt sich ein Gespräch über Lieblingsbands und «Musig mache», ich vergesse beinahe das Diktiergerät einzuschalten.

Wie ich den Musikstil von nówfrago beschreiben würde, fragt er mich. Eine schwierige Frage. Ein Konzertbesucher habe es einst treffend beschrieben: Eine Mischung aus Pop, Ambient und Triphop. Ich schliesse mich dieser Meinung an.

Statt Kakophon oder Veto and the Müssiggang letzlich Nówfrago

Nówfrago bedeutet Schiffbrüchiger, angelehnt an einen Titel des kolumbischen Schriftstellers Gabriel Garcia Marquez – Relato de un náufrago. «Der Künstlername hat an sich nichts zu bedeuten, ich habe ihn ausgesucht weil er klangmalerisch schön klingt. Andere Namen zuvor waren Kakophon oder Veto and the Müssiggang, doch das war irgendwie nichts.»

Er arbeitet Teilzeit als Kindersozialarbeiter in einer Freizeitwerkstatt für Schulkinder. Ursprünglich studierte er Soziologie in Fribourg und arbeitete danach für Greenpeace, führte Kampagnen, entschied sich aber dann, mehr Zeit für die Musik zu investieren und kam daher von den zeitintensiven «Campaigns» weg. «Mit dem jetzigen Job bin ich flexibel, kann dahinter stehen und habe auch Zeit für meine Familie.»

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Matthias ist von Haus aus eigentlich Schlagzeuger. Bei Nówfrago spielt er Keyboard und singt, baut Samples ein, manuell jedoch. Es ist ihm und der Band wichtig, dass keine Backing-Tracks laufen. In seinem Live-Set ist jeweils der Laptop mit dabei, um Effekte oder Samples einzusetzen. «Blubberblasengeblubber oder Schritte im Schnee sind per se schon rhythmisch, wieso also nicht in einen Song einbauen?» Das leuchtet mir ein. Die Band besteht zudem aus «klassischen» Instrumenten wie Bass, Schlagzeug, Piano und Posaune. Alles ausgebildete Jazzmusiker. «Ich schicke ihnen den Song, der bereits zu 90% fertiggestellt ist und sie spielen danach ihren Part dazu ein.» Die Aufnahmen erstellt Nówfrago selbst, bei sich zu Hause in der Wohnstube, oder im Musikraum.

Erste Kassette und Metal danach

Bei einer solchen klanglichen Vielfalt stellt sich die Frage, welche Musikstile hier zusammengeführt werden, wo die musikalische Heimat liegt? «Meine erste Kassette aus der Bibliothek war Nicole mit Ein bisschen Frieden, die Beatrice Egli der 80er», erzählt er lachend. «Sonst waren gerade Prince und Michael Jackson stark angesagt, doch das sagte mir nicht sehr viel. Deshalb sah ich mich nach anderen Genres um und landete bei Metal, zuerst noch Guns n Roses und Bon Jovi, darauf folgten Grunge und Crossover, wodurch ich schlussendlich, fast logisch für mich, beim Metal landete und auch in einer Metal Band Schlagzeug spielte.»

 

Ich hörte ihn in einem Radiointerview einmal sagen, der Song «Grandiosa» sei an den Grunge angelehnt. Ich hake nach. Klar sei es kein Grunge im herkömmlichen Sinne, als Drummer betrachte er die Songs jedoch eher von der Schlagzeug-Perspektive. «Das Rohe und Rudimentäre am Grunge, besonders wie man aus so wenig eine solche Power erzeugen kann, erkenne ich vor allem im Grunge und auch ein wenig in meinem Song.»

 

Von der Musik leben sei nicht das Ziel. Es sei auch nicht sehr realistisch, ohne grosse Kompromisse zu machen, genügend Geld damit zu verdienen. Schliesslich wolle er die Musik machen, die ihm gefällt, und das werfe nunmal nicht genügend ab – aber das sei auch gut so. Gut, dass er nicht muss, sondern darf. «Ausserdem wüsste ich auch gar nicht, wer meine Musik wirklich möchte», meint er lachend.

 

Demnächst veröffentlicht Nówfrago einen neuen Track und startet im Frühling eine Tour durch Schweizer Durchgangszentren, das erste demnächst am Montag, 6. März 2017 im Durchgangszentrum Brünnen. Weitere Infos dazu auf ihrer Webseite.

Infos

Das aktuelle Interview erscheint im Rahmen der Bewegungsmelder Monatsinterview-Reihe. Bereits interviewte Bands, KünstlerInnen und Personen: Yokko, Liima, Suns of Thyme, Pedro Lenz. Die nächste Ausgabe folgt im Februar 2017.

Fr 20.01. 2017