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Im Gespräch mit Philippe «Zep» Chappuis, Erfinder von Titeuf

Über 30 Jahre Titeuf, Kids mit Smartphones und Dankbarkeit

Kennst du Titeuf? Und den Mann dahinter, den Zep alias Philippe Chappuis? Wir haben uns auf den Weg nach Carouge gemacht, um den Schweizer Comiczeichner während des grossen Jubiläumsmonats zu treffen. Wir blicken zurück auf Schweizer Comicgeschichte und auf Titeufs natelfreie Jugend. Von Pablo Sulzer

Einen Monat lang wurde im pitoresken Carouge bei Genf der Comiczeichner Zep gefeiert, der bürgerlich Philippe Chappuis heisst. Gefeiert? Ja, denn seine weltweit bekannte Comicfigur «Titeuf» wurde soeben 30 Jahre alt. Da Zep ursprünglich aus Carouge kommt und dort auch diesen quirligen und frech-fröhlichen Titeuf dort zum Leben erweckt hat, widmete ihm die Genfer Gemeinde zahlreiche Ausstellungen, Lichtinstallationen und Comic-Treffen für Gross und Klein.

Höchste Zeit für den Bewegungsmelder also, mit ihm mal ein Gespräch zu führen. Ein Gespräch mit Zep über drei Dekaden Comics in der Schweiz, Kids mit Smartphones und seine Gefühle bei solch‘ Jubiläumstrubel.

 

Zu Besuch im modernen Théâtre du Carouge an einer der Jubiläumsaktivitäten zu Titeufs Geburtstag.

 

Bewegungsmelder: Gratulation zu 30 Jahre Titeuf – wir sind beeindruckt. Mal kurz zurückgeschaut: Was hat sich in der Comic-Welt in der Schweiz seit der Entstehung von Titeuf getan?

Philippe «Zep» Chappuis: Es hat sich viel geändert in 30 Jahren. Comics waren mehr underground, es gab viele kleine, einzelne Publikationen, viele Fanzines, oft von den Künstlerinnen und Künstlern selber herausgegeben. Einzelne Verlage gab es durchaus. Selber etwa, begann ich vor Titeuf ich beim Comic-Herausgeber Rolf Kesselring in Lausanne zu publizieren. Richtig populär wurden die Comics anfangs 2000, mit Höhepunkt bis 2010, man kannte plötzlich auch die Namen der Autorinnen und Autoren.

 

 

Und je länger, je mehr sagte ich mir, dass ich wohl diese Geschichten bis an mein Lebensende erzählen werde. Ich mag diese Perspektive. Dass ich eine Figur habe, die mich mein Leben begleitet – von meiner Kindheit bis am Schluss. – Zep

 

Vor 30 Jahren war es eine viel kleinere Gruppe von Schweizer Comicschaffenden, heute gibt es viel mehr, die hier veröffentlichen und es schaffen, knapp davon zu leben. Was mich zu einer Genfer Eigenheit bringt. Bereits früh gab es hier in Genf die Gewohnheit, Illustrationen oft für Abstimmungsplakate zu nutzen. Und weil wir in der Schweiz bekanntlich viel abstimmen, gab es früh bereits Arbeit für Zeichnerinnen und Zeichner in der Region. So konnte auch ich anfangs damit etwas verdienen und ich glaube auch viele andere konnten sich so früh entwickeln. Als Beispiel etwa der Zeichner Emmanuel «Exem» Excoffier, der seine Karriere praktisch aufs Zeichnen von politischen Plakaten aufgebaut hatte.

 

Bekanntes Werk von Emmanuel «Exem» Excoffier, Plakat von 1988.

 

Nun zu Titeuf. Wie siehst du seine Entwicklung als Comicfigur – in der Schweiz, weltweit oder einfach für dich persönlich?

Am Anfang war es einfach ein Schweizer Comic, da ich ja hierzulande angefangen habe zu zeichnen. Als Titeuf dann in verschiedene Sprachen in verschiedenen Ländern übersetzt und bekannt wurde, war das schon sehr merkwürdig. Besonders weil es für mich sehr schweizerische bzw. westliche Geschichten sind. Witzig fand ich, als ich beispielsweise nach China eingeladen wurde und plötzlich rund 50 Kinder mit der typischen Titeuf-Frisur sah. Das war schon speziell – zu sehen, wie die Geschichten in anderen Kulturen wahr- und aufgenommen wurden.

Persönlich finde ich, dass die Comics eine internationale Botschafterrolle einnehmen, da sie oft einfacheren Zugang in andere Kulturen bieten können, als etwa klassische Literatur. Natürlich nicht zuletzt wegen des visuellen Aspekts.

 

Einen Monat lang wurde Titeuf im Genfer Carouge gefeiert.

 

Wie siehst du, Zep, deine Entwicklung: Vom Kind, das angefangen hat zu zeichnen, danach als professioneller Illustrator Fuss fasst und nun hier sitzt, inmitten eines Jubiläumsmonats in Carouge?

Ich bin sehr dankbar. Man spricht immer davon, dass man an sich glaubt, an die Entwicklung, an sein Talent – doch ob das Publikum ein Werk oder eine Figur mögen wird, das weiss man nie. Und als Titeuf so gemocht wurde und wird – das hat mein Leben verändert. Ich dachte, lebenslang werde ich als bescheidener Zeichner in einem kleinem Raum arbeiten. Und siehe da: Titeuf wurde weltweit veröffentlicht, übersetzt, ein Kinofilm kam raus  – alles Sachen, die ich nie erwartet hätte. Ich hoffte, ich könnte einfach mein ganzes Leben lang zeichnen und eine gewisse Anzahl an Menschen würden meine Figuren & Werke mögen. Somit bin ich nun unglaublich zufrieden, dass es so gekommen ist, wies kam.

 

 

Was gefällt dir besonders am Jubiläumsmonat in Carouge, was fällt dir auf?

Sehr speziell finde ich die Projektionen von Titeuf an verschiedenen Stellen in Carouge. Diese laden ein, um in Carouge etwas zu schlendern und dann letztlich bei der Titeuf-Statue zu landen, dort, bei dieser Schule, wo letztlich dieses Comic angefangen hat. Dort hatte ich mein erstes Atelier. Ebenso finde ich schön, dass während des ganzen Jubiläumsmonats viele Aktivitäten für Kinder und Jugendliche gibt. Zudem gibt es eine Ausstellung, wo verschiedene Schweizer und französische Künstlerinnen und Künstler ihre Titeuf-Porträts präsentieren.

 

Comiczeichner Zep vor der Titeuf-Statue, die 2019 vor einer Schule in Carouge ihm gewidmet wurde.

 

Die Comicfigur Titeuf schaut in seinen Geschichten seiner bevorstehenden Pubertät entgegen. Solche Themen, die Kinder und Jugendliche bewegen, verändern die sich nicht während Generationen? Ein zwölfjähriges Kind mit oder ohne Smartphone wächst ja nicht gleich auf, oder?.

Genau, das Smartphone ist der grösste Unterschied (lacht). Nun, Titeuf befindet sich immer an der Schwelle zur Pubertät, mit dem Wunsch zu wachsen – und den dazugehörigen Ängsten. Diese Themen, glaube ich, sind immer gleich. Doch was beim Erzählen von Geschichten sich wirklich verändert hat, ist das (swipet imaginär nach rechts). Ein neugieriges Kind wurde früher eher so gezeichnet, dass es in die Welt rausschaut. Nun schaut es eher in ein Smartphone. Das verändert natürlich vieles bei den Leuten, die Geschichten erzählen wollen. Die Geschichten müssen anders erzählt werden – und das kann ermüdend sein oder weniger Spass machen.

Ich versuche möglichst wenig Geschichten zu erzählen, in denen Handys auftauchen. Die Technologien verändern sich sowieso so schnell. TikTok oder ähnliche Plattformen – in einem Jahr sind sie alt. Dass interessiert mich nicht so. Natürlich, man kann trotzdem nicht mehr Geschichten erzählen, bei deinen Jugendliche keine Phones haben – das existiert einfach nicht mehr. Ein zwölfjähriges Kind in der Schweiz ohne Handy, ist schon fast ein Phänomen.

 

Titeuf-Portraits für alle – Zep schreibt und zeichnet Widmungen

 

Wie ist es für dich, dein Titeuf-Jubiläum hier in Carouge zu feiern? Was fühlst du?

Es sind viele befreundete Zeichnerinnen und Zeichner zu Gast, was mich sehr freut und ich dankbar bin. Auch solche, die ich als Kind gelesen habe, was cool ist. Grundsätzlich finde ich, dass es sehr herzlich zu und her geht, besonders auch unter Zeichnerinnen und Zeichner, was ich sehr schätze. Es sind Tage mit sehr schönen Momenten.

 

Ganztags können sich Kinder und Erwachsene bei diversen Comic-Zeichnerinnen und Zeichner ihre Widmung und Zeichnung abholen.

 

Was sind Sachen, die dir in letzter Zeit, in den letzten Monaten durch den Kopf gingen. Etwas das zu hier noch teilen möchtest?

Ich würde sagen, dass alles sehr schnell ging, hinsichtlich dieses Jubiläums. Ich bin gefühlt nie stehen geblieben in meiner Karriere, somit fühlt es sich erstmals, wie ein grosses Jubiläum. Wir hatten zwar ein 20 und 25 Jahre Jubiläum, aber einen monatelangen Rückblick, zudem in meinem Heimatort – das fühlt sich schon anders an. So fühlen sich wohl 30 Jahre an (lacht). Ich habe nun einen Bart, bin alt geworden und erzähle weiterhin die Geschichte eines Jugendlichen.

Während vielen Jahren dachte ich, dass ich die Geschichten von Titeuf ein paar Jahre erzählen würde, mir die Ideen ausgehen würden und danach was anderes machen würde. Nun, es geht offensichtlich weiter. Und je länger, je mehr sagte ich mir, dass ich wohl diese Geschichten bis an mein Lebensende erzählen werde. Ich mag diese Perspektive. Dass ich eine Figur habe, die mich mein Leben begleitet – von meiner Kindheit bis am Schluss.

 

Danke fürs Gespräch, Zep!

 

 

 

 

 

 

Infos

Die weltweit bekannte Comicfigur «Titeuf» wurde 1992 von Philippe Chappuis unter seinem Künstlernamen Zep in die Welt gebracht: Zig Comics, Serien, Filme und Übersetzungen feiert der gebürtige Genfer das 30-jährige Jubiläum seiner vifen Schöpfung. Im Genfer Vorort Carouge wurde im ganzen März mit Aktivitäten, Ausstellungen, Lichtinstallationen und mehr dieses Jubiläum würdig gefeiert. Mehr: www.instagram.com/zep_official

Fr 14.04. 2023