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Im Gespräch mit Kaufmann

Sein Lied «Lisa» war ein kleiner Radio-Hit und mit seiner neusten EP «Dr Chüalschrank isch leer» widmet sich Kaufmann einem sehr wichtigen Thema. Vor seinem Auftritt am MuMa haben wir den Ostschweizer getroffen und mit ihn über die Bedeutung seiner Lieder, das Dorfleben und Depression gesprochen. Von Lenard Baum

Grad erst angekommen in Bern und schon kommt der BM-Reporter und bittet um ein Interview. Doch Reto Kaufmann alias Kaufmann stört das nicht. Gemütlich hat man es ja auch, im Kinosaal des City Pubs. Wir machen es uns bequem: Schön Beine ausstrecken, während unten gerade Essen verteilt an die Künstlerinnen und Künstler des Music Marathons verteilt wird. Kaufmann sofort erkennbar mit seinen Locken, wirkt im Interview enorm locker und entspannt. Während man sich unterhält, steigt der ein oder andere leckere Duft in die Nase der beiden Kinogucker.

BM: Salü Reto, danke dir fürs Einrichten. Fangen war mal passend hier filmisch an. Dein Track «Blau» ist ja inspiriert von dem gleichnamigen Film. Holst du die Inspiration von deinen Liedern öfters aus Filmen?

Kaufmann: Ab und an schon, bei dem Song ist es auch wirklich auch der Titel des Filmes. Ich lass mich schon auch von Filmen inspirieren. «Blau» basiert wirklich sehr direkt auf dem Film.

BM: Hinter einem anderen Titel von dir verbirgt sich ebenso eine recht interessante Geschichte: «Lisa» basiert doch auf einer echten Romanze, welche du eines Abends erlebt hast, oder?

Kaufmann: Denn Titel selbst habe ich nicht am gleichen Abend geschrieben, wo wir uns kennengelernt haben. Tatsächlich war dies erst, als wir schon länger nichts mehr hatten. Es war eher eine Affäre, in die ich mich verliebt habe, aber sie sich nicht in mich, so wie das manchmal im Leben läuft. Ich bin da völlig in ein Loch reingefallen, wegen dem Liebeskummer, obwohl man sich nur zwei Monate gekannt hatte. Man hat in der Verliebtheit immer das Gefühl, dass es genau das Richtige ist. Das es das ist, worauf man gewartet hat. Es scheint nix anderes für einen zu geben. In dem Moment checkst du gar nicht alles, weil eigentlich kennst du die Person am Ende dann doch gar nicht. Irgendwie spielt dir dein Kopf oder meinetwegen auch dein Herz einen Streich dabei. Ich habe den Song eigentlich erst geschrieben, als ja alles vorbei war. Ich habe an die Zeit zurück gedacht, mich selbst damit dann auch ein wenig hochgenommen. Darum ist die Melodie eigentlich auch sehr glücklich, ich fand die Mischung ganz lustig aus glücklicher Melodie und Herzschmerz-Text.

Ganz chillig und entspannt – der liebe Reto Kaufmann und BM-Redakteur Lenard Baum

BM: Du hast vorhin was angesprochen, «in ein Loch fallen». In einem Interview meintest du mal, dass du selbst privat immer zwischen etwas Euphorie und etwas Depression schwankst. Wenn die Frage erlaubt ist, wie hilft dir deine Musik gegen so einen Zustand?

Kaufmann: Ich habe überhaupt kein Problem, darüber zu reden. Musik ist immer in der Hinsicht etwas, das mir Selbstvertrauen gegeben hat. Mit der Musik hatte ich immer das Gefühl, das ich etwas bin, dass ich etwas wert bin. Das und wenn sich wieder alles anstaute, war es immer etwas, womit ich alles rauslassen konnte und kann. Nicht nur dann, wenn es mir Scheisse geht, ebenso, wenn ich richtig überdreht bin, tut es sehr gut, um zurück auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Ich mache das jetzt mit Musik, aber du musst nicht einmal Musik dafür machen. Du musst einfach schreien, das ist das Wichtigste. Ich glaub‘, Leute sollten viel mehr schreien.

Ganz locker gingen wir ans Interview ran, dabei wurde man ebenso echt nachdenklich

BM: Herzlichen Dank für den Einblick. Sag mal, könnte man eigentlich dich als Dorfkind bezeichnen, oder?

Kaufmann: Ja, ich bin voll auf dem Land aufgewachsen. Im Taminatal, ist schon eher unbekannt, in der Nähe von Bad Ragaz. Darüber hat’s ein Tal, dort bin ich aufgewachsen. Glaub gut 1100 Meter über dem Meeresspiegel mit vier Häusern, zehn Ställen, gut 15 Anwohnern und etwa 200 Schaffen.

BM: Wie bist du so auf dem Lande an Musik gekommen?

Kaufmann: Ich habe schon als Kind immer gern gesungen, irgendwann bist du dann auch runter in die Stadt. Irgendwo in einem Media Markt hast du dir dann Bravo Hits mal mitgenommen. Man hatte schon einen Zugang zur Musik. Das Ding war eher selbst Musik zu machen, so ist das Ganze mit der Rockmusik in der Oberstufe gekommen. Man lernte dort einfach Leute kennen, welche ebenso Musik machen und auch andere Bands hören, selber tauscht man sich dann aus. Das hat mich richtig weg geflasht, das war so 2004/05. YouTube startete gerade und hatte so viele Live-Videos. YouTube war in der Jugend voll das Ding für mich und dann habe ich die ganzen Nirvana-Livegeschichten gesehen und mir das wirklich jeder Abend angeschaut. Es war eine völlig neue Welt, ich wollte das auch machen. Also, habe ich die Gitarre in die Hand genommen. Im Dorf gab es etwa drei Personen, welche Musik machten und mit denen konnte man dann eine Band gründen.

BM: Wie hat der Rest des Dorfes oder deine Eltern auf eure Entscheidung reagiert? Das war ja nicht grad‘ typische Dorfmusik, die ihr gemacht habt.

Kaufmann: Meine Eltern haben sich damals über die Musik schon recht erschrocken. Ich war in meinem Zimmer, elektrische Gitarre, Verzerrer und hab einfach geschrien «HaaaaaaaaaaH». (gibt eine Kostprobe à la Kurt Cobain). Meine Eltern dann unten an der Tür am Klopfen; «Was ist das für Musik?!», «Das ist doch keine Musik?!». Da habe ich mir nie reinreden lassen, es war voll das Ding, das habe ich dann auch voll durchgezogen.

BM: Was bedeutet dir heute deine Heimat?

Kaufmann: Dort, wo ich aufgewachsen bin, das hat schon eine Bedeutung für mich. Es ist ein Teil von mir, welcher mich ebenso geprägt hat. Wenn man einfach so abseits von allem aufwächst, auf einem Bauernhof, halt. Heute ist es ebenso ein Ort, wo ich gerne zurückkehre, um Ruhe einkehren zu lassen. Es ist sehr ländlich dort, mitten in den Bergen.

BM: Du hattest mal wieder ein turbulentes Jahr hinter dir. Mehrere Preis-Nominierungen, wie etwa der Swiss Live Talent Award hier ebenso. Was für eine Bedeutung haben solche Preise für dich?

Kaufmann: Wenn ich ehrlich bin, bedeuten so Awards mir nicht wirklich viel. Das hat sich einfach immer so ergeben, ich bin dem nie irgendwie hinter hergejagt. Es ist schon eine Anerkennung, aber kommt es doch sehr darauf an, wie man gewinnt. Wenn es ein Publikumsvoting ist, animiert man natürlich die Leute, um für einen abzustimmen. Es ist aber wieder was anderes, wenn eine Fachjury dahinter sitzt. Mir ist es so egal, wie viel Preise ich gewinne. Nein, wirklich. Aber wenn ich natürlich so einen bandXost gewinne, freue ich mich, da es ein Wettbewerb ist, hinter dem ich stehen kann. Es geht dort um die Musik, was für mich persönlich am wichtigsten ist. Wenn es ein Award ist, bei welchem es wirklich um Musik geht und nicht darum, das irgendwelche Spastis kommen, welche gar nix mit Musik zu tun haben. Nur um sich dort im Backstage rumzutreiben. Weisst du, die ganzen Business-Idioten. Auf das habe ich wirklich so gar kein Bock. Finde es viel geiler, wenn es eher reduziert ist, dann aber wirklich rein auf Musik ausgerichtet. Wie hier etwa am Swiss Live Talent.

BM: Thema Swiss Live Talent: Auf wen freust du dich am meisten beim anstehenden Musik Marathon hier?

Kaufmann: Ich höre gerade gerne härtere Musik, wie Catalyst, das sind Kollegen von mir und die feier‘ ich mega. Asbest find ich auch richtig geil oder so ruhigere Sachen wie von Black Sea Dahu etwa. (Winkt Nick von Black Sea Dahu, welche sich gerade unten Essen geholt haben.)

BM: Dich findet man ja immer wieder auf der ein oder anderen Festivalbühne wieder, etwa am Radar-Festival und Openair St.Gallen vor ein paar Jahren. Dieses Jahr hat man noch nicht so viel gehört von dir, betreffend Festivals. Gibt es da noch was, vielleicht gleich eine Ankündigung?

Kaufmann: Also im Moment ist grad noch nichts draussen, das ich was sagen dürfte (lacht). Einfach, weil das Programm noch nicht draussen ist. Ich denke, nächstes Jahr werden wir eh nicht so viel spielen. Bewusst, da der Fokus eher auf dem Album liegt. Wir werden aber sicher das eine oder andere Festival spielen.

Achtung, verboten! Aber die Gelegenheit musste man ergreifen – gemütlich war das Interview auf jeden Fall

BM: Langsam geht es Richtung Interview-Schluss. Du hast vorhin Kurt Cobain angesprochen. Gibt es ein musikalisches Vorbild für dich?

Kaufmann: Ich glaube, musikalisch gibt es schon enorm viele. Helden wie etwa Conor Oberst von Bright Eyes. Oder Neutral Milk Hotel, welche mich ebenso sehr inspiriert haben.

BM: Du hast ja viele Freunde in St.Gallen, wohnst in Chur und bist jetzt mit mir in Bern. Wo spielst man denn da am liebsten?

Kaufmann: Ich habe noch nicht so viel in Bern gespielt, muss ich sagen, es ist wirklich noch eine schwierige Frage. Ich glaub, am meisten gehen die Leute in St.Gallen ab, wenn wir spielen, aber das kann sich ja noch ändern. Vielleicht holt Bern ja noch auf, mal sehen, was heut‘ Abend so geht.

Merci, Reto, fürs Interview. Hoffe Bern konnte aufholen.

So 24.11. 2019