So was hört man in der Schweizer Musik selten, wilden und düsteren Alternativ-Rock, dafür steht die Lausanner Band Black Tropics. Wir haben Alex, das deutschsprachige Bandmitglied, vor Ihrem Auftritt im ISC Club getroffen und über Awards, Inspiration und Bastian Baker gesprochen. Von Lenard Baum
Viel los während dem Music Marathon des Swiss Live Talents. Im ISC Club Bern donnern Gitarrenriffs und die Menge tobt: Black Tropics – zwei Stunden vor Ihrem Auftritt – haben noch einiges vorzubereiten, alles muss noch ausgeladen werden. Der Bassist verweilt noch in Zürich und dann fragt auch noch jemand vom Bewegungsmelder für ein Interview an. Doch trotz des Stresses wirkt Alex, Schlagzeuger der Band, ruhig und gelassen, schnell noch ein Bier holen und sich dann nach einem guten Ort für das Interview umsehen. Beim Eingang, direkt neben dem Eingang zu den WCs? Warum nicht, stören tut eh keiner und ruhiger wird’s an diesem Abend eh nicht.
BM: Hey Alex, danke fürs Einrichten, wirklich viel los hier. Viele verschiedene Künstler, viele verschiedene Musikrichtungen sind am Music Marathon versammelt. Ihr seid eher in Richtung Alternativ-Rock unterwegs, hat die Schweizer Rockszene euch sehr inspiriert musikalisch?
Alex: Ich kenne Sie eigentlich gar nicht so gut (schmunzelt). Nein, ganz ehrlich, wir haben uns immer mehr inspiriert gefühlt von anderen Ländern, anderen Städten, anderen Szenen. Das ist etwas was wir mitnehmen von unseren Reisen ins Ausland, sei es mit der Band oder privat. In der Schweiz haben wir eben keinen eigenen Still. Es gibt hier nichts Vergleichbares mit Brit-Pop oder American Rock’n’Roll. Sowas wäre schon sehr schön in der Schweiz, aber wir sind einfach zu klein dafür. Wir hatten nie irgendeine richtig stark ausgeprägte Rock-Kulturszene, welche einen wirklichen Impact hatte. Wir haben bestimme starke Szenen, aber es ist nie ein globaler Lifestyle daraus entstanden, was vergleichbar ist mit dem Rest der Welt.
BM: Stimmt, da sind viele andere Länder der Schweiz schon voraus. Alternativ-Rock hört man im Mainstream eher weniger in der Schweiz. Ist das eine Richtung, die euch alle immer sehr begleitet?
Alex: Nein, glaube ich nicht, wir hören alle sehr verschiedene Sachen. Ich höre etwa viel Grunge und viel Hip-Hop. Ist eine komische Mischung, ich weiss, es ergibt aber wirklich etwas ganz Eigenes. Hip-Hop höre ich gerne als Schlagzeuger unserer Band wegen dem Rhythmus, ist dadurch nochmals weitaus spannender für mich. Grunge begeistert mich ebenso wegen der Stimmung; zusammen ergibt das dann einen recht amerikanischen Sound. Ansonsten hören wir alle nochmals ganz unterschiedliche Sachen. Ebenso Mainstream-Sachen, die wir alle kennen, vor allem wenn eine aufregende Band dahinter steht. Ich höre ebenso viel Synthes Cope, es ergibt sich so wirklich eine Mischung, die sich nicht richtig einordnen lässt (lacht).
Ich meine, den Hip-Hop spürt man wirklich nicht in unserer Musik. Aber vielleicht im Groove, fliesst als gewisser Rhythmus ein, bei den man sagen könnte «Ey, denn könnte ich mir jetzt drei Stunden lang anhören». Das kann etwa ein Achter-Takt sein, der einfach gut ist.
Sehr interessant. Eine Mischung aus Grunge und Hip-Hop ist jetzt ebenso nicht grad 08/15. Wir hatten es nun mit Musikrichtungen, gibt es weitere Dinge, die euch inspirieren?
Alex: Ja, wir nehmen sehr viel aus der Kunstszene mit rein. Ich war letztens an der Biennale in Venedig, nur um mich zu inspirieren. Ich sehe Sachen, ich sehe Bilder, ich fange Stimmungen ein, welche sich aufbauen und das entfaltet sich nachher in der Musik. Ich finde Mode in der Musik ebenso enorm spannend, obwohl es im Rock’n’Roll nicht so zentral das Thema ist. Ich finde es aber trotzdem spannend, wenn man da etwas anders ist.
BM: Wirklich eine ziemlich wilde Mischung. Ziemlich wild warst du, Alex, und Sänger Yvan unterwegs ebenso, oder? Ihr kennt euch ja schon seit Kindheitstagen. Könnte man jetzt vom Erfüllen des grossen Musiker Traums sprechen?
Alex: Ich glaube, Musiker zu sein war für uns beide nie DER Kindheitstraum, aber das gemeinsame Spielen, das auf jeden Fall. Wie wir damals angefangen haben: Da hatte Yvan seine erste Gitarre und ich habe auf so Plastik-Kisten drauf gehauen. Wir hatten unsere erste Band mit einem Bassisten, dann die nächste mit einem anderen Bassisten, danach noch eine dritte Band. Am Ende haben wir ein Teil unseres Albums mit einem vierten Bassisten geschrieben und uns kurz danach wieder getrennt. Wir hatten es einfach nicht mehr gut mit einander. Aber mit diesen Liedern wollten wir trotzdem etwas starten, später folgten noch «Black Tropics» und «Dragon Blood». Mit den beiden hatten wir dann schliesslich recht Erfolg. Das hat uns selbst als Band nochmals enorm weiter gebracht.
BM: Nach langer Suche habt ihr ja jetzt den richtigen Bassisten gefunden, Chris. Dieser ist aber ebenso in der Band von Bastian Baker. Hattet ihr deshalb schon gross Kontakt mit Bastian Baker?
Alex: Nein, also mit ihm selbst hatten wir noch nix zu tun. Bastian Baker hat einfach sein Projekt und Chris ist eben Musiker in der Band von Bastian Baker, wenn er nicht mit uns spielt. Das sind musikalisch natürlich rechte Welten. Wir kannten Chris selber schon, bevor er mit ihm aufgetreten ist. Nach der Trennung von unserem letzten Bassisten dachten wir, «Hey, lass ihn doch mal anrufen und schauen, ob er Zeit und Lust hätte». So ist es dann dazu gekommen, dass er nun mit uns unterwegs ist.
BM: Trotzdem ist er deshalb wohl terminlich eingeschränkt für manche euer Band-Auftritte. Kann das nicht auch stressig für euch sein?
Alex: Ah, nein, so ist halt das Leben. Ich mein‘, er verdient sein Geld damit und wir hatten das ganz am Anfang ebenso gewusst. Wir haben einfach mit ihm abgemacht, dass wir unseren Bassisten teilen. Klar gab es bereits bestimmte Gigs, die Yvan und ich dann einfach zu zweit gespielt haben. Wichtig zu wissen ist, dass Chris ja nicht an den Songs mitschreibt. Dadurch geht das doch relativ gut, wenn Chris mal nicht kann und wir mit Samples spielen. Heisst natürlich dafür, das man alles immer etwas konfigurieren muss. Aber so läuft das eben. Ja, selbst jetzt ist er gar nicht da. Es gab eine Umstellung unseres Auftrittes, deshalb ist er grad an einem Auftritt in Zürich, wir sind gerade nicht mal sicher, ob er rechtzeitig kommen kann (lacht).
BM: Dass euer Bassist nicht an den Songs mitschreibt, ist also in dieser Hinsicht tatsächlich sehr praktisch. Was für ein Prozess steckt also dahinter, wenn ihr Lieder schreibt?
Alex: Mal zum Ablauf: Zu jedem neuen Song jammen wir anfangs einfach, ich sitze hinter meinem Schlagzeug, Yvan hinter der Gitarre und dann macht das mal «Wrrng!» und so kreieren wir gegenseitig Sounds und spielen die uns gegenseitig zu. Das dauert dann eine Weile, bis da ein Song rauskommt, so jammen wir dann manchmal stundenlang. Danach kommen nach und nach neue musikalische Parts dazu.
BM: Die letzten paar Jahre waren nicht nur musikalisch wild für euch, ihr habt auch ein paar Preise abgeräumt. Am m4music etwa, dazu wurdet ihr als «SRF 3 Best Talent» ausgezeichnet und «Dragon Blood» «SRF Song der Woche» was nimmt man von solchen Ereignissen mit?
Alex: Zum m4music gibt es eine witzige Story, fällt mir grad ein. Wir hatten uns beworben und unsere Band existierte da gerade erst seit 2-3 Monaten. Heisst: Wir waren wirklich die totalen Newcomer. Eingereicht hatten wir «Dragon Blood» und auf einmal standen wir auf der Bühne vor der Jury vom M4Music Award. Da natürlich die Frage: «Wer seit ihr?». Kein Mensch hatte bis dahin grösser von uns gehört. Dann gewannen wir ja tatsächlich und so einiges stand auf einmal an. Den Song hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht, nie live vor Publikum gespielt und ein Musikvideo musste ebenso her. Da ist recht vieles gleich auf uns zugekommen. Wir haben natürlich ein Label, welches uns damals wie auch jetzt unterstützt. Die sind hier in Bern daheim, als Lausanner Band hilft das, um in den deutschsprachigen Raum vorzudringen.
Wirklich eine schnelle Entwicklung aus dem Nichts. Und das, obwohl Ihr eigentlich alle Väter seid und nebenbei euren Jobs nachgeht. Wie geht das auf?
Alex: Die Band ist ein Projekt, aus welchem wir so viel wie möglich draus machen wollen. Daneben haben wir alle halt noch Kinder. Es existiert die Familie, der Job und daneben, eben, der kleine Part der Musik.
BM: Ist das gut machbar, soviel auf einmal stemmen zu wollen?
Alex: Ich glaube, es ist einfach in unseren Genen, als Schweizer sich gut organisieren zu können (lacht). Nein, ich mein‘, wir haben auch keine andere Wahl. Wir haben einfach gesagt, wir spielen am Donnerstag sowie am Sonntag und das haben wir genauso unseren Frauen gesagt, seitdem ist an diesen Abenden Musikzeit. Sie mögen unsere Band natürlich auch und unterstützen uns ebenso dahinter, sonst wäre das glaub auch nicht anders möglich (lacht). Wenn wir viel unterwegs sind, sind wir dafür weniger im Proberaum. Jetzt sitzen wir gerade an einem neuen Projekt, da darf man noch nicht so viel darüber sagen zurzeit, aber so als kleiner Teaser darf man das hier schon erwähnen.
BM: Wow, da sind wir mal gespannt drauf. Merci hierfür. Wir befinden uns ja hier mittendrin im Music Marathon: Habt Ihr einen Künstler, eine Künstlerin, auf die ihr euch heute Abend freut?
Alex: Klar, hier hat es enorm spannende Künstler. Jessiquoi finde ich hat hier wirklich cooles Zeug. Am liebsten wäre ich hier nicht als Musiker, sondern als Zuhörer überall unterwegs. Wir sind zudem sehr gut mit The Two befreundet, hätten gerne mehr Zeit mit ihnen verbracht, aber es kam anders als geplant. Das Ding war so: Eigentlich hätten wir morgens spielen sollen. Doch der Club meinte, sie hätten nicht die richtige Ausrüstung für uns parat. Deshalb sollten wir auf Freitag ausweichen, samt anderer Standort. Wir meinten dann, das wir freitags nicht können, da eben Chris unser Bassist nicht da ist. Am Ende gucken wir jetzt, damit es trotzdem funktioniert (lacht).
BM: Wow, das klingt nach schneller Umplanung, dennoch wirkst du noch gelassen. Standen dadurch viele Sachen für heut‘ Abend an?
Alex: Ich finds eher schwierig heut Abend, dass wir 30-Minuten-Sets spielen. Leute, das ist eigentlich unmöglich! Ich meine, normalerweise nehmen wir Ausrüstung für mindestens eine ganze Stunde mit. Aber da wir hier nur 30 Minuten samt Zeitplanänderung haben, womöglich ohne Bassisten hier sind, spielen wir alles old school, ohne Extras. Heisst: Keine Accessoires, sondern rein Gitarre, Drums und Bass. Normalerweise haben wir ziemlich viel dabei. Dazu unsere Bühnenshow – samt richtigem Show-Intro & -Outro – halt einfach alles, was uns ausmacht. Das ist heut einfach nicht möglich gewesen. Wobei wir Bescheid gegeben hatten, was wir eigentlich alles brauchen. Muss noch gesagt sein; hätten wir am Samstag gespielt wäre es aufgegangen, aber am Ende mussten wir einfach sagen, wir passen uns an. Wir spielen heut einfach, wie es geht. Scheiss drauf, ob es stimmt oder nicht. Normalerweise braucht es aber schon viel mehr Zeit.
Das sehe ich übrigens auch so als klarer Unterschied zwischen einer Rockband und einem DJ. Das ist jetzt zwar ein ganz anderes Thema, aber die nehmen meist einen USB-Stick mit, stecken ihn rein, laden die Songs, die ihnen nicht gehören und holt so mal 1’500 Stutz an einem Abend raus. Nicht böse gemeint: Viele meiner Freunde sind DJs, nicht das ich etwas gegen die Szene hätte, sie gefällt mir sehr! Aber wir müssen mit Mini-Van vorbeikommen, mit Instrumenten, Equipment, sogar einen Sound-Ingenieur haben wir dabei, welcher ebenso kostet. Heutzutage finde ich müsste das mehr wahrgenommen werden, dass man als Band mehr Geld investiert, damit das funktioniert. Aber es ist okay, ich meine, sonst wären wir auch nicht hier (schmunzelt).
Merci, Alex, fürs Interview. Hoffe Konzert lief trotzdem noch gut.