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Im Gespräch mit Tiefgang Recordings

Interview

"Wir überfordern uns gerne selber". Wir interviewen sie gerne. Das Gespräch mit dem DJ-Kollektiv und Technolabel Tiefgang Recordings. Von Michelle Benz

Wir haben uns mit drei von insgesamt 9 Tiefgänglern auf ein Bier in ihrem Studio getroffen und mit ihnen über ihre Arbeitsweisen, unabhängiges Dasein und den neusten Tiefgang Recordings Release ‘Arc of Light‘ gesprochen.

Wegen gähnender Langeweile im Ausgang haben sich 2012 einige Musikbegeisterte zum Kollektiv Tiefgang zusammengerottet. Was in einem modrigen Keller in Bümpliz begann, entwickelte sich weiter zu einem Umzug mit einem selbst gebauten Anhänger durch die Gassen Berns während einer Fasnacht. Diverse Veranstaltungen im Gaskessel und in der Reitschule folgten. In den letzten Jahren hat sich das Partykollektiv mit musikalischen Ambitionen zum ernst zu nehmenden Technolabel mit Strahlkraft über die Stadtberner Grenzen gemausert.

 

Bewegungsmelder: Wann habt ihr beschlossen den Schritt Richtung eigenes Label zu machen?

Knäckebröd: Der Entschluss herauszugeben, kam vor fast zwei Jahren als Mobylette zu uns stiess. Er hatte schon produziert, aber nie veröffentlicht. Wir haben uns mal in der Zar Bar an einem Technobrunch getroffen und er klang einfach gut, also habe ich versucht, ihn zu Tiefgang zu bringen. Er meinte, wenn er komme, wolle er das richtig aufziehen. Ein richtiges Studio, richtig produzieren. Wir beschlossen es zu versuchen, auch weil Loreggia schon einige Sachen gemacht und Moby Diverses in den Startlöchern hatte. Und Raeve hatte im Radio gesagt, dass wir demnächst etwas herausbringen (lacht).

Raeve: (lacht) Ja. Also mussten wir fast. Wir überfordern uns gerne selber. Und zwar bis zu dem Zeitpunkt, an dem es schon so konkret ist, dass wir es dann auch irgendwie durchziehen müssen. Bis jetzt ist es uns auch immer so gelungen, dass wir noch Freude dran haben.

Knäckebröd: Seit dem Label hat sich ziemlich viel verändert. Vorher haben wir einfach ab und zu Partys organisiert, die Sauvage, im Gaskessel und im Rössli. Seit dem Label machen wir uns viel mehr Gedanken um Organisation, Konzept und Identität.

Tiefgang Fasnacht

 

Wie sehen eure Partys denn aus?

Knäckebröd: Prinzipiell geht es darum, dass wir uns jedes Mal verbessern. Wir haben keine Ambitionen etwas so zu tun, wie es schon andere machen. Unsere Partys sollen audiovisuelle Erlebnisse sein, der Musikteil gehört also genauso dazu wie der Dekoteil. Wir wollen Grundstimmungen kreieren, weil eine Party unserer Meinung nach davon lebt, dass sie etwas Spezielles ist. Irgendwo in einem Raum Musik abspielen und dann wieder gehen entspricht uns nicht.

Raeve: Jeder Event ist ein Einzelevent. Unser Gesamtkonzept von Deko und Musik soll ermöglichen, dass wir einen Abend lang unterhalten können.

 

Was ist euch, abgesehen vom audiovisuellen Gesamtkonzept, wichtig?

Raeve: Im Prinzip muss es einfach laut sein. Laut und gut.

Knäckebröd: Uns ist wichtig, dass nicht nur wir Spass an dem haben was wir machen, sondern dass es anderen Leuten auch gefällt. Dazu braucht es halt dann die entsprechenden Plattformen. Wenn alles nur auf Konsum ausgerichtet ist, wird’s dann schnell ein bisschen schwierig. Wir möchten uns so wenig wie möglich verkrümmen müssen.

Sképson: Mir ist vor allem wichtig, dass ich nicht auf eine fixe Deadline hin arbeiten muss. Klar setzen wir uns jeweils Termine. Da es aber nicht ums Geschäft geht, wir unseren Alltag damit nicht finanzieren müssen, ergibt sich ein anderer Arbeitsprozess.

 

Ihr seid also somit unabhängig. Wie finanziert ihr die ganze Sache?

Knäckebröd: Unser Ziel ist, dass wir alles was wir benötigen aus unserem eigenen Kollektiv schöpfen können. Unser Studio haben wir aus eigenen Mitteln finanziert und letztes Jahr haben wir uns ein grosses PA gekauft. Niemand von uns verdient an Tiefgang, wenn wir mal Gage bekommen, wird das Geld gleich wieder investiert, damit wir das nächste Mal etwas Grösseres und Schöneres realisieren können.

Raeve: Geldtechnisch haben wir keine grossen Ressourcen auf der Seite. Es geht aber auch überhaupt nicht ums Geld, sonst müssten wir das Ganze völlig anders anpacken.

 

Dann läge der Fokus aber auch nicht mehr so stark auf dem Produkt..

Knäckebröd: Wenn man in die Zwangssituation kommt, dass man plötzlich von seiner Musik leben muss – also nebenbei keinem Geldjob mehr nachgehen kann – wird es einfach ein bisschen schwierig. Man sieht das bei vielen Bands. In dem Moment, in dem sie anfingen Musik für Geld zu machen, mussten sie ihre Musik dem Publikum anpassen. Zwar behaupten sie, dass sie noch immer die Musik spielen, die sie spielen wollen, aber man nimmt es ihnen nicht mehr ab. Sobald du nicht mehr wirklich für deine Musik oder dein Label arbeitest, sondern primär für Geld, musst du dir gut überlegen, wie du es handhaben willst, dass es dann noch authentisch ist. Aber gut, wir haben dieses Problem ja nicht. Wir machen jetzt einfach mal so weiter, wie wir angefangen haben und schauen was passiert.

 

Die Musik steht also bei euch im Zentrum

Sképson: Unbedingt. Ich fühle einen sehr starken Drang dazu, Musik zu machen. Manchmal kippt das dann schon fast in einen Zwang über.

 

Arc of Light

Dann reden wir doch gleich noch über deine neue EP „Arc of Light“

Knäckebröd: Das erste Stück hast du schon vor einem Jahr fertiggestellt. Die EP hat sich also fast über ein Jahr hingezogen. „Induction“, der dritte Track, ist für mich etwas zwischen Mensch und Maschine, wenn ich hineinhöre. Einerseits perfektioniert und sehr synthetisch. Andererseits dann das organische Klavier, das dazwischen kommt. Die EP ist perfektionistisch.

Sképson: Ich habe ausschliesslich mit Software angefangen, alles auf dem PC gemacht. In der Abschlusszeit habe ich dann mit Hardware Musik eingespielt, rückwirkend das Klavier aufgenommen. Der Schaffensprozess hat unglaublich lange gedauert. Ich habe ewig an Details herumgefeilt. Aber das habe ich mir vorgenommen, dass ich das ab jetzt anders mache. Von Anfang an soviel wie möglich machen, anstatt so verbissen darauf zu achten, wie es denn ganz genau klingt.

Genau das war mein Problem beim letzten Track. Als ich den fertig abmischen wollte, entdeckte ich wieder zig Sachen, die ich zu dem Zeitpunkt bereits nicht mehr so gemacht hätte. Also habe ich alles wieder umgekrempelt.. So kann man gar nie zum Abschluss kommen. Aber jetzt ist sie ja fertig. Alle Tracknamen haben etwas mit Elektrotechnik zu tun, also mit Strom. Es bringt aber eigentlich nichts, darüber zu philosophieren. Ich mache einfach was mir Spass macht. Wir können sie auch einfach anhören gehen.


INFOBOX

‚Arc of Light‘ und alle anderen Releases von Tiefgang können auf Bandcamp zum selbst gewählten Preis erstanden werden.

Nächste Chancen Tiefgang zu erleben:

Six à Dix apéritif im Lorraineböxli: 10.06.| 08.07. | 12.08., jeweils ab 18:00 Uhr.


 

Sa 06.06. 2015