Intro ins Jahr vier in Hamburg. Zum Jahresbeginn stellen sich Fragen zu Vorsätzen, Prioritäten und dem Umgang mit der «Kulturstadt Hamburg». Die Antworten finden sich, wie so oft, auf den Straßen aber auch (und für einmal vor allem) auf dem Wasser. Von Kevin Mc Loughlin
Mit Neujahrsvorsätzen ist das so eine Sache. Für gewöhnlich sind sie eigentlich nur da um gebrochen zu werden. Der 17. Januar trägt sogar den offiziellen Titel des «Ditch New Year’s Resolutions Day». Keine drei Wochen also, schaffen es Leute sich an ihre guten Vorsätze zu halten. Vielleicht sind sie zu hoch gegriffen: Hehre Ziele steckt man sich, erreicht sie aber selten. Ganz anders ist das, wenn die Vorsätze nicht auf Verzicht, sondern das Gegenteil ausgerichtet sind. Wie unser einziger Neujahrsvorsatz 2019: Wir haben uns vorgenommen, dieses Jahr endlich wieder mehr Konzerte zu besuchen. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Neues Jahr bedeutet allerdings auch Januarloch. Das ist zwar in einer Stadt wie Hamburg nicht so ausgeprägt, wie back in good old Bern, aber macht sich dennoch bemerkbar. Theateraufführungen und Ausstellungseröffnungen finden sich zur Genüge, aber Konzerte sind etwas seltener gesät. Nun gut, das ist schon ein wenig gelogen: Die Fantastischen Vier, Yungblud, Snow Patrol, Monster Magnet, Fucked Up, Friska Viljor, Fontaines D.C., WIZO, Swearin‘, UK Subs und diverse andere mehr haben diesen Monat der Elbstadt einen Besuch abgestattet. Aber es ist so früh und so lange dunkel. Es ist kalt, es regnet und/oder schneit. Und überhaupt. War es das vielleicht schon mit dem Neujahrsvorsatz? Ditch New Year’s Resolution Day auch hier?
A propos Konzerte und Neujahrsvorsätze, an dieser Stelle ein kleiner Exkurs. Altes Problem in Bern: Stadtteil lebt, Leute ziehen hin, weil der Stadtteil lebt, Leute beschweren sich, weil der der Stadtteil lebt, Stadtteil stirbt. Dieser Zyklus wird immer mal wieder auf die scheinbare Provinzialität der Stadt zurückgeführt. Aber solche Konflikte machen auch nicht vor Städten wie Hamburg halt. Nachdem die Gentrifizierung bereits einige Jahre den Menschen im Schanzenviertel das Leben schwer macht und sich auch in weiteren zentralen Stadtteilen festgesetzt hat, ist nun das Herzstück dran. Teile St. Paulis werden bereits seit einiger Zeit wohntechnisch aufgewertet, mehr und mehr Wohnraum wird zu Eigentum. Wo Eigentumswohnungen stehen, ist erfahrungsgemäss die Lärmklage nicht weit weg. Erwischt hat es jetzt den Otzenbunker, einen Hort verschiedenster Proberäume in Herzen des Viertels. Auf Geheiss der Behörde dürfen keine Bandproben mehr stattfinden. Dagegen lehnt sich ein grosser Teil der St. Paulianer auf. Ob es was bringt, und wie die Norddeutsche Frau Meier darauf reagieren wird, werden die nächsten Monate zeigen. Exkurs Ende.
Um dem Januarblues und drohenden Vorsatzbruch entgegenzuwirken wagen wir gleich zwei Experimente in einem: Es geht zu einem Konzert einer thailändischen (!) Surf / 60’s-Psych Band auf einem Schiff. Die MS Stubnitz ist ein «Kulturschiff», das häufig in Hamburg, manchmal auch in Bremen und Rostock anlegt und auf dem Konzerte und Partys (legendär sind die Raves im ausgehölten Bauch) stattfinden. Lageplatz in Hamburg ist an der hintersten Ecke der HafenCity, hinter der Industriebrache Baakenhöft (Leserinnen und Leser der Kolumne erinnern sich vielleicht an sommerliche Raves). Und eben hier spielen an einem (natürlich) arschkalten und (natürlich) nassen Donnerstag Khana Bierbood aus Thailand.
Die fünfköpfige Band, deren Name sich in etwa als «seltsame Bierplörre» übersetzen lässt, schmettern an diesem auch im Innern des Schiffs kalten Abend Surfsounds voller Sonne und sorgen völlig unerwartet für ein frühes Konzerthighlight im neuen Jahr und einen Anwärter auf die Jahresendliste. Dass die Aufnahmen ab Platte nicht halb so gut klingen, weil schlecht produziert: geschenkt. Der Abend bleibt in bester Erinnerung. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass es sich häufig lohnt, wenn man sich trotz eigentlicher Unlust ein wenig zu seinem musikalischen Glück zwingt. Und das war nun mal wirklich ein gelungenes Intro zu einem 2019 (hoffentlich) voller konzerttechnischer Highlights!
Khana Bierbood spielen am Ende ihrer ersten Europa-Tour drei Daten in der Schweiz: 14.02. im Le Gart Mort Biel, 15.02. im Rocking Chair Vevey und am 16.02. im Off Basel. Und so klingen sie: