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Hin und weg #16: Ich-Maschine

Kreativität ist Trumpf und in der Grossstadt mitunter überlebenswichtig. Aber manchmal geht der Schuss nach hinten los. Wie in dieser Geschichte von Wortspielen und Egomanen. Von Kevin Mc Loughlin

Bekanntlich ist Hamburg die deutsche Stadt mit der höchsten Kneipendichte. Die Anfrage bestimmt das Angebot, an trinkfreudiger Kundschaft scheint es jedenfalls nicht zu mangeln. Aber wie hebt man sich in der – vor allem in zentralen Lagen – nahezu überbesetzten Kneipenlandschaft ab? Natürlich, mit Kreativität: Einer ausgefallenen Lage, der abgedrehteren Getränkekarte, spezieller Einrichtung. Oder, weil bekanntlich der erste Eindruck stets der wichtigste ist: Mit einem ausgefallenen Namen.

Ob tanzendes Einhorn, Silbersack, oder Goldfischglas – einfallsreiche Barnamen finden sich überall in der Stadt. Manche deuten an was sie unter einem erfolgreichen Zeitvertreib verstehen, wie etwa der Chug Club. Gewisse bringen der Grossstadt das Tierreich näher: Thier, Zoo, Katze, Walrus, Reh, oder die bereits erwähnten Einhorn und Goldfischglas. Andere brillieren – wie könnte es in Hamburg anders sein – mit einem wortwörtlichen Schlag unter die Gürtellinie. Orte, wie die Ritze haben es so schon zu (anrüchigem) Weltruhm gebracht.

Ein schöner, und für Kneipentouristen unterhaltsamer Wettbewerb um die innovative Namensgebung, der niemandem schadet – könnte man meinen. Denn, genau der Name wurde einer Kneipe in Hamburg unlängst zum Verhängnis. Dem im Karoviertel gelegenen Yoko Mono flatterte unlängst dicke Post ins Haus: Eine bereits etwas ältere japanische Künstlerin ähnlichen Namens sah nämlich ihre Namensrechte verletzt und klagte, wohl in Angst darum von englischen Junggesellenabschieden fälschlicherweise mit der Kneipe verwechselt zu werden und Bier ausschenken zu müssen, gegen die Betreiber.

Vor kurzem bekam die Dame Recht. Das Gericht erachtete die Verwechslungsgefahr als gegeben (bestimmt der vielen Kunstafficionados wegen, die erfolglos versuchten ein Autogramm Yoko Monos zu erhaschen) und befand, die Kneipe müsse sich umbenennen. Interessieren tat dies indessen niemanden so wirklich, weil es das Yoko Mono seit ein paar Monaten und nach einem längeren Streit mit den Hauseigentümer gar nicht mehr gibt.

Vorbei ist die Geschichte aber wohl trotz allem noch nicht: Die japanische Künstlerin mit ähnlichem Namen wie eine Hamburger Kneipe wurde im Verlauf dieser Verhandlung darauf aufmerksam gemacht, dass die Betreiber des Yoko Mono eine zweite Kneipe betreiben. Der Name dieses Etablissements könnte zu Verwechslungen mit ihrem 1980 verstorbenen Mann führen. Dieser unternahm ironischerweise Anfang 1960er die ersten grossen Schritte seiner unnachahmlichen Musikerkarriere in Hamburg. Die Stadt huldigt ihm und seiner Band seit einigen Jahren mit einem eigenen Platz. Und die Kneipe? Die heisst John Lemon.

 

Infos

Der ehemalige BM-Chefredaktor Kevin Mc Loughlin hat den Anker an der Berner Aare gelichtet und seine neue Heimat in Hamburg gefunden. Ganz verlassen hat er den Bewegungsmelder zum Glück nicht: Jeden Monat berichtet er uns über seine Abenteuer und tischt uns womöglich reichlich Seemansgarn auf. Ach ja, die wechselnden Titel seiner jeweiligen Hin und weg-Kolumnen entsprechen dem mitgelieferten, monatlichen Songbeitrag einer Hamburger Band. Den dazugehörigen Song gibt es am Ende der aktuellen Ausgabe zu finden. Ahoi!

Di 05.12. 2017