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Hin und weg #12: Die Leude

Der Frühling lässt ein Steckenpferd der Nordlichter aus dem Winterschlaf erwachen. Kaum lässt der garstige Winter nach, pilgern die Menschen scharenweise zu den Eisdielen. Die Auswahl ist enorm, die Geschmäcker verschieden. Wie beim Eis, so beim Fussball. Aber alles der Reihe nach. Von Kevin McLoughlin

Ihr denkt Bern dreht frei mit den diversen Gelateria di Berna Filialen? Denkt noch einmal! Innerhalb von maximal zehn Gehminuten unserer Wohnung in Hamburg-Altona befinden sich folgende Eisdielen: Eisladen, Eisliebe, Eispiraten, Eisprinzessinnen, Schlecks, Eiscafé Venezia, Eis Schmidt, La Perla, Biggies Eiscafe, Filippi, La Luna, Giovanni L. – und das sind nur die reinen Eisdielen. Die diversen Cafés und Bars, die ebenfalls über ein Eissortiment verfügen sind hier also nicht mitgerechnet. Die Eiskultur wird hier also wahrhaftig gross geschrieben.

Und wie in den meisten anderen Belangen ist es auch hier so, dass sich diese Kultur vor allem im Kleinen von der unsrigen unterscheidet. Oberflächlich ist erst einmal alles wie gewohnt. Zumindest bis die direkt vor einem stehende Person ein „Spaghetti-Eis“ bestellt und einen Becher kriegt, dessen Inhalt entfernt an Spaghetti Bolognese erinnert (es kann zum Glück entwarnt werden: Es handelt sich dabei um Vanille-Eis mit Erdbeer-Sauce). Ist man dann selbst an der Reihe, bestellt man sich, um nicht aufzufallen, eine Kugel „Schtratziatella“ und wird dann doch von der leicht peinlich berührten, deutschen Kollegin darauf hingewiesen, dass es Waffel und nicht etwa Cornet heisse. Und schon folgt die nächste Hürde: Noch Streusel oder Schokoguss – bitte was?

Das Eis, jedenfalls, ist gut. Wenn auch ungewohnt, da häufig eher etwas süsser und ein bisschen weniger fest. Die Bandbreite ist bei dem Ausmass an Angebot natürlich auch enorm. Über Geschmack lässt sich ja sowieso streiten. Bei der Wahl der Eisdiele – aber auch und vor allem in der wunderbaren Welt des Fussballs.

Rege Leser berichteten, dass der in Berlin sitzende Kollege Spitzen geschossen habe in Richtung dieser, der schönsten deutschen Stadt. Nun ja, vom hohen Ross lässt sich bekanntlich gut und gerne nach unten treten, nicht wahr. Der 1. FC Union steht einem geschichtsträchtigen Aufstieg ins Oberhaus sehr nahe, der FC St. Pauli kämpft mit allen erdenklichen Mitteln gegen den Gang in die dritte Liga. So unterscheiden sich die Gemütslagen derzeit an Elbe und Spree.

Geführt haben die Aussagen dann hier im Norden allerdings zu Diskussionen im Dunstfeld des Sportes: Wie kommt es, dass des Berliner Kollegen Herzverein gerade auf St. Pauli eher negativ aufgenommen wird? „Eisern Union“ macht ja eigentlich ganz vieles sehr richtig: Die Einbindung der Fanszene in den Stadionneubau; allgemein die Nähe des Vereins zu seiner Basis – vergleichbar mit der Situation beim hiesigen magischen FC, eigentlich.

Trotzdem hält sich die gegenseitige Sympathie in engen Grenzen. Die Abneigung gegen den Ligakonkurrenten ergibt sich bei Fans des FCSP wohl vor allem aus der Lage, dass gerade eben weil so viel richtig gemacht wird bei Union, die Sachlage umso ärgerlicher ist, dass in ihren Reihen braune Tendenzen geduldet zu werden scheinen. Dass dies bei Dynamo Dresden der Fall ist, überrascht niemanden. Aber gerade ein Verein, der sich als einer der wenigen neben St. Pauli auch stark über Aktionen neben dem Fussballplatz definiert, erhält dadurch starke Schrammen.

Kollege Unionist war bei Nachfrage eher abwimmelnd. Das gerade stattfindende Spiel der Seinen gegen den Tabellenführer Stuttgart dürfte für die anzumerkende Ablenkung gesorgt haben. Der 1. FC Union sieht sich vier Spieltage vor dem Ende der Spielzeit einem engen Rennen um den Aufstieg gegen wiedererstarkte Konkurrenten gegenüber. Der FC St. Pauli konnte derweil aus dem Tabellenkeller klettern, wittert an 11. Stelle sogar schon die erlösende Rettung. Die kommenden Wochen werden bei beiden für Aufklärung sorgen. Auf St. Pauli jedenfalls, lassen sich die beiden genannten Vereine in zwei Abkürzungen fassen, wobei letztere mit Schalk im Auge verstanden werden will: YNWA, UNVSU

Infos

Der ehemalige BM-Chefredaktor Kevin Mc Loughlin hat den Anker an der Berner Aare gelichtet und seine neue Heimat in Hamburg gefunden. Ganz verlassen hat er den Bewegungsmelder zum Glück nicht: Jeden Monat berichtet er uns über seine Abenteuer und tischt uns womöglich reichlich Seemansgarn auf. Ach ja, die wechselnden Titel seiner jeweiligen Hin und weg-Kolumnen entsprechen dem mitgelieferten, monatlichen Songbeitrag einer Hamburger Band. Den dazugehörigen Song gibt es am Ende der aktuellen Ausgabe zu finden. Ahoi!

Di 25.04. 2017