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Hin und weg #10: Palmen aus Plastik

Die Sonne ist im Norden während den Wintermonaten ein selten gesehener Gast. Trotzdem finden sich hier Palmen. Sind es im Sommer die Metallpalmen im Park Fiction, so werden diese in der kalten Jahreszeit durch Plastikpalmen und anderen Schnickschnack in den diversen Hafenstadt-Kneipen ersetzt. Von Kevin Mc Loughlin

Ach, Hamburg. Im Sommer ruft der Hafen, die Elbe, der Strand. Die Feste finden auf Booten, vor halbverfallenen Industriebrachen, auf der Heide im alten Land statt. Die Tage sind lang, die Nächte länger, und die Sonne scheint schon längst wieder wenn der Fischmarkt auf dem Weg nach Hause noch zum letzten Lütt’n lädt. Abkühlen lässt es sich wunderbar an der Dove Elbe oder ein wenig weiter an der Ost- und Nordsee. Zum Entspannen rufen der Elbstrand, der Stadtpark oder die Felder des Jenisch Parks. Die Sonne lacht, die Mitmenschen auch und der Sommer scheint endlos. Hamburg, du Perle des Nordens, du schönste unter den schönen.

All das ist nur noch ein blasser Schimmer an Erinnerungen nach fünf Monaten windiger Kälte, grauen Tagen und gefühlt durchgehender Dunkelheit. Der Hamburger Winter kann echt hart sein: Die Sonne verabschiedet sich im Oktober und lässt sich erst gegen Ende Februar wieder blicken, der Regen prasselt fast durchgehend und horizontal auf die Stadt hernieder und der Wind schneidet wie Rasierklingen. Zum Glück lässt es sich an fast jeder Ecke in Kneipen flüchten und die äussere Nässe mit innerer Tränkung konterkarieren. Was nun folgt, ist eine höchst subjektive und weitaus nicht abschliessende Liste favorisierter Zechbuden:

  • Auster Bar – eine wunderbare Bar mit Retrocharme die nach erfolgtem Umzug leider etwas zu weit entfernt ist für regelmässige Besuche
  • Familien-Eck – Der Spitzenreiter. Eine tolle Kneipe mit durchmischtem Publikum, guter Musik und noch besseren Drinks
  • Golem – A propos Drinks: Mit die besten gibt es in dieser sehr stylischen Kneipe direkt bei der Auktionshalle
  • John Lemon – schon alleine des Namens wegen einen Besuch wert. Ebenfalls zu empfehlen ist die im Karoviertel gelegene Schwesterkneipe Yoko Mono
  • Jolly Roger – FC St. Pauli Fankneipe. Bester Ort vor und nach Spielen und eigentlich auch dazwischen
  • Jupi Bar – die selbstbetriebene Kneipe im Gängeviertel. Eine gute Kneipe von guten Leuten, die es zu unterstützen gilt
  • Karussell – sehr schöner und spezieller Ort in Eimsbüttel mit ähnlichem Problem wie die Auster Bar
  • Nachthafen – ein Klassiker auf St. Pauli, abseits vom Kiez. Bester Mexikaner der Stadt
  • Millers – dem Nachthafen direkt gegenüber, beinahe mit Aussicht auf das Millerntor. Sympathischer Schuppen von und mit sympathischen Menschen
  • Queerbeet – ein Kultladen in Ottensen. Steht leider kurz vor dem Aus.
  • Reh-Bar – schönes Farb- und Lichtkonzept, super Lage und guter Ort für Feierabendgetränke
  • Honorable Mentions: Aalhaus, Aurel, Café Absurd, eldorado, Hafenbahnhof, Hummel & Quiddje, Komet, Lobusch, Mathilde Bar, Meine Kleinraumdisko, Mutter, Roosen Bar, Salon Stoer, Toast Bar, Treibeis, Zoo Bar

Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, – bei dieser Materie nicht garantiert – stehen in den genannten Kneipen zwar keine Palmen aus Plastik. Denkbar wäre es aber schon und wie Urlaub fühlt es sich allemal an.

Zum Song: Bonez MC, hier in Kollabo mit dem in Berlin wohnenden Wiener Rapper RAF Camora, ist Mitglied der Hamburger 187 Strassenbande, der unter anderem auch GZUZ angehört.

Das Titelfoto wurde in einem der oben aufgeführten Etablissements geschossen. In welchem, na – die Sache mit dem Gedächtnis, ne

Infos

Der ehemalige BM-Chefredaktor Kevin Mc Loughlin hat den Anker an der Berner Aare gelichtet und seine neue Heimat in Hamburg gefunden. Ganz verlassen hat er den Bewegungsmelder zum Glück nicht: Jeden Monat berichtet er uns über seine Abenteuer und tischt uns womöglich reichlich Seemansgarn auf. Ach ja, die wechselnden Titel seiner jeweiligen Hin und weg-Kolumnen entsprechen dem mitgelieferten, monatlichen Songbeitrag einer Hamburger Band. Den dazugehörigen Song gibt es am Ende der aktuellen Ausgabe zu finden. Ahoi!

Di 28.02. 2017