Nun ist Saimas Zeit in Stockholm am Ende angekommen und sie kann nach viereinhalb Monaten ein gutes Fazit ziehen. Wieder in der Schweiz blickt sie auf ihre sechs Kolumnen zurück und fasst ihr Schweden-Abenteuer für euch zusammen. Von Saima Sägesser
Kolumne #1: «Was bisher geschah» – Allgemein
Meine ersten Eindrücke lassen sich immer noch bestätigen: Stockholm weist eine hervorragende Infrastruktur auf. Besonders das ÖV-Netz ist gut ausgebaut und ermöglicht es so auch nach einer langen Nacht einfach nach Hause zu kommen, während ich hingegen von Bern nach Langenthal je nach Uhrzeit den Moonliner nehmen und bezahlen muss.
Kolumne #2: «Elektronisches und Geschmäcker» – Ausgehen
Jetzt wo das Wetter seit Tagen ununterbrochen perfekt ist, laden viele Dach- und sonstige Terrassen zum Tanzen und Verweilen ein. Wie in der ersten Kolumne vorhergesagt, sind unterschiedliche Musikgeschmäcker hinderlich, wenn es um Ausgeh-Gruppenbildung geht. Aber so oder so fiel mir auf, dass seltsamerweise Stockholm gar nicht so viele Clubs hat, wie man etwa in Zürich finden würde. Und wenn, dann sind es vor allem die internationalen Student*innen, die es dort hinzieht, weniger die Schwed*innen selber. Ist in Bern wiederum das komplette Gegenteil.
Jetzt im Frühling/Sommer findet man alle draussen: Das Södra Teatern hat eine Outdoorterrasse, das Slakthuset eine Dachterrasse und Underbron ist nur noch ein Outdoorclub der Trädgården genannt wird und mich besonders an die Turnhalle erinnerte.
Kolumne #3: «Darstellende Künste und Socken» – Theater
In Stockholm findet sich eine vielfältige Theaterszene, die zudem mehr Bühnen und Auftrittsmöglichkeiten hat, als dies in Bern der Fall ist. Was ich weniger fand, sind Gastspiele, wie diese in unserer freien Szene zu finden sind. In Stockholm sind es meist hauseigene oder Gastproduktionen, die dann längere Zeit gezeigt werden. Klassische Gastspiele werden mehr in der Tanzszene gebucht. Mit den stehenden Ensembles lässt sich demnach einfacher eine Stockholmer Theateridentität und Sprache evaluieren. Diese ist jedoch einheitlicher als die vielfältige Berner Theaterszene.
Auffallend in Stockholm sind auch die männlichen Stückeautoren. Wenn bei uns Friedrich Dürrenmatt in den Himmel gehoben wird, ist es dort August Strindberg. Dieses Jahr kommt zudem noch das hundertste Geburtsjubiläum von Star-Regisseur Ingmar Bergman hinzu. Wann wird wohl eine Frau (ausser Kinderbuchautorin Astrid Lindgren) in beiden Städten so gefeiert werden?
Kolumne #4: «Parks und Inseln» – Natur
Ganz klar, der Bezug zur Natur ist in Stockholm stärker, weil sie einfach überall greifbar ist. Wald und Wasser sind sinnvoll und durchdacht in den Städtebau integriert und laden zum Erleben ein. Parks, wie sie dort zahlreich zu finden sind, gibt es in Langenthal gar nicht und in Bern auch nur so bitzli. Wir können ja aber in die Berge.
Und wo Schweizer Berge und schwedische Natur sind, finden sich manchmal auch kleinkarrierte Bünzli. Ein schwedisches Beispiel: Die Schiffe, welche raus zu den Inseln fahren, werden als öffentliche Verkehrsmittel genutzt – wie Züge, Metros und Busse auch. Auch wenn in der Schweiz ein ungeschriebenes Schweige-Gesetz für den ÖV gilt, wird ja das doch immer wieder gebrochen, besonders von gesprächigen Grosis. Auf einem der Schären-Schiffe wurden wir dann von einer Person angemacht, wir sollten die «Serenity» respektieren, die Menschen würden hier hinaus fahren um die Ruhe zu geniessen. Ja, vertseht sich, wir ja auch. Aber gleich schweigende Mitreisenden zu erwarten und der Euphorie des Tagesausflugs einen Maulkorb aufzubinden – nicht grad toll.
Kolumne #5: «Kunst und Klos» – Kunst
Bisschen Schweizer Heimat fand ich kürzlich beim Moderne Museet, als mir auffiel, dass die im Winter verschneiten und jetzt sichtbaren Skulpturen von Nikie de Saint Phalle und Jean Tinguely sind. Beide Länder haben ein grosses Kunst-Bewusstsein, das ist schön. Auf die Hauptstädte bezogen hingegen, würde ich sagen, dass sie in Stockholm in verschiedenster Form präsenter ist. In Bern fallen mir vor allem Theater auf (zugegeben, sicher auch, weil es mein Hauptinteresse ist), aber die Galerien in der Altstadt zum Beispiel, gehen leider immer wieder unter.
In Stockholm finden sich mehrere Museen mit öffentlichen Privatsammlungen. Eines davon ist übrigens das vom Schweizer Walther Hallwyl 1898 in Auftrag gegebene Gebäude, das heute das Hallwylska Museet mit einer immensen Sammlung beherbergt. Typisch schweizerisch, würden jetzt meine Freund*innen in Stockholm sagen, denn der Ruf, dass wir vor Geld überquellen, wird gerade von jener Familie leider bestätigt.
Kolumne #6: Blaues Blut und blaue Nasen – Repräsentation
Skandinaviens berühmtes Sozialsystem findet sich auch in Schweden. Das Lustige dabei ist, wie sich die Politik auf den Alltag auswirkt. So wird alles immer und überall ganz genau beschriftet, beispielsweise, wenn die Rolltreppe in der Metrostation nicht mehr funktioniert, steht da rasch etwa «Der Techniker ist unterwegs». Und in Bussen werden Videos gezeigt, die erklären, wie man sich verhalten soll betreffend Platz machen, etc. Neuerungen treten schneller in Kraft als bei uns, wo nach einer Volksabstimmung die tatsächliche Umsetzung schon Mal im Extremfall drei bis fünf Jahre dauern kann.
Kolumne #final: Mein Fazit
Stockholm hebt sich als Hauptstadt natürlich vom Rest des Landes ab, was ich für Bern auch behaupten würde. Gemeinsamkeiten zwischen Bern und Stockholm sehe ich im Umgang und im Bezug zur Natur; im gegenseitigen Anschweigen von Passagier*innen im ÖV; alles geht raus, sobald das Wetter warm wird; es findet sich eine grosse und vielfältige Kulturszene, das Nachtleben ist härzig und nicht zuletzt findet sich in beiden Städten eine bedeutende Universität als eine neben vielen Ausbildungsstätten. Somit, Hejdå Stockholm, auf bald – Hej Bern, endlich wieder.