Filmemacher Robin Harsch nimmt uns mit und erzählt die Geschichte von drei Jugendlichen, die alle den gleichen Kampf ausfechten: Der Kampf gegen das Gefühl, einem falschen Geschlecht zugeordnet zu werden. Logan, Effie Alexandra und Söans und ihr Weg als junge trans Menschen. Von Lenard Baum
Als Robin Harsch seinen fünfjährigen Sohn fragt, was für ein Geschlecht er sein will, antwortet dieser: „Beides“. Junge wie auch Mädchen will er sein, weil er die Schuhe und die Ohrringe von Mami so schön findet. Während in jungen Jahren Kinder sich in beiden Rollen frei ausprobieren können, macht die Gesellschaft es Jugendlichen weitaus schwerer. In seiner Dokumentation zeigt Harsch, dass es während der komplizierten Zeit zwischen Schule, Beziehung und Berufsweg noch weitaus grössere Probleme für manche von uns gibt.
Schon sehr früh kämpfen junge Transmenschen mit Suizid und Depressionen – Studien zufolge gelten weltweit siebzig Prozent von ihnen als suizidal. Das Unbehagen, sich im eigenen Körper nicht wohl zu fühlen, die Erwartungen, die an ein anderes Geschlecht herangetragen werden und natürlich das Unverständnis des eigenen Umfeldes treiben viele von ihnen an den Rand der Verzweiflung und der Gesellschaft. Der Weg ist kein leichter und von Rückschlägen geprägt.
Doch nicht nur die Probleme der Protagonisten Logan, Effie Alexandra und Söans wird in der aufwühlenden Doku aufgezeigt. Auch das Umfeld der Betroffenen wird beleuchtet, und wie sie mit dieser Wandlung ganz unterschiedlich umgehen. Etwa die Lehrer, die sich Fragen stellen müssen wie: Wie benotet man den Schüler/in jetzt in Sport? Es geht ausserdem um die Helferin in der Hilfseinrichtung für junge Transmenschen, die Jugendlichen hilft, von Zuhause wegzukommen, wenn das eigene Umfeld nicht mit der Veränderung klar kommt. Es geht um Söans Mutter, die nach eigenen Angaben damit klarkommen muss, dass ihre Tochter von einem Jungen «erstochen» wurde, damit dieser deren Platz einnehmen konnte. Und um den Vater von Söan, der sich fragt, ob er als Elternteil versagt hat.
Dieses breite Spektrum an Eindrücken und die zweijährige Drehdauer ermöglichen es, sowohl mit den Protagonisten als auch den Eltern mitzufiebern.
Kritik
Die Wege der Protagonisten gehen einem persönlich nahe, man spürt, dass Regisseur Harsch während der zweijährigen Drehdauer bei unglaublich wichtigen Lebenseinschnitte dabei war. Die Wege jedes einzelnen sind vielseitig beleuchtet und machen einen starken Eindruck. Harschs Fragen erklären auch komplizierte Sachverhalte und interne Abkürzungen in der Trans-Szene, wobei diese an mancher Stelle etwas kühl anmuten.
«Sous la Peau» ist eine aufschlussreiche Dokumentation für Menschen, die bisher wenig Kontakt mit dem Thema Transmenschen hatten, sich aber eingehender damit auseinandersetzen möchten. Man erkennt erstaunt, dass es selbst in nächster Nähe Menschen gibt, die mit ihrem eigenen Geschlecht zu kämpfen haben. Reicht es aber, um die Strapazen aufzuzeigen, die diese Menschen in ihrem Leben ertragen müssen? Keinesfalls. Doch ist es ein erster, sehr wertvoller Einblick.