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Filmkritik: Nomadland

Ein weisser Van, eine Frau, die nichts mehr zu verlieren hat, und die weiten Strassen von Amerika. Hauptdarstellerin Frances McDormand und Regisseurin Chloé Zhao widmen sich dem Nomadenleben im heutigen Amerika. Kann der Oscar-Anwärter überzeugen? Von Lenard Baum

Das Nomadenleben, ein vielfältiges Leben, was für viele gleichbedeutend ist mit Einheimischen, welche Sanddünnen und die unendlichen Weiten der Walachei durchqueren. Doch ebenso in der westlichen Welt gibt es eine Vielzahl an Nomaden, welche – nicht sesshaft – Kilometer hinter sich lassen. Wir begleiten Fern (Frances McDormand), welche nach dem finanziellen Bankrott ihres Wohnortes und dem Tod ihres Mannes, ihr Hab und Gut in einem Van zusammen hat und damit durch die US-Staaten Nebraska, Kalifornien, Southdakota, Nevada und Arizona zieht. Wir erleben wie Fern sich mit den verschiedensten Jobs durchschlägt, sei es, Amazon Pakete zu verpacken, dem Putzen von Toiletten und dem Verkauf von Steinen. Man wird gleich mitgenommen in das nicht immer schöne Nomadenleben im heutigen Amerika.

Wer «Fargo» oder «Three Bilboards Outside Ebing Missouri» bisher verpasst hat, kann sich hier nochmals vom Können Francis McDormands begeistern lassen. Sie trägt den Film «Nomadland» – und schon nach den ersten Szenen beobachtet man gespannt und mit viel Mitgefühl, wie Fern in kalten Winternächten sich durchkämpft, beim Lagerfeuer mitsingt oder sich in einem Eimer entledigen muss. Regisseurin Chloé Zhao setzt dabei vor allem auf eine natürliche Bildsprache, heisst: Sie lässt sehr oft die Kamera einfach weiterlaufen und so begleiten wir Fern durch ihre sehr abwechslungsreichen Tage. Dies beschleunigt nicht immer den Aufbau der Story, lässt aber einen in Ferns Leben eintauchen und gibt einem beeindruckende Naturaufnahmen, welche – passend mit der Musik von Ludovic Einaudi (Ziemlich beste Freunde) untermalt – im Kino begeistern.

Nomadland Review: Frances McDormand and Chloé Zhao Are a Magical Combo |  IndieWire
Highlights des Films: Die laufenden Aufnahmen, sei es die wilde Natur Amerikas oder das Zusammenkommen verschiedener Nomaden.

Wobei die Tiefen des Films und vor allem die Geschichte Ferns eher aufleuchtet, wenn Sie mit anderen Reisenden ins Gespräch kommt. Dass es sich meist um echte Nomaden handelt, welche für den Film sich selbst spielen, zeigt auf, mit welchem Anspruch an Authentizität beim Projekt vorgegangen wurde. Statt schöne Hotelbetten wurde während dem Dreh in Campern übernachtet. Hauptdarstellerin Frances McDormand, welche neben ihrem überragenden Part als Fern, eine entscheidende Person hinter der Kamera war und es auch ihr zu verdanken ist, dass die Regisseurin Chloé Zhao fürs Projekt überzeugt werden konnte – diese persönliche Bedeutung für McDormand merkt man in der Ausführung ebenso.

With Great Humanity, Film 'Nomadland' Acknowledges A Distinctly American  Grief | The ARTery

Kritik

Eine starke schauspielerische Darstellung von Menschen, die in unserem heutigen System vergessen gegangen sind, anziehende Aufnahmen der Geschehnisse und der Natur, welche sicherlich auf der Kinoleinwand begeistern werden, und eine Thematik, die in Corona-Zeiten in so manchen den inneren Nomaden in uns weckt. Im Grunde ist damit alles gegeben für einen Film, welcher in der Preisverleihungszeit sicher abräumen kann. Zwei Golden Globes konnten Ende Februar schon gesichert werden.

Jedoch muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Laufzeit von zwei Stunden dreissig für einen Film, welcher sich sehr viel Zeit nimmt, seine Geschichte zu erzählen und auf naturgewaltige und realistische Bilder setzt, sicherlich so manchen Kinogänger abschrecken kann. Für Cineasten und die oberen Kritiker ist «Nomadland» jedoch das, was man seit dem fantastischen «Into the Wild» sucht. Ein gelungenes Aufzeigen vom heutigen Nomadenleben, ohne gleich ein Anti-Kapitalismus Film zu sein. Lässt Zhao dem Zuschauer diese Gedankengänge lieber offen und inszeniert so einen Film, welcher beeindruckt und bewegt. Wenn man sich drauf einlässt.

Infos

ab sofort im Kino

Do 01.04. 2021