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Festival Report: Mittelalterlich Phantasie Spectaculum

Spektakel an allen Ecken und Enden

Der BM reiste am letzten Wochenende über die Grenze nach Weil am Rhein und stattete dem größten reisenden Mittelalter Kultur Festival der Welt einen Besuch ab. Von Orlando Willi

Mein Gott, war das eine Hitze. 40.5 Grad im Schatten bedeuten nicht nur Hitzerekord für das Mittelalterlich Phantasie Spectaculum (MPS) überhaupt, sondern verlangten den Organisatoren im Vorfeld auch eine Menge kreative Ideen zur Abkühlung der Besucher ab. Aber der Reihe nach. Das MPS reist seit 1994 durch ganz Deutschland und hat sich bei Mittelalter-Freaks und Musik-Liebhabern gleichermassen als die wohl bekannteste Veranstaltungsreihe des Genres etabliert. Zwischen April und Oktober schlägt der Trupp beinahe jedes Wochenende in einer neuen Stadt der Republik sein Heerlager auf. Das Gelände in Weil am Rhein dürfte zu den schönsten und grössten der ganzen Tour gehören. Im riesigen Drei Länder Garten und nur einen Steinwurf (oder vielleicht besser einen Katapultwurf) von Basel entfernt, machte das MPS dieses Jahr sogar zweimal Halt, Ende April und Anfang Juli. Dank der Weitläufigkeit und der vielen Attraktionen und Stände verteilte sich das Publikum stets über das ganze Gelände und man fühlte sich nie eingeengt oder musste lange anstehen.

Nicht authentisch, sondern phantastisch

Das MPS ist mehr als nur ein einfacherer Mittelaltermarkt. Neben hochkarätigen Bands wird den Besuchern an allen Ecken und Enden ein Spektakel geboten. Die exakte historische Korrektheit steht dabei nicht immer im Vordergrund. In manchen Bereichen geht es auch einfach um das Eintauchen und Erleben einer Zeit, wie wir sie uns als Kinder beim Ritter spielen selber ausgemalt haben. Dennoch staunte ich immer wieder voller Bewunderung vor den Ständen der Händler und Handwerker, die so viel Liebe in ihre handgemachten Produkte stecken. Respekt muss auch all den Schaustellern und Besuchern zugestanden werden, die trotz der Hitze in Rüstungen und mittelalterlichen Gewändern unterwegs waren. Als „Conférencier“ des Festivals waltet seit vielen Jahren Bruder Rectus, in Weil perfekt assistiert vom Tod. Ob bei der Morgenmesse oder der Gewandprämierung, das Duo sorgte stets für beste Unterhaltung. Dazu waren auf dem Gelände Gaukler, Zauberer und viele weitere Künstler unterwegs. Eine Fechtkampf-Show-Truppe trug in Rüstungen ihre Kämpfe aus und Samstagnacht stand wie immer das grosse Feuerspektakel auf dem Programm, welches wir dieses Jahr aber nur aus der Ferne beobachteten. Heiss war uns schon zu genüge.

Spielmänner, Piraten und Kilt-Träger

Acht Bands aus den Bereichen Folk, Spielmannsmusik, Mittelalter-Rock, Piraten-Rock und dergleichen sorgten an zwei Tagen auf drei Bühnen für die akustische Komponente. Wie bei anderen Festivals eher unüblich, spielen die meisten Bands über den Tag verteilt mehrere Sets und dies an beiden Festivaltagen. Einerseits vorteilhaft, da man seine Lieblingsband so sicher einmal zu sehen bekommt, auch wenn man nicht das ganze Wochenende anwesend sein kann. Andererseits spielen die Bands dadurch ganze Sets auch mehrmals fast identisch, was man sich nicht immer anhören möchte.

Das musikalische Lineup konnte dieses Jahr nicht ganz mit dem Hammer-Programm des Vorjahres an gleicher Stelle mithalten. So fehlte insbesondere mit Faun die Band, deren atmosphärische Klänge jeweils ein Highlight am Samstagabend bildeten. Mit den Stammgästen und mittlerweile auch Chartstürmern Saltatio Mortis, den sehr sympathischen schwedischen Piraten Ye banished Privateers oder Versengold war aber auch dieses Jahr für ein interessantes und vielfältiges Programm gesorgt. Mit Koenix war auch eine Schweizer Band vertreten, die sich selbst als „Spielleute aus der Zeit der Sagen und Lagerfeuer“ bezeichnen. Besonders die vier in Kilt gekleideten Herren von Rapalje sorgten mit diversen akustischen Instrumenten und wunderschönen Stimmen für Gänsehaut. Und als besonderes Highlight spielten einige Bands samstagnachts an den Tavernen noch zusätzliche Akustik-Konzerte inmitten des Publikums.

Bis die Instrumentenkabel schmelzen

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Die in der Vorwoche angekündigten Temperaturen im Kernschmelzbereich konnten das erfahrene MPS-Team um Festivalchef Gisi nicht aus der Ruhe bringen. Und so schien es, als wären kurzerhand alle Baumärkte der Umgebung abgeklappert worden um den Besuchern so viel Abkühlung wie möglich zu verschaffen. Vor den Bühnen wurden Rasensprinkler installiert, Duschen aufgestellt und sogar ein Lösch-Quad mit Feuerwehrschlauch war unterwegs um für Erfrischung zu sorgen. Dennoch hinterliess die Hitze ihre Spuren und so wurde zum Beispiel das Ritterturnier in Rücksicht auf Pferde und Reiter in gekürzter Version abgehalten. War die Hitze für das Publikum halbwegs erträglich, mussten die Bands auf den Bühnen richtig leiden, da sich die Hitze unter den Bühnendächern staute. Als die Lufttemperaturen am Sonntag dort bis an die 60 Grad Celsius (!!!) stiegen, begann sogar der Lötzinn der Stecker einiger Instrumentenkabel zu schmelzen, wie mir ein Bandmitglied von Ye banished Privateers erzählte. So mussten die letzten Konzertsets am Sonntag von den Bühnen unter die Sonnensegel an den Bars verlegt werden.

Nach zwei Tagen Sonne, Musik, Met und Kirschbier gings noch zu meinem Lieblings-Essighändler an den Stand, um den besten Himbeeressig der Welt abholen. Dann war das diesjährige MPS Weil am Rhein auch schon wieder vorbei. Das MPS-Team hat wieder eine organisatorische Glanzleistung hingelegt, die Bands und Schausteller haben der Hitze getrotzt und nicht nur vor Schweiss geglänzt. Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr.


INFOBOX

Bilder: MPS


 

Fr 10.07. 2015