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Festival–Report: Balaton Sound 2016

Tanzen unter freiem Himmel, schön gestaltete Bühnen und viele herrenlose Schuhe auf der Tanzfläche – das ist das Balaton Sound am ungarischen Plattensee. Das mit grossen Namen gespickte Programm machte bereits im Vorhinein von sich zu reden. Doch hat sich die Anreise ans 10-jährige Jubiläum gelohnt? Von Marc Tschirren

Aufgrund der inzwischen exponentiell steigenden Anzahl Aftermovies von jeglichen Festivals, vor allem im EDM-Genre, ist die Erwartungshaltung bei den Besuchern jener Festivals bereits im Vorhinein stark beeinflusst. Positive Stimmung, durchtrainierte Körper und die strahlende Sonne erwarten einen. Oftmals sieht das Ganze ja dann in der Wirklichkeit ein wenig anders aus, als die ach so fantastischen Bildern vorgaukeln. Das Balaton Sound hingegen erfüllt die Erwartungshaltung erstaunlicherweise nahezu komplett.

Tanzen, bis die Schuhe von den Füssen fliegen

Auf mehreren Stages, die in den See hineingebaut wurden, treffen sich grosse Künstler aus der elektronischen Musik und dem Hip-Hop hinter und vor dem Mischpult tanzwütige, junge Sonnenanbeter aus allen Herren Länder. So passiert es auch, dass zeitweise auf einer dieser Tanzflächen mehr Schuhe rumliegen, als es zugehörige Menschen vor Ort hat. Die Schuhe blieben den ganzen Abend herrenlos, wie man seine Schuhe einfach so verlieren kann, ist eine andere Frage. Einer dieser doch eher spärlich besuchten Acts war – man halte sich fest – die alte Neuentdeckung des Solo-Projekts von Peter Kruder. Trotz seinem Bekanntheitsgrad aufgrund der Kooperation Kruder & Dorfmeister wurde diese Exklusivität doch eher mässig besucht. Wer ihn nicht kennt, sollte dies dringend nachholen. Denn wenn man sich nicht gerade an Shazam die Finger wund drückt, dann tanzt man tatsächlich, bis einem die Schuhe von den Füssen fliegen.

Bild: Marc Tschirren

Diversität in der vermeintlichen Eintönigkeit der elektronischen Musik

Neben Peter Kruder überzeugten, im Schatten des nahezu endlosen Drop-Feuers der Mainstage, Künstler wie Polarize, Altmeister Dixon oder das Live-Set von Kraak&Smaak. Letzteres war gegenüber der doch eher harten, basslastigen Linie des Festivals eine willkommene Abwechslung. Liebhaber des Progressive House (das wäre nämlich die richtige Bezeichnung für die als EDM klassifizierte Musik) kamen an diesem Festival aber gehörig auf ihre Kosten. Unter der brennenden Sonne Ungarns konnte sich das eher junge Publikum zu den Beats von Grössen wie Armin van Buuren, Martin Solveig oder Borgore im Bass verlieren. Mit Adam Beyer, Alain Fitzpatrick oder Sven Väth waren auch die Freunde des Technoiden gut bedient. Das Balaton Sound bot dieses Jahr nahezu jedem Anhänger der elektronischen Musik das Passende, was den Programmverantwortlichen zu Gute zu halten ist und für einen weiteren Besuch im kommenden Jahr animiert.

Bild: Marc Tschirren

Die Diskrepanz zwischen Planung und Umsetzung

Wer Ungarn bis jetzt noch nicht besucht hat, und dies beispielsweise anlässlich der nächsten Balaton Sound Edition tun möchte, sollte jetzt gut aufpassen: Wer denkt, dass unsere pedantische Pünktlichkeit in Ungarn durchgesetzt werden kann, irrt sich. Zwei Dinge sollte man bei der Ankunft am Flughafen Budapest vermeiden: Die Bacon-Cheese Sandwiches, welche nach trockener BBQ-Sauce schmecken und den Festival Transfer zum Balaton Sound, der mit etwas Glück nach 45 Minuten Verspätung abfährt. Hier empfiehlt sich die Zugfahrt nach Zamárdi. Und wer sich abends gerne die Beine in den Bauch steht, den lockt der Taxistand vor dem Festivalgelände, welcher mit den Menschenmassen einfach nicht klar kommt. Da hilft meist nur noch ein unorthodoxes Quereinsteigen in die Schlange, um vor Sonnenaufgang wenigstens noch zu ein wenig Schlaf zu kommen.

Bild: Rockstar Photographers

Fazit: Lasst uns entdecken und verschont uns mit Altbewährtem

Die Jünger der elektronischen Musik werden am Balaton Sound mit den grossen Namen ihrer Szene gesegnet, dennoch wünscht man sich, dass in Zukunft auf einige der Headliner zu Gunsten junger Talente, vorzugsweise Live-Acts, verzichtet würde. Ein gewisses Risiko kann man ja eingehen. Sicher ist, dass das Line-Up des nächsten Jahres einen wieder einen Teil der Hörleistung (vorübergehend) und Schuhe (für immer) verlieren lassen wird.

 

 

Infos

Das Balaton Sound Festival 2016 fand vom 06. Juli – 10. Juli 2016 statt. Es war die 10. Ausgabe des Festivals. Hunde, Katzen und andere Tiere wurden keine auf dem Festivalgelände gesichtet.

Photo Credits: Rockstar Photographers / Marc Tschirren

Mehr Infos hier auf ihrer Webseite: balatonsound.com.

Do 14.07. 2016