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Festival-Report: Bad Bonn Kilbi

Die BM-Festivalsaison 2015 wurde der Tradition entsprechend im beschaulichen Düdingen eröffnet – mit Spinnen, Spinnern und viel neuer Musik. Von Kevin Mc Loughlin

Die Bad Bonn Kilbi ist nicht umsonst seit Jahren ein Fixpunkt im Festivalkalender vieler hiesiger Musikliebhaber. Das Line-Up überzeugt seit Jahren mit Qualität und bietet häufig viele Neuentdeckungen. Letzteres haben sich die Macher dieses Jahr noch ein wenig mehr zu Herzen genommen als sonst schon und praktisch durchgehend auf die grossen Namen verzichtet. Trotzdem war die Kilbi einmal mehr innerhalb kürzester Zeit ausverkauft – ein Beweis des Vertrauens, dass dem musikalischen Kompass der Bad Bonn-Menschen zu Recht entgegengebracht wird. Im Rückblick lässt sich sagen, dass das Experiment gelungen ist. Natürlich fehlten die grossen Zugpferde, allerdings war das Programm dadurch ausgeglichener und in seiner Gesamtheit überzeugend. Neben BM-Redaktionsfavoriten (Hallo Mac DeMarco, Hoi Sleaford Mods, Salü Thee Oh Sees) gab es zahlreiche Neuentdeckungen, auf die wir uns im Vorfeld freuen durften. Viele davon konnten unseren Erwartungen gerecht werden. Aber Mal langsam alles der Reihe nach.

DONNERSTAG: STEIGERUNGSLAUF

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Der Donnerstag begann arbeitsbedingt etwas spät. Entsprechend wurden mit Klaus Johann Grobe und Schnellertollermeier zwei Schweizer Acts verpasst, auf die wir uns eigentlich ziemlich gefreut hatten. So eröffneten wir unsere ganz persönliche Kilbi mit dem Orchestre Tout Puissant Marcel Duchamp, das spassig tönte, aber das wir allerdings zu grossen Teilen aus einer gewissen Entfernung mitbekamen, weil es galt, sich auf das anstehende Mac DeMarco-Interview vorzubereiten, die Spinne zu bestaunen und sich mit Erfrischungsgetränken einzudecken – ein klassicher Festivalbeginn also. Der erste „richtige“ Act war im Anschluss Nils Frahm – und auch gleich die erste herbe Enttäuschung. Was da auf der Bühne passierte, wollte nicht recht zu allem rundherum passen. Aber ja, das kann passieren. Und die Kilbi wäre nicht die Kilbi, wenn das Pendel danach nicht gleich wieder in die andere Richtung ausgeschlagen hätte. Thee Oh Sees: Bam! Vermutlich eine der besseren Livebands, die gerade unterwegs sind. Das neue Band-Lineup überraschte zwar, dem Sound tat dies allerdings keinen Abbruch. Die Gitarren dröhnten, Sänger John Dwyer kreischte ins Mikrofon. Die Kilbi hatte definitiv begonnen.

Gleich noch etwas psychedelischer ging es danach bei The Black Angels zu und her. Und zwar nicht nur musikalisch. Die frühen 70er hielten auch in den grellen Farbspielen auf der Leinwand einkehr und untermalten ein spassiges Konzert. Spassig sollte es denn auch bei Mac DeMarco zu und her gehen. Anfänglich ging dieser Spass allerdings etwas in der nicht wirklich guten Soundabmischung unter. Als diese mit der Zeit besser wurde, spielten sich auch die Kanadier mehr und mehr in ihr Element und vermochten zum Schluss das Publikum im Grossen und Ganzen zu überzeugen. Highlight dabei war wohl die etwas, nun ja, eigentümliche Coverversion von Coldplays „Yellow“ – ein grosser Spass. Aus Tradition eigentümlich und vor allem lustig und tanzwütig ging dann im Anschluss der erste Festivaltag bei DJ Fitz und DJ Fett im Haus zu Ende.

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FREITAG: ENTDECKEN UND EMPÖREN

Der Freitag begann mit einer der Entdeckungen des Festivals: POW! hatten bereits bei vorgängigen Hörproben interessant getönt, aber Live war das noch einmal eine ganz andere Grössenordnung. Ein Wahnsinnskonzert von einer Band, von der wir bestimmt noch hören werden. Nach einem ersten Konzertbesuch im Haus (Monoski) liessen wir bei Steve Gunn – ehemaliger Gitarrist der Kurt Vile Backing Band The Violators – und seinem entschleunigten Americana die Seele ein wenig baumeln, bevor es dann bei den Bielern Puts Marie und den Japanern Bo Ningen wieder ziemlich heftig zur Sache ging. Laut war das, sehr laut. Aber auch sehr gut. Ein weiterer Besuch im Haus führte zu Salut C’est Cool und einem der, äh, interessantesten  Konzerterfahrungen des Festivals. Zu schlechten 90s Eurodance-Beats hüpften ein paar junge Franzosen Blumen und Melonenschnitze verteilend auf der Bühne und im Publikum umher und riefen Sachen ins Mikrofon. Wahrscheinlich haben wir das einfach nicht so ganz kapiert – aber witzig war das auf jeden Fall.

War es bei Puts Marie und Bo Ningen noch laut, so wurde es jetzt bei den Sleaford Mods vor allem wütend. Die beiden Engländer, die gerade das europäische Festland mit ihrem Mix aus Punk und Sprechgesang (respektive Schimpftiraden) im Sturm erobern, hielten Wort – im wahrsten Sinne – und begeisterten zur Festivalmitte die Leute mit ihren Wutreden zu diversen Missständen in der englischen Arbeiterklasse. Das anschliessende Konzert von Selda feat. Boom Pam, das scheinbar (und wenig überraschend) eines der absoluten Festivalhighlights gewesen sein soll, sowie die Sets von Circles und Baths, mussten wir leider sein lassen, da wir in Bern an unserem ersten BM-Relaunchfest erwartet wurden.

SAMSTAG: SCHÖNE STUNDEN AM WASSER

Rob von The Slow Show am Schiffenensee

 

Den Samstag begannen wir mit den Engländern von The Slow Show (später dazu mehr) und einem schönen, ruhigen Konzert in der fribourgischen Nachmittagssonne. Da Shabazz Palaces, der uns am B-Sides Indoorfestival letzten Herbst noch so zugesagt hatte, im Anschluss irgendwie nicht so recht funktionieren wollte für uns, und Fumaça Preta im Haus zwar witzig, aber auch etwas, sagen wir einmal gewöhnungsbedürftig, war (siehe auch unsere Eindrücke zu Salut C’est Cool am Freitag), stand dem obligatorischen Besuch des Schiffenensees nichts im Wege. Auf dem Rückweg kreuzte The Slow Show Sänger Rob unseren Weg, den wir dann gleich wieder an den Strand runter begleiteten. Dort nahm er ein kleines Unplugged-Ständchen auf, das sich herrlich in die Abendstimmung am See bettete.

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Entsprechend verpassten wir einige Konzerte auf dem Gelände und waren erst für den Post-Punk der kanadischen Band Viet Cong wieder so richtig vor Ort. Dies war wieder eines der wirklich guten Konzerte und wir freuen uns schon jetzt auf das nächste Album der Band. Genug Alben im Gepäck hatte dann der nachfolgende Herr. Auf der Hauptbühne trat der dem Bad Bonn bestens vertraute Thurston Moore mit seiner Band auf. Diese machte, was schon bei Sonic Youth funktioniert hat, und rief noch einmal die Geister der frühen Noise-Bewegung an. Im Übrigen war neben Moore auch der unverwüstliche Steve Shelley aus alten Tagen mit dabei. Die Bassistin der Thurston Moore Band, Debbie Googe, kennt man wiederum von My Bloody Valentine (die ihrerseits die letztjährige Kilbi beehrten). Das anschliessende Konzert von Zebra Katz konnte uns nicht so wirklich erwärmen und so traten so relativ schnell den Weg zu einem weiteren Kilbi-Urgestein an: Im Haus war wie jedes Jahr DJ Marcelle für die Musik zuständig und brachte den vollbepackten Raum so richtig ins Schwitzen.

 

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Das abschliessende Konzert der schottischen Golden Teacher hätten wir uns vielleicht besser erspart, allerdings wollte niemand so richtig wahrhaben, dass bereits wieder ein ganzes Kilbiwochenende vorbei sein und das Warten auf die nächstjährige Ausgabe bereits begonnen haben sollte. Einmal mehr entuppten sich die drei Tage in Düdingen als ein frühes Highlight der Festivalsaison, bei dem neben der Musik auch sonst fast alles einmal mehr wunderbar passte, und wir zählen schon jetzt die Tage bis zur Bad Bonn Kilbi 2016 – ob nun mit oder ohne Spinne.

Foto: Lukas Keller

INFOBOX

Fotos: Lukas Keller (Spider-Pic), Leandro Delmastro


 

Di 23.06. 2015