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Festival-Report: Bad Bonn Kilbi 2016

Der Festivalsommer ist noch jung – und doch glänzte früh das eigenwillige, aber äusserst stilsichere Festival in der überschaubaren Fribourger Pampa. Rund 2'500 Personen pilgerten trotz haufenweise unbekannter Bands ohne Bedenken dorthin, Schlamm und Regen hin oder her. Auch 2016 zu Recht? Von Rico Plüss, Pablo Sulzer

Die Kilbi ist und bleibt ein Phänomen. Seit auf Über-Headlinern wie Queens Of The Stone Age, Sonic Youth, Hot Chip, Animal Collective, Kings Of Convenience, The Flaming Lips oder Beach House bewusst verzichtet wird, hat die Erfolgsgeschichte aus dem Hause Bad Bonn keineswegs an Glanz verloren. Im Gegenteil, die Kilbi in Düdingen ist ein frühes Jahres-Highlight im vollgestopften Festival-Kalender und verschreibt sich im Gegensatz zur übermächtigen Konkurrenz weiterhin vollständig den neuesten Musikströmungen aus aller Welt. Die Programmverantwortlichen könnten wohl mittlerweile auch drei Tage lang ausschliesslich hochexperimentelle Freejazz-ArtistInnen buchen und die Leute kämen trotzdem – so hoch ist das Vertrauen des Publikums in die Qualität des kultigen Musikfestivals.

eingang_kilbi

 

Doch werfen wir nun einen Blick zurück auf die Ausgabe 2016: Was ist uns dieses Jahr aufgefallen? Was ist uns positiv, was negativ in Erinnerung geblieben? Und wie matschig und nass war es denn nun wirklich? Hier unser Rückblick auf das Geschehen der Bad Bonn Kilbi 2016.

 

Donnerstag: Ty Segall’s Show & ein Auftakt nach Mass

ty segall

 

Der Donnerstag als Auftakt lieferte zugleich den einzigen Tag, an dem man äusserst knapp trocken und schlammfrei davonkam, auch wenn man mit Sneakers wettertechnisch optimistisch unterwegs war. Würdig eröffnet wurde die B-Stage mit der Chilenischen Psychedelic-Band Föllakzoid, die eine routinierte Show an den Tag legten, keine grossen Sprünge machten, aber locker die bereits Anwesenden in ihren Sog zu ziehen schafften. Mensch, war danach S S S S hart, gewiss «abseitig», wie es der Beschrieb im Booklet voraussagte. Der Luzerner bot auf der Hauptbühne zumindest den ersten Weckruf und Reminder ans Publikum, dass man an der Kilbi nicht an einem 08/15-Festival angelangt war. Ohne Bedienungsanleitung doch etwas zu roh und sperrig, um es auf die Schnelle musikalisch zu verdauen. Auf der B-Stage wiederum machten Stanley Brinks & die sympathischen Wave Pictures auf solche Weise Folk-Musik, wie sie mittlerweile schon etwas ausgelutscht ist. Ogoya Nengo & The Dodo Womens Group waren eher schmerzhaft in den Ohren (wobei sich hier die beiden Autoren in klassischer 180 Grad-Manier nicht einig sind). Immerhin kamen da die Japaner von Boredoms gerade recht. Nichts für kurze Aufmerksamkeitsspannen, schön laut und dröhnend war es.

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Highlight des Abend war aber klar Powerman Ty Segall, der mit seiner Band The Muggers eine energiegeladene, kraftvolle Show an den Tag legte – und sogar noch ein paar bekannte Gesichter mitschleppte.

 

Freitag: Unsittlicher Becherwurf, umwerfende Gitarrenwände und Überhits aus der Distanz

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Eines vorweg genommen: Ja, es hat geschifft. Und wie. Kümmerte uns aber nicht, denn wo kämen wir da hin. Könnten sonst ja auch gleich zu Hause bleiben. Wäre schade gewesen, denn als freitags die erste Hauptbühnen-Band Silver Firs uns ihren Tropical-Dream-Pop frisch und knackig servierte, schaute auch die gute Sonne noch kurz vorbei. Hat sich gelohnt: Die Berner / Luzerner lieferten eine solide, routinierte Show, die für die gute Kilbi äusserst adrett daher kam, aber wenn man bedenkt, dass Schweizer nicht gerade als verträumt und verspielt gelten, dennoch genug exotisch für ein Nachmittagskonzert war. Hingegen waren Sauna Youth auf der B-Stage brachialer und straight forward-orientierter unterwegs. So darf Rock’n’Roll gerne öfters klingen, erinnerte irgendwie auch an die Herren von The Hives, wobei doch etwas punkiger vorgetragen.

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Dass man die gute Jenny Hval nur aus der Ferne genoss, sollte man noch bereut haben. Immerhin klang es auch aus der Distanz ganz nett und ihren Überhit «That Battle Is Over» am Ende ihres Sets schunkelte man ebenfalls noch mit. Parquet Courts waren tight und trotz ihrer intellektuellen Schnöseligkeit angenehm laut. Floating Points vermochten nicht so ganz zu überzeugen, was womöglich auch an ihrem eher undankbaren Slot (21:15 Uhr, Main Stage) lag. Ihre Visuals liessen sich dennoch sehen.

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Umwerfend dann die Gitarrenwände der Supergroup Minor Victories. Und diejenige Person, die Shoegaze-Legende Goswell mit ihrem lieblichen Gesang ein Bier angeworfen hat, soll sich für immer schämen. Goswell liess sich davon glücklicherweise nur kurz irritieren und fuhr unverzüglich damit fort, gegen und mit dem Lärm zu singen – was in Harmonien resultierte, die schlichtweg betörend waren. Powell hätten wir auch gerne gesehen, es aber wegen (oder trotz) ausgelassener Festival-Stimmung nicht mehr geschafft. No Zu bekam auch ganz gute Noten, haben wir gehört, werden wir wohl bei Gelegenheit live nachprüfen.

PS: Die Jungspunde von The Homesick aus Belgien warfen im Clubhaus alles in die Waagschale und hauten uns weg. Schöne Entdeckung.

 

Samstag: Abgeklärter 22-Jähriger, Afro-Dance-Sause und ein eintöniger Song

Parquets Courts

 

Um unser Samstags-Highlight eindeutig zu verdeutlichen, gehören an diese Stelle drei Wörter: Car. Seat. Headrest. Das meint ein 22-jähriges Männlein mit einer mindestens doppelt so alten Stimme und einer Abgeklärtheit, die Gleichaltrige blass werden lässt. Leider hob er sich wohl «Something Soon» für den nicht vorhandenen Zugabenblock auf. «Fill In the Blanks» ist ein schöner Beweis, dass Guided By Voices kein Patent auf epische Lo-Fi-Gitarren haben und Robert Pollard, sollte er denn jemals in den Ruhestand gehen (was unwahrscheinlich scheint), in Will Toledo von Car Seat Headrest einen würdigen Nachfolger mit ähnlich hohem Output finden kann. Aus musikalischer Sicht bleibt zu hoffen, dass die Adoleszenz Toledo keinen Strich durch die Rechnung macht und seine Neugier und Kreativität bestehen bleibt.

Ebenfalls ein Glanzpunkt dieser Ausgabe waren Protomartyr aus Detroit, die mit toll vorgetragenem Post-Punk inklusive Friedhof-Charme in den Bann zogen. Schnörkellos, düster und treibend. Hätte man auch gerne länger zugehört und -geschaut. Beach Slang waren dann aber leider etwas eintönig; man musste sich nach einer Weile fragen, ob die Band einzig einen Song leicht variierend darbietete. Naja. Und hier nun der Frevel: Während Kamasi Washington bei einer Vielzahl an Besuchenden nahezu zu epiphanen Zuständen verholfen hat, liess uns das eher kalt. Was womöglich auch am Wetter lag, denn kalt war es tatsächlich. Washington vermochte dem Publikum mit seiner Aufrichtigkeit, Charme, seinem Ensemble und seiner Trompete Sonne in die unterkühlten Herzen blasen, und das war angesichts des Wetters auch bitter nötig. Warm wurde es uns auch bei der trashig-kultigen Show von Ata Kak, eine synthielastige Afro-Dance-Sause, irgendwo zwischen seichter-monotoner Ohren-Verblödung und erfrischend kecken und verspielten Analog-Dancefloor-Hits aus dem Hause Ghanas. Wem’s gefällt.

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Das basslastige und hart rockende Frauenquartett von Savages zeigten dann, wie wichtig eine charismatische Frontperson sein kann. In deren Fall war das Jenny Beth, deren kontrollierte Agression womöglich der typisch britischen Reserviertheit geschuldet war und die sich angenehm erfrischend ausnahm. Den Rest des Programms haben wir uns nur teilweise bis gar nicht anhören können, womit hier die Einschätzung entfällt.

 

Fazit: Etwas mehr Pop, dann rockt’s

Glücklicherweise entscheiden sich die Musikverantwortlichen des Tonvereins Bad Bonn jeweils nicht dazu, nur experimentelle Freejazzende zu buchen und so bot auch die diesjährige Kilbi viel Abwechslung jenseits der breit ausgetretenen Pfade. Wünschenswert wäre es wohl, dass, bei aller Liebe zu den lauten und rockigen Töne, auch poppigere Bands mit dem goldenen Händchen für grosse Melodien (wie etwa an der Kilbi anno 2010 oder 2012) wieder etwas prominenter vertreten sein dürften. Doch grundsätzlich gilt: Dem Bad Bonner Team darf auch weiterhin blind vertraut werden.

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Infos

Die Bad Bonn Kilbi 2016 fand vom 02. - 04. Juni statt. Es war die 26. Ausgabe des Musikfestivals.
Mehr Infos dazu findest du hier.

Do 30.06. 2016