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Ezra Furman – Perpetual Motion People

Rebellion und Lippenstift

Das jüngste Werk des amerikanischen Rock’n’Roll-Wildfangs wirkt erstaunlich Massentauglich. Oder etwa doch nicht? Von Sara Steffen

Etwas ungelenk steht Ezra Furman auf dem Cover-Foto seines neuen Albums da, den kritischen Blick von der Kamera weggewandt, trägt er einen schwarzen Rock, dazu knallroten Lippenstift und auf dem Kopf die obligate Baseballmütze. „Perpetual Motion People“ ist bereits das dritte Werk des jungen Amerikaners, der sich in den letzten Jahren mit seinem frechen Rock’n‘Roll, der gekonnt an frühere Grössen wie Lou Reed oder Chuck Berry anknüpft, in die Herzen des Europäischen Publikums gespielt hat. Ungewohnt poppig, böse Zungen würden „radiotauglich“ sagen, wirkt deshalb der Opener des Albums ( „Restless Year“) beim ersten Anspielen: Eine simple, fröhliche Melodie, gepaart mit harmonischen Backgroundgesängen à la Beachboys und hier und da ein bisschen Synthesizer. Ist das frühere Rotznasen-Gehabe also der Massentauglichkeit gewichen?


Scheinbar nicht, denn beim genauen Hinhören wird klar, dass sich Furman mit diesem Album durchaus treu geblieben ist. Wie schon der Vorgänger „Day of the Dog“ handelt „Perpetual Motion People“ von Menschen, die nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechen können oder wollen und die sich daher nirgends wirklich zuhause fühlen. Diese Themenwahl, daraus macht Furman kein Geheimnis, ist stark von persönlichen Erfahrungen beeinflusst. In Interviews und Blog-Einträgen spricht er sehr offen über seine Bisexualität und seine Unentschlossenheit, was Gender-Identitäten betrifft. „My body was made that way“ singt er denn auch in einem seiner Stücke, was fast wie ein Mantra klingt und darauf hinweist, dass Rock und Lippenstift – die übrigens auch häufig als Bühnenoutfit dienen – nicht bloss Accessoires sind, um aufzufallen.

Ein sehr persönliches Album, also, das aber dennoch mehr beinhaltet als nur eine akustische Therapie-Sitzung eines jungen Musikers auf Selbstfindungstrip. Denn ob Furman nun von eigenen Erfahrungen singt oder sich über gesellschaftliche Probleme auslässt, tut er dies stets mit einem (selbst-) kritischen, nicht selten sogar etwas zynischen Ton, der nicht viel mit Selbstmitleid zu tun hat. Und auch musikalisch bietet das Album einiges: Wie auf den beiden Vorgängern wird beim Hören nämlich schnell klar (spätestens sobald man den ersten Track hinter sich hat), dass sich Furman bestens mit allen möglichen Musiktraditionen auskennt und dies gekonnt für seine Musik zu nutzen weiss. So klingt „Perpetual Motion People“ nach dem poppigen Anfang mal nach Punk („Hark to the Music“), mal nach gutem alten Rock’n’Roll („Pot Holes“), nach Folk („Watch You Go By“) und zum Schluss gar nach Gospel („One Day I Will Sin No More“) und ist damit ein vielschichtiges Album eines vielschichtigen Menschen, das seinen Platz in Plattensammlungen auf jeden Fall verdient hat.

Infos

ab sofort im Handel

Mo 27.07. 2015