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Sa 03.11. 21:00 | Kino Reitschule Bern |

Mediterranea – Filmreihe Was ist los in Italien?

Drama von Jonas Carpignano, Italien/Frankreich/USA/Deutschland, 2015, 107 Min., OV I/F/E/Arabisch/d

Der Film erzählt die Geschichte der beiden Freunde Ayiva und Abas, die von Burkina Faso aus nach Europa migrieren wollen. Nachdem ihr Schlepperboot kentert, werden sie von der italienischen Küstenwache gerettet und kommen in Rosarno unter. Während Ayiva sich langsam in der neuen Heimat zurechtfindet, verwahrlost und verzweifelt Abas zunehmend. Als gewalttätige Unruhen in der Stadt ausbrechen, wird das Leben der beiden auf eine harte Probe gestellt. Der Film arbeitet die Hintergründe der Unruhen in Rosarno im Jahr 2010 auf, bei denen es zu Schüssen auf afrikanische Einwanderer kam und 67 Menschen verletzt wurden. Regisseur Jonas Carpignano, später mit „A Ciambra“ („Pio“ im deutschsprachigen Verleih) bekannt geworden, hatte die Unruhen bereits in seinen bisherigen Kurzfilmen thematisiert. Alle Darsteller im Film sind selbst Migranten, die in der Region leben und deren Erlebnisse Carpignano ins Drehbuch einfliessen liess.

Der Film läuft im der Filmreihe «Was ist los in Italien?»

Infos

Was ist los in Italien? Diese Frage stellen sich viele Menschen angesichts der politischen Entwicklung in der benachbarten Republik. Der Fall der Berliner Mauer und die Ermittlungen gegen die Korruption rissen in den 1990er Jahren das vom Kalten Krieg geformte politische System mit. Aus der Krise der alten Parteien entstand eine kaum überschaubare politische Landschaft. Von den «Regierungen der Techniker» über den Aufstieg von Silvio Berlusconi, von den marktfreundlichen Mitte-Links-Bündnissen bis hin zur beispiellosen Allianz zwischen den beiden Populismen der Lega und der 5-Sterne-Bewegung hat sich Italien einmal mehr als politisches Laboratorium erwiesen.

Die lange italienische Krise hat nicht nur die Politik erfasst. Die folgenschwere Umstrukturierung der Wirtschaft, die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, die wachsende Zuwanderung in ein traditionell von der Auswanderung geprägtes Land haben tiefe Spuren in der italienischen Gesellschaft hinterlassen. Auch das italienischen Kino ist davon geprägt worden. Der Zusammenbruch des politischen Systems, die organisierte Kriminalität, die Deindustrialisierung, die Einwanderung, die Erosion der sozialen Beziehungen, die allgegenwärtige Rolle des Fernsehens haben den Anstoss für zahlreiche Filmarbeiten gegeben.

Mit dem Zyklus "Was ist los in Italien?" versucht das KIИO in der Reitschule die titelgebende Frage mit einer Auswahl von Filmen zu beantworten, welche vor allem die Bruchlinien der italienischen Gesellschaft untersuchen und dabei oft das Thema Migration als Schlüssel zum besseren Verständnis der stattfindenden Veränderungen nutzen.

Unsere Reise beginnt im Untergrund: Dal profondo erzählt die Geschichte von Patrizia, Bergarbeiterin in einer Kohlenmine in Sardinien. Das Ende der Mine nähert sich, aber die Bergarbeiter leisten weiterhin Widerstand. In einer ganz anderen Landschaft bewegen sich die beiden Protagonistinnen von Piccola patria. Der Film, der im italienischen Nordosten – die Geburtsregion der Lega – spielt, zeichnet ein schwarzes Bild einer Gesellschaft, die in Auflösung begriffen ist.

Die sozialen Veränderungen der letzten Jahrzehnte werden im Dokumentarfilm Talien durch die Beziehung zwischen einem marokkanischen Vater und seinem in Italien aufgewachsenen Sohn erzählt. Ihre Reise nach Marokko ist eine Gelegenheit, die Bilanz eines Lebens zwischen zwei Welten und zwei Epochen zu ziehen. Die Begegnung von verschiedenen Welten und Generationen steht auch im Mittelpunkt von Io sono Li, einer präzisen Darstellung von menschlichen Beziehungen und sozialen Spannungen vor dem Hintergrund der Chioggia-Lagune. Die Protagonisten sind eine junge chinesische Immigrantin und ein alter Fischer slawischer Herkunft.

In den letzten zwei Filmen geht es um Ausbeutung und Widerstand. The harvest mischt auf eine originelle Art und Weise soziale Dokumentation und Musical, um die Ausbeutung von indischen Einwanderern in der Lebensmittelproduktion, einem Schlüsselsektor des "Made in Italy", zu schildern. Ebenfalls in der Welt der Landarbeiter angesiedelt ist Mediterranea. Der Film erzählt mit dokumentarischem Stil die fiktive Geschichte von Ayiva, Einwanderer aus Burkina Faso, der in den Orangenplantagen von Rosarno, Kalabrien, arbeitet. Dort wird er in rassistisch motivierten Auseinandersetzungen verwickelt. In Rosarno demonstrierten 2010 die Landarbeiter tatsächlich gegen rassistisch motivierte Übergriffe, was wiederum zu neuen Gewaltakten gegen Migranten und zu einem Grosseinsatz der Polizei führte. Die Staatsanwaltschaft ging von der Beteiligung der 'Ndrangheta , der kalabrischen Mafia, aus.

[PRESSETEXT]

Di 16.10. 2018