Programm
ab 13:00 Uhr: Beratungen zu ihren Filmen
17:00 Uhr: Filmprogramm
Das Lichtspiel lädt Sie dazu ein, eigenes, geerbtes oder gefundenes Amateurfilmmaterial im Lichtspiel zwischen 13 und 17h sichten zu lassen und es abends auf der grossen Leinwand in einem gemischten Programm zu erleben. Es ist erwünscht und willkommen, die Geschichte(n) zum Film zu erzählen. Die Materialien werden begutachtet und Sie werden auch über Möglichkeiten der Digitalisierung und Archivierung beraten.
DIE INFOS ZUM HOME MOVIE DAY 2017
Dieser spezielle Tag gehört den Amateurfilmern: Das Filmarchiv und Kino Lichtspiel bietet allen Interessierten die Gelegenheit, sich individuelle Ratschläge für die Handhabung ihrer Familien- und Amateurfilme zu holen, vor allem für deren Aufbewahrung und Digitalisierung. Im Anschluss daran besteht die einmalige Möglichkeit, die mitgebrachten Filme gemeinsam auf der Kinoleinwand zu erleben.
Link: http://www.lichtspiel.ch/agenda/aktuelles-programm
Das Filmemachen ist bekanntlich keine Privileg von Profis, im Gegenteil: spätestens seit der Einführung von Super-8-Filmen in den 1960ern entstehen Jahr für Jahr mehr „home movies“ als irgendwelche anderen Filmaufnahmen. Doch während es immer leichter wird, selbst Filme herzustellen, ist es gar nicht so einfach, sie längerfristig aufzubewahren und vor dem Verfall zu schützen. Auch deswegen führte die erste Welle der Digitalisierung dazu, dass viele Amateurfilmer oder deren ErbInnen ihr Originalmaterial vernichteten, im guten Glauben, dass es nun auf DVD „ewig“ haltbar sein würde. Dass es sich dabei um einen Irrtum handelt, war eigentlich nur den KonservatorInnen und ArchivarInnen bewusst. Sie waren es denn auch, die 2002 in den USA den Home Movie Day ins Leben riefen.
Bei diesem besonderen Anlass geht es einmal um die Frage, wie wir unsere filmischen Erinnerungen am besten aufbewahren können. Eine Jede und ein Jeder, die Filmaufnahmen gemacht haben oder besitzen, können ihre audiovisuellen Werke von Fachleuten begutachten und sich Hilfe für eine bessere Handhabung geben lassen. Es geht aber auch darum, die Besonderheiten und den Wert von Amateurfilmen durch ihre Vorführung auf der Kinoleinwand (neu) zu entdecken. Denn entgegen der landläufigen Meinung sind private Filmaufnahmen nicht nur privat interessant, sondern von einer thematischen und formalen Vielfalt, die sie über den Freundes- und Familienkreis hinaus spannend für ein breiteres Publikum machen. Deswegen klingt der Home Movie Day stets mit einer Kinovorstellung aus, bei der die mitgebrachten Filme der Öffentlichkeit vorgestellt werden können. Die Palette der Filmesujets reicht dabei von Festanlässen über öffentliche Ansprachen und wichtige historische Ereignisse bis zu touristischen Unternehmungen. Auch narrative Filme finden oft erstmals ein grösseres Publikum, sowohl „Drauflos-Gefilmtes“ als auch Filme mit einem Drehbuch oder einer ersten Aufführung in einem Filmclub.
In Bern, wo es den Home Movie Day seit 2013 gibt, wurden in den vergangenen Jahren zum Beispiel die wunderbaren Werke der „Autofamilie“ Enzmann aus dem Entlebuch vorgestellt. Vater Enzmann benutzte die Filme, die er mit seinen sechs Söhnen drehte, als Werbemittel; man zeigte sie interessierten Kunden, um sie von einem Autokauf zu überzeugen. Autos und Filme blieben als Leidenschaft in der Familie: alle Söhne drehten später selbst und Dr. Emil Enzmann wurde der Erbauer eines Schweizer Sportwagens, des Enzmann 506. Oder die Filme des Tierarztes Dr. Merk in den Kolonien im Thurgau: sie zeigen den damaligen Alltag in den Kolonien ebenso wie die Arbeit des Tierarztes. Ein anderer Höhepunkt war sicherlich ein stummer Film vom Gurtenfestival 1983 – sogar von der Bühne aus durfte man als Privatperson damals noch filmen!
Alle Filme werden, wenn möglich, in ihrem Originalformat gezeigt. Besonders schön und reizvoll werden diese Vorführungen, wenn die AutorInnen oder deren ErbInnen ihre Filmbilder erzählend begleiten und kommentieren. Solche persönlichen Präsentationen, die natürlich freiwillig sind, geben dem Home Movie Day seine unverwechselbare Note. Die unterschiedlichsten Menschen kommen zusammen und können die bewegten Bilder durch ihr Wissen und ihre Erfahrungen füreinander noch lebendiger und informativer machen. Gerade jüngere Menschen erfahren von den älteren nicht nur, wie man früher filmte, sondern wie sich der Alltag insgesamt gestaltete. Auf diese Weise lässt sich unmittelbar erleben, wie wertvoll die „privaten“ Filme sind und dass sie auch einem grösseren Publikum nicht vorenthalten werden sollten.
Nach den USA, Japan, Italien, Deutschland und vielen weiteren Ländern ist der Home Movie Day auch in der Schweiz zu einer Tradition geworden. Für den Anlass haben die Veranstalterinnen, Cordelia Bucher und Brigitte Paulowitz, von Anfang an die Kinemathek Lichtspiel gewinnen können und mit David Landolf an der Seite einen professionellen Veranstalter und Filmvorführer. Die Sammlungen des Lichtspiels geben der Veranstaltung einen idealen Rahmen: hier kann man die ganze Vielfalt der Filmtechnik bewundern, ausserdem Werbematerialien und natürlich die Filme selbst, die im Lichtspiel professionell archiviert, gesichert und restauriert werden. Und das Lichtspiel besitzt nicht nur die beste Infrastruktur für die Vorführung der wertvollen Filmschätze, der Privat- und Amateurfilm ist auch einer der Sammlungsschwerpunkte der Institution. So verwundert es nicht, dass der Home Movie Day bereits für seine erste Schweizer Ausgabe im Lichtspiel ausgezeichnet wurde: er erhielt den von Memoriav und UNESCO Schweiz vergebenen Preis für das engagierteste Projekt zur Erhaltung von audiovuellem Kulturgut am von UNESCO ausgerufenen „Tag des audiovisuellen Kulturerbes“.
Stephan Schoenholtz