Ein Abend, drei Bands und grosse Begeisterung für Jazz – wir sind an der Jazzwerkstatt im Berner Progr und lassen uns musikalisch überraschen. Von Tamara Esaltato
Die Turnhalle ist gefüllt mit erwartungsvollen Zuhörern und Freunde experimenteller Musik. Die Jazzwerkstatt im Progr bietet das elfte Jahr eine Plattform für Musiker aus aller Welt, die zusammen die Grenzen und die Klänge von Jazz austesten und neu zusammensetzen. Schon während der Woche haben die Musiker im Progr gebastelt, entdeckt und zusammengeführt, die Proben waren und sind jedes Jahr übrigens öffentlich und können nachmittags besucht werden – die Aufführungen erfolgen am Freitag, Samstag und Sonntag. Was nun am besuchten Samstagabend in Bern gespielt wird, ist eine Premiere in dieser Konstellation und lässt sich sehen und umso mehr hören.
Gamut Plays Tobias Meier (CH) besteht aus dem jungen Gamut Kollektiv aus Zürich und führt zur Eröffnung des Abends die Komposition von Saxophonist und Komponist Tobias Meier auf. Der experimentellen Kreativität wird kurzerhand freien Lauf gelassen, sie führt einem, löst sich rhythmisch ab, lässt nach dem Puls suchen und holt einem durch Harmonien und Klängen wieder ab. Spielt da nicht gerade der Gitarrist mit einem Cellobogen die elektrische Gitarre?
Beim William Parker Large Ensemble (USA, DK, SE, D, CH IT, ZA) braucht man nicht Angst zu haben, sie zu übersehen oder zu verpassen. Mit einer enormen Wucht gibt die von William Parker geführte, international erstklassige All-Star-Band den Ton an. Manchmal dirigierend, oder auch nur mit den Händen Melodieverläufe deutend, dann wieder bassspielend leitet der renommierte internationale Free Jazz-Bassist und Komponist (und Pädagoge und noch mehr) das grosse Bläserensemble und die zwei Perkussionisten durch das Set. Wer vom Drive dieser Musiker nicht zum Aufstehen gebracht wird, der wippt mindestens kräftig mit dem Fuss mit. Mitreissend bis zum Schluss.
Last but not least, Nils Berg Cinemascope (SE) besteht aus drei Musikern, die sich nicht von den Wänden der Turnhalle einschränken lassen, denn sie holen sich ihre Gastauftritte gleich aus aller Welt direkt auf die Bühne, zwar nicht in 3D, aber in überdurchschnittliche Lebensgrösse auf die Leinwand hinter sich. Ein in weiss gehüllter Inder, ein brunesisches Mädchen in einer Cafeteria und noch weitere internationale Videos sind dank Youtube Teil ihres Sets und werden von den Schweden musikalisch unterlegt und begleitet. Wie harmonisch flink sich die Musiker dabei auf den Videoact einlassen, Jazz zu fernöstlichen Gesängen zum Klingen und Schwingen bringen, sorgt für Wonne und überraschtes Auflachen im Publikum.
Während der Abend mit DJ KG ausklingt, blicken wir einmal mehr auf die gelungenen Aufführungen zurück, die in einer musikalischen und stilistischen Vielfalt wohl manch Zuhörer beschwingt und inspiriert in die Nacht entlässt. Und ich sage danke und bis nächstes Jahr.