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Event-Review: Jazzwerkstatt 12th Edition

Die Berner Musikwerkstatt geht in die 12. Edition und lässt für eine Woche Jazz in neuen Kreationen, Kompositionen und Konstellationen erklingen. Wir waren am Mittwochabend vor Ort und haben uns in die Weite des Musikspektrums führen lassen. Von Tamara Esaltato

Das unverkennbare Konzept hinter der Jazzwerkstatt Bern lässt sich wie folgt erklären: Um die 90 Musiker aus aller Welt werden für eine Woche zusammengetrommelt, formen neue Bands und gehen gemeinsame Kollaborationen ein. Der Fokus liegt dabei aufs Erforschen von Klang, aufs Experimentieren, Ausprobieren, Umprobieren, Instrumente ummontieren und schlichtweg im gemeinsamen Musik kreieren. Das kommt dem Namen der Werkstatt ordentlich nahe – das Produkt lässt sich sehen und umso mehr hören. Wir waren am Eröffnungsabend vor Ort und haben uns von drei Bands beeindrucken lassen.

Vertonte Brexit-Schönheit

Ydivide eröffnet die diesjährige Werkstatt mit Schwung, Präzision und ordentlichem musikalischem Charme. Die fünf Schweizer und britischen Musiker sind wendig an ihren Instrumenten und haben einen ordentlichen Groove drauf, den sie mit gezielten Übergängen und abwechlungsreichen Rhythmen kombinieren.

Ydivide

Zum Zuhören ist das Set eine reine Ohrenwonne. Dabei sind die Inspirationen hinter den Stücken politisch verwurzelt: Weltgeschehen wie der Brexit löst nicht nur geladene Emotionen aus, sondern in unserem Fall zum grossen Glück auch ein Stück von elektronisch-unterlegten und geschmackvoll eingebetetten Harmoniewellen.

Drums hoch drei

«Seit fünf Stunden eine Band» – so werden die drei PerkusionistInnen von Drums! Drums! Drums! aus Kenia, Frankreich und Bern vorgestellt. Hast du jemals ein reines Drummer-/Perkussionset gehört? Echt einzigartig und beeindruckend. Becken werden abgenommen, auf die Pauke gehalten, von Geigenbögen gestrichen – das Instrument erhält dabei plötzlich ganz neue Dimensionen.

Setting the stage for Drums! Drum! Drums!

Besonders faszinierend war das Spiel von schwerelosen Rhythmendecken, die zu glasklar gespielten Trommelphrasierungen wurden. Wer genau zuhörte, konnte Geschichten hören, die mit viel Gespür in den Trommel-Improvisationen erzählt wurden. Das lässt echt nicht kalt.

Youtube-Madness zum Besten

Zum Höhepunkt des Abends gibt es noch was ganz Besonderes, um die Sinne zu erfrischen. Künzi Kuster heissen die beiden Jungs aus der Schweiz, die sich nebst dem Synthi und dem Schlagzeug ein unkonventionelles drittes «Bandmitglied» hinzuholen: Das Video. Zu Beginn etwas skurril wirkend, sind die Tutorials im Hintergrund, die während der Performance in voller Lautstärke vor sich hin spielen. Genau, du hast richtig gelesen. Tutorials über einen Rasierer, oder über ein Beautyprodukt, die von wer weiss aufgenomen und kommentiert wurden, setzen den Fokus für die Musiker.

Künzi Kuster und das Tutorial-Flötenmädchen.

Während Künzi einen saftigen, hochhackigen Beat durchzieht, spielt sich Kuster in die tiefen Klänge von Bässen und Elektro. Diese losgelösten musikalischen Gegensätze lassen eine Kontroverse erahnen, die mit all den verschiedenen Youtube-Videos auf dem Netz beinahe zu gesellschaftskritischen Gedanken zusammenführen. Es ist eine beeindruckende Performance, die zum Weitersinnen anregt und in Worten nur ansatzweise beschreibbar ist.

Auch wenn vieles geplant ist, zählt der Moment

Beeindruckend ist nicht nur die breite Variation an Jazzklängen, die die Werkstatt jährlich zu bieten hat, sondern die gewandte Art und flexible Haltung, mit der die Musiker sich in der kurzen Zeit aufeinander einlassen, um sich auf die Konzerte vorzubereiten. «Zwöi Übergäng si planet gsi, eine isch passiert», erklärt mir Clemens Kuratle (Drums, CH) das Zusammenspiel zwischen den komponierten und geplanten Strukturen sowie den spontanen Momenten, die auf der Bühne stattfinden. Ganz fremd sich sich die Musiker jedoch nicht; Kuratle hat beispielsweise den Pianisten Elliot Galvin bereits in Irland getroffen, wo die Idee entstanden ist, eine Kollaboration auf die Beine zu stellen. Sie wurde in der Berner Turnhalle an der zwölften Ausgabe der Jazzwerkstatt Realität. Wir sind beeindruckt von so bewusst komponierter Schönheit und den inspirierenden musikalischen Exkursionen, an denen wir am heutigen Mittwochabend teilnehmen konnten.

Infos

Zum zwölften Mal beherbergte die Jazzwerkstatt Bern Musiker*innen aus aller Welt im Berner PROGR. Ein Teil der Probearbeit für die zahlreichen Uraufführungen findet während des Festivals statt und kann am Nachmittag in der Turnhalle des Berner PROGRs miterlebt werden.

«Jazzwerkstatt Bern is about exchange and networking, curiosity and experimentation, in short: for music that thinks outside of the box.» - Jazzwerkstatt.ch

Foto-Credits, Artikel-Bild: Palma Fiacco www.palmafiacco.ch

Di 05.03. 2019