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Event-Review: Carte Blanche #1 – Rio

Der Winter hat sie eingeläutet: Es ist wieder mal Zeit für eine Carte Blanche-Serie. Dieses Mal mit Multiinstrumentalist und Schlagzeug-Mastermind Mario Hänni. Den Auftakt im Bee-Flat bildet sein Soloprojekt: Rio. Träumerischer Elektro-Pop. Ein Rückblick. Von Patrick Unternährer

Wer den Mann mit langen blonden Haaren und Schnauzbart schon in einer anderen Formation erleben durfte, weiss, mit wie viel Herzblut und Spielfreude Herr Hänni an seine Instrumente tritt. Als Schlagzeuger von Bands wie Hanreti oder Pablo Nouvelle sorgt er, stets mit einem Lächeln im Gesicht, für den Groove – und wenn ihm zwischendurch ein Freudeschrei entfährt weiss auch das Publikum, dass die Maschinerie nun in volle Fahrt gekommen ist.

 

Auch an diesem Mittwochabend war der Freudeschrei wieder zu hören: Diesmal kam er jedoch nicht aus der Trommelküche, versteckt hinter einer Rhythmuswand, sondern von ganz vorne, vom Frontmann: Bei Rio steht Mario Hänni nämlich im Mittelpunkt, bewaffnet nur mit Stimme, Gitarre(n) und zwischendurch einem Synthie. Dass es sich hierbei um ein sehr neues und für ihn ungewohntes Unterfangen handelt, hört man seinem Debüt (Magnus, 2017) aber zu keinem Moment an. Auf der Scheibe hört man den Musiker, der in seinem Leben auf unzähligen Bühnen gestanden ist und weiss, was er tut. Umso sympathischer sind seine schüchternen, bescheidenen und zum Teil fast schusselig-anmutenden Ansagen: «Ich durfte eine Band gründen!», freute er sich durchs Mikrophon – und was für eine. Hänni schnappte sich für sein Projekt Musikschaffende aus jungen und aufstrebenden Bands der Schweizer Musiklandschaft. Eine Supergroup aus Mitgliedern von angesagten Indie-Bands aus dem Umfeld des Musikerkollektivs Red Brick Chapel: East Sister und Josh (ja, unbedingt reinhören!).

 

 

Die gut besuchte Turnhalle fand ein stilles und zuhörwilliges Publikum, das sich die mit neuer Band re-interpretierten Songs mit grossem Interesse vorführen liess. Dem einen oder anderen wird wohl aufgefallen sein, dass die Band ihre Wurzeln auch im Jazz hat, was die ansonsten sehr poppigen Songs der Scheibe zum Teil in wahre Klangexperimente verwandelte. Das Schöne am Drummer-turned-Frontman/Guitarist-Effekt: Produzierte Melodien und Harmonien bestehen nie nur aus den Tonfrequenzen der Akkorde, sondern ebenso aus dem Geräusch, das bei deren Produktion entsteht. Kurz: Die Gitarre bleibt bei Hänni durch seine Anschlagtechnik immer auch Rhythmusinstrument. Herkömmliche GitarristInnen achten meist einfach auf ein sauberes Anspielen der Saiten und verkennen dabei das Potential, das im Anschlag steckt und eben nur von kreativen Köpfen wie Hänni ausgenützt wird. Alles in allem führte dies zu einer anspruchsvollen und unterhaltenden ersten Hälfte des Sets.

 

 

Die zweite Hälfte seines Sets folgte dann wieder mehr der zugänglichen Pop-Linie. Hänni selbst meinte in einer seiner wenigen Ansagen augenzwinkernd, es werde nun etwas tanzbarer. Er sollte zwar Recht behalten, das bereits sitzende Publikum der Turnhalle blieb jedoch sitzen und nickte geniessend und wohlwollend im Takt. Nachdem die Band ihr letztes Stück vorgetragen hatte und mit anhaltendem Applaus verabschiedet wurde, holte das Publikum Mario Hänni nochmals auf die Bühne. Da die Band noch nicht lange genug besteht, musste der sichtlich nervöse Frontmann alleine eine Zugabe zum Besten geben. Durch eine Aneinanderreihung von Schusseligkeiten wurde das Publikum in der kurzen Pause vor der Zugabe nochmals köstlich unterhalten – das Gitarren-Capo wollte und wollte einfach nicht wie Hänni und flog sogar von der Bühne. In den dreissig Sekunden ab Bändigung des Capos und dem Anspielen des letzten Songs sollte der Konzertsaal aber nochmals gehörig entzückt werden. Der liebenswerte Tollpatsch von vorhin zeigte nochmals, was für ein Profi hinter den Songs steckt und wieviel Gefühl und Sinn für Songwriting in die Songs fliessen. Der überaus sympathische Mario Hänni entliess an diesem Abend ein gut gelauntes Publikum auf den Heimweg. Da sich auch die Nervosität mit steigender Anzahl Konzerte – sicher früher als später – legen wird, darf man gespannt sein und sich auf Künftiges von Rio freuen.

 

 

 

Infos

Alle Bilder von © Beat Schertenleib, CH - Zollikofen.

Di 12.12. 2017