Das Kunstfeld ist von viel zu vielen Personen besetzt. Wie macht man da auf sich aufmerksam? Überall mittun, überall mitwirken! Von Seelenreiter // Gabriel Flückiger
Heute ist es gang und gäbe, Projekte zu initiieren. Nicht nur, dass man während dem Studium schon mindestens drei Off-Spaces, Konzertreihen oder Theaterprojekte organisiert hätte, auch wird man an Kunsthochschulen mit sogenannten „Call for Applications“ überschwemmt. Die heute so gängige Egodressur mit ihrer Freundin der Ungenügsamkeit schreien da nur noch: Überall mittun, überall mitwirken! Hechel, Hechel.
Klar, das Kunstfeld ist personendicht, viel zu personendicht. Es werden heute viel zu viele Künstler_innen ausgebildet. Die bestehenden Strukturen können die gar nicht alle unterstützen, ausstellen und mit Ateliers ausstatten. Deshalb lautet eine Exit-Strategie aus dieser Dichte: auf sich aufmerksam machen, und zwar mit Nebelhörnern. Nebelhörnern, das sind – ja eben: Projekte, Projekte, Projekte. In der Tat ist das wirksam: In Laudatios von Kunststipendien liest man denn auch nicht selten Ausdrücke wie „überdurchschnittliche, äusserst produktive Aktivität“ oder „hat sich in kurzer Zeit zu einer wichtigen Position entwickelt“. Bravo, ruft die innere Stimme. Zufrieden nickt die Freundin Ungenügsamkeit.
Doch Projekte sind nicht immer als Einstieg oder Initiation in die grosse weite Kunstwelt konfiguriert, sondern sie dienen auch dazu, sich selbstorganisiert einen eigenen Spiel- und Freiraum zu erarbeiten, und ermöglichen so selbstbestimmte Themensetzung. Projekte zu machen heisst da nicht zwingend Aufmerksamkeit erzeugen, sondern die persönliche Anliegen zu artikulieren.
Ein Beispiel gefällig? Mladen Stilinovics Fotoserie „Artist at work“, 1978. Der Kroate definiert explizit einen sehr eigenwilligen Arbeitsbegriff. Man sieht ihn nämlich, wie er im Bett liegt und nichts tut. Später schrieb er zusätzlich ein „Lob der Faulheit“, in welchem er Künstlern rät, nur dann gute Kunst zu machen, wenn sie faul sind. 2001 ergänzte er seine Überlegungen mit einem kleinen Büchlein. Es besteht einzig aus der Wiederholung des Satzes: „Ich habe keine Zeit“. Man könnte Stilinovic böse sein und behaupten, dass er durch solche extravaganten Arbeiten nur Aufmerksamkeit generieren will. Aber eigentlich gar nicht so schlecht: Bekannt und an Festivals eingeladen zu werden, nur um nichts zu tun. Das wäre wirkliche ein autonomer Spiel- und Freiraum. Das Hecheln wird leiser, kuscheln wir uns doch einfach ins Bett!