Sich die Zeit gut einteilen, den richtigen Moment abpassen – Timing ist eine delikate Angelegenheit. Christine Hasler (Lia Sells Fish) geht ihrem Gespür für Zeit nach, in Leben und Musik. Von Seelenreiter//Christine Hasler
In eigentlich jedem Bereich des Lebens ist Timing das A und O.
Immer wieder bin ich – gerade im Theater – überrascht, mit wem und wie ich mein Timing-Gefühl teile und zu welchem exakten Zeitpunkt wer mit mir zusammen leise seufzt, weil wir schon lange weiter zur nächsten Szene oder noch viel länger geblieben wären.
Und so bin ich schon etliche Male vor Hörstücken oder Theaterszenen gesessen und habe mit zwei, drei Leuten gleichzeitig «Jetzt!» geschrien, und wir haben uns alle gefreut, dass die Lösung so simpel war. Timing.
Ebenfalls damit verhakt sind die ganzen Aufträge, die man hat, oder eben nicht. Da denke ich vier Monate lang, dass das alles nichts mehr wird mit Karriere, und schon gar nicht mit Geld. Und dann, zwei Monate später, renne ich zwischen drei Produktionen, zwei Gastspielen, Konzerten, Vermittlungsprojekt, Kindertheaterwochen, Aufnahmen und Sprecher-Jobs hin und her. Das ist wunderschön, nicht falsch verstehen. Aber das Timing könnte besser sein.
Das ist wie bei Aufnahmen. Entweder erwischst du den First Take, oder du kaust solange dran rum, bis du dir das Ganze selber abkaufst. Lustigerweise musst du – vor allem als Sängerin – ein echt gutes Timing entwickeln, wann du am besten was trinkst, isst oder dir mal einen Take anhörst, von dem du denkst, dass du nah dran bist. «Jetzt bloss nicht reinhören!» – «Nur ein Schluck Wasser.» – «Jetzt nicht aufs Klo, sonst ist die Spannung weg.»
Was man nicht alles tut für die Kunst, aber wenn etwas weniger Leute seufzen, weil man doch woanders hätte, sollte, müsste, dann ist doch das schon ziemlich gut. Wie man das jemand anderem vermittelt, der das nicht sieht, fühlt, hört, ist eine andere Frage.
