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Eine ziemlich spannende Kolumne #16: Bilder und Töne für Bürger, nicht Kunden

In der Wirtschaft verschafft sich die Kaufkraft ihr Recht. In einer Demokratie basiert es auf gemeinsamen Grundsätzen, wie sie die Bundesverfassung formuliert. Noch haben wir das Recht auf ein Fernsehen und Radio mit gesellschaftlicher Verantwortung. Von Stephan Schoenholtz // Seelenreiter

Vor zwei Wochen hat Donald Trump erneut vorgeschlagen, den wenigen öffentlich-rechtlichen Sendern in den USA ihre staatliche Unterstützung zu entziehen. Am 4. März stimmen wir in der Schweiz über die No-Billag-Initiative ab, die ebenfalls eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Radios bedeuten würde.

Die Argumentation der Befürworter klingt nach mehr Mitbestimmung bei der Gestaltung der Schweizer Medienlandschaft: wir zahlen nur noch für die Sender, die uns auch zusagen. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn mit der Annahme von No-Billag würde die einzige Fernseh- und Radioanstalt der Schweiz verschwinden, die den gesetzlichen Auftrag hat, der Vielfalt unserer Gesellschaft gerecht zu werden. Dieser Auftrag würde künftig aus der Bundesverfassung gestrichen. Noch steht dort in Artikel 93, Absatz 2:

«Radio und Fernsehen tragen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung bei. Sie berücksichtigen die Besonderheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone. Sie stellen die Ereignisse sachgerecht dar und bringen die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck.»

Wird der Absatz gestrichen, bleibt die Logik des Marktes.

Es ist ja nicht so, als würden Angebot und Nachfrage für einen Sender wie die SRG keine Rolle spielen. Natürlich wünscht man sich dort genauso, möglichst viele Zuschauer zu erreichen, macht sich Gedanken, was welchem Publikum gefallen könnte. Diese Fragen sind durchaus präsent, im Guten wie im Schlechten. Das spüren wir bis in die Filmförderung, an der das Fernsehen so wesentlich beteiligt ist. Um die Marktlogik müssen wir uns keine Sorgen machen, glaube ich.

Sorgen mache ich mir eher umgekehrt, dass unsere Medien zu ausschliesslich von privaten Geldern und Interessen bestimmt werden. Bei dem Beitrag, den wir jährlich für die SRG zahlen, geht es in meinen Augen darum, einen Sender zu ermöglichen, der der Gemeinschaft als Ganzes verpflichtet ist, auch Minderheiten und Randgruppen und bestimmten Standards der Informationspflicht oder eines Bildungsauftrags. Daran dürfen wir den Sender und sein Programm auch messen, und solange sein Auftrag gesetzlich verankert ist, können wir daran erinnern und einfordern, dass er ihm gerecht wird.

Darum lohnt es sich unbedingt, am 4. März wählen zu gehen. Und ein Recht auf Mitbestimmung wahrzunehmen, das die Verfassung uns garantiert. Als Bürgern, nicht als Kunden.

Spot gegen NoBillag von Martin Guggisberg, eine Aktion der «Filmschaffenden gegen NoBillag».

Infos

Die Beiträge der «ziemlich spannenden Kolumne» stammen vom Kultur-Blog Seelenreiter. Stephan Schoenholtz ist Drehbuchautor und Filmwissenschaftler, mit einem Fuss in der Kinemathek «Lichtspiel» und einem anderen auf Wanderschaft mit dem «Roadmovie».

Do 01.03. 2018