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Dezember-Interview: Im Gespräch mit Pedro Lenz

«Musig isch d Poesie vom Vouk»

In diesem Monat konfrontieren wir den Berner Schriftsteller Pedro Lenz mit Fragen zu seinem neuen Buch, Beizen und Bukowski. Ein Interview auf Bärndütsch. Von Sven Sommer

Pedro Lenz ist ein Tausendsassa. Er machte eine Lehre als Maurer, studierte Spanisch und schreibt nun regelmässig Geschichten, Gedichte, Kolumnen und Artikel. Dem breiten Publikum ist er spätestens seit seinem Romanerfolg «Der Goalie bin Ig» bekannt. Wir trafen ihn zwischen zwei Zügen zum Kaffee in der noblen Jack’s Brasserie neben dem Hotel Schweizerhof.

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Bewegungsmelder: Hallo Pedro, merci für dini Zyt. Mir hocke hie ir Jack’s Brasserie. Vili vo dine Figure verbringe viu Zyt ire Beiz oder ire Bar. Dini Agäntin het die Location fürds Interview vorgschlage gha, i wär lieber hurti id Turnhaue. Was hättsch du vorgschlage?

Pedro Lenz: I ha z’Gfüeu, jedi Beiz isch e Wäut für sich. Und säubschtverständlech isch d Turnhaue aus Wäut mir nochli nöcher. Aber ou die Wäut hie [ir Jack’s Brasserie] fingi sehr interessant. Chunnt no drzue: D Brasserie isch haut würklech sehr guet gläge. I chume vom Zug u ga när wider ufe Zug. Mire Meinig nah, si, vorauem i Stedtli wie Bärn, Beize äbe Wäute für sich. I chlineren Orte si d’Beize vöu dürmischter, d Szenene augemein. Ufem Land gits weniger Wäute für sich, wöus haut dert gar nid fürne ganzi Szene längt wone Beiz würd föue.

 

I dim neue Buech, «Di schöni Fanny», wo sitem Septämber dusse isch, isch der letscht Satz: Gschichte chöme zu eim. Di Romanheud, dr Jackpot, gseht das so. Wie gsesch du das? Wie viu Outobiographie steckt i dine Romän?

Me mueses natürlech vonang ha. Bi de Ich-Erzähler-Figure wie im nöischte Roman, wird sehr schnäu grad ahgno, dass aues wo dä Jackpot seit, eis zu eis mini Meinig sig. Är isch e Figur woni ir Ich-Form loh lo rede, dass sie müglechscht unmittubar isch. Dr outobiographisch Ahteil i däm Sinn, isch eher ider Sprach zsueche, wie d’Lüt rede oder i welem Umfäud si sech bewege. Das isch das woni ufnime. I däm Roman si itze aber tatsächlech zwöi Figure, die beide öutere Moler, woni mi ha lo inspiriere vo zwene Fründe vo mir, aber aues angere isch erfunge. Und was heisst scho outobiographisch? Isches outobiographisch wemer eine e Anekdote verzöut und i die när i mim Roman bruche oder nume weni das säuber nöime ghört ha? Es isch sicher nid aues outobiographisch i däm Sinn, dasis säuber erläbt ha.

 

Ussert dr Ort, Olte i dim neue Roman…

D’Orte natürlech, die kenni und kenne ou d Athmosphäre. Das isch mir no wichtig. I schribe säute über öppis woni nid säuber e Bezug drzue ha.

 

Blibemer no grad e chli bi dim Romanheud, bim Jackpot. Är verdient e Teil vo sim Gäud, i däm er wettet. Uf Pferderenne und uf Schutte etc. U weme die Figur so ahluegt – e erfouglose Schriftsteuer wo sech d’Zyt mit Pferdewette um d’Ohre schlat – chunnt eim doch grad dr Bukowski i Sinn….

Ja, ds mitem Bukowski het sicher e chlini Reminiszänz. Aber das isch eher outobiographisch, wöu ig säuber gärn a so Renne go go luege.

 

Auso giz ir Schwiz ou so Pferderennbahne nach amerikanischem Vorbiud?

Es isch scho angers aus bim Bukowski. Z’Aarou gits zum Bispöu eini. Aber dert finge i eire Saison vilech es haub Dotze Renne statt. In Meran im Südtirol isch e bekannti Rennbahn. Dert fingt bau au Wuchenänd es Renne statt. Auso i go wie gseit ou mängisch, aber es isch nid ds Auerigröschte für mi, aber i kennes u bi iz ou äxtra wägem Buech go luege und es het scho si Reiz. Wies dr Bukowski beschribt: Es git die Müglechkeit 10, 15 oder 20 Euro z’setze u weme spinnt, chame ou meh. Me chunnt de schochli ines Fieber ine plötzlech.

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Der Jackpot schribt e Roman, hesch dir e Titu drzue überleit?

I hamer eigentlech gar ke Titu überleit. I ha eigentlech meh öppis wöuen abböude, wo mir vöu begägnet (lacht). Nämlech das öpper chunnt u seit: «Ühh du, i schribe de ou mou e Roman! I ha scho aus im Chopf u wen i de mou e Roman schribe, de stuhnsch de!» Das isch öppis wo mir vöu begägnet. Und när han i iz mou eine das ou wöue lo verzöue. Am Jackpot gloubt jo ke Mönsch aber am Schluss machters tatsächlech. U vo dene vile, wo mir verzöue, si schribi de mou e Roman, vo dene het no nie eine fertiggschribe. Die söue sech iz mou chli lo ermuetige dür die Figur (lacht).

 

We dini Charaktere Musig lose, isch das e konkrete Interpret oder es konkrets Lied. Der Jackpot lost einisch Willie Nelson, es angers mau chöme auti Schlager vor. Isch das Musig wo du säuber ou losisch?

I säge immer: Musig isch d Poesie vom Vouk. E guete Fründ vo mir isch der Raphael Urweider. Eine vode beschte Lyriker vo sire Generation, ämu im dütschsprachige Ruum, aber chum bekannt. Aber sobaud das dä Text eine singt, chunts ou ir breite masse ah. Mir säge vüu Lüt, mit Kultur heigesi nüt am Huet. Derbi losesi Musig und lose ou uf d’Texte und ig säuber bi haut ou eine, wo vöu uf Texte lost. Der Willie Nelson isch e interessanti Figur, aus Songwriter, nid grad das woni au Tag lose. D’Schlager im Roman si dinne, um mi e chli luschtig z’mache, um ds ganze chli ironisch la z’würke.

 

Wenn isch dir i Sinn cho mitem Schribe ahzfa? I meine e Lehr aus Murer isch ja nid grad der klassisch Ihstig ines Outoreläbe…

Es isch e blöde Ihstig gsi, das stimmt. Der Gedanke derzue hani aber scho vorhär gha, i hami nume nid gwagt. I mire Familie hets keni Künschtler gha oder Schriftstöuer oder Lüt wo so Sache gmacht hei. Die Vorböuder hets nid ggä, ou nid im nöcheren Umfäud, auso isch das am Afang eher e Troum blibe. Dasi Murer ha glehrt isch eher e biographischi Zuefäuigkeit wöui denn mit 16ni e grossi Schueukrise ha gha u jede Pruef woni ahgluegt ha, het e schwäri Schueukomponänte gha. U de hani dänkt: Murer isch no guet, dert lehrsch ir Schueu nume no ds gröbschte, das woni scho weiss, sochli Drüsatz u Materiaukund, aber chasch vor auem schaffe. I ha das när johrelang gmacht u das isch eigentlech e länge Umwäg gsi, aber dä Impous zum wöue schribe, zum schriftlech öppis uszdrücke, für dä hets mehreri Uslöser gä. Zum Bispiu weni Kasettli glost ha vom Udo Lindenberg, hani das transkribiert. Mir hei ja keni Texte gha, mir heise müesse ablose, schribe, wider zrüggschpuele u witer schribe und hei ds när probiert nachezmache, was dä wott säge. E angere Uslöser isch gsi, dasi früech vo mim Vater ha e Schribmaschine becho, denn no aus Spüuzüg. U haut när immer wider öppe Lehrerinne u Lehrer womi derzue ermuetiget hei, es het aber ou ds Gägetöu ggä.

 

Näbe däm dasde Büecher schribsch, betätigsch di ono i angerne Projekt. I hadi o mau uf dr Bühni gseh ir Formation «Polstergruppe» vom Simon Baumann. Sie hei iz wider nöi Uftritte, bisch dert wider drbi?

Das isch jo e erschte Versuech gsi, öppis sehr Experimentells. Wenn si chieme, würdimers sicher wider überlege mitzmache. Momentan bini haut säuber e so starch i mini eigete Projekt ihbunde, dasi gar ke Zyt hätt. Das Zämeschaffe mit Musiker aber, isch immer sehr inspirierend für mi, so wie mi ou dä Obe vor Polstergruppe inspiriert het.

 

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Dini Büecher wärde zum Teil übersetzt, ids ungarische oder ou ids schottische. Chöme die Büecher i dene Sprache ah?

Sägemers eso: I Zahle usdrückt si das nid rise Verchöuf. Das ungarsiche vilech no am ehnschte wöus imene rächt renomierte Verlag isch usecho. Die schottischi Fassig hetsech im Ruum Glasgow ou nid so schlächt verchouft. Das isch ja ou ine schottischi Mundart übersetzt worde. I bi a zwöine Festivals gsi ds Schottland mit mim Übersetzer u är het de us «dr Goalie bin ig» vorgläse. U a so Läsige merktme scho, dases ou dert sehr guet ahchunnt bi de Lüt, wöusne ds gfüeu git: Ig erkenne dä wo do redt.

 

Du hesch es Stipändium vor Stadt Glasgow übercho?

I bi sächs Monet dert gsi. D’Stadt Glasgow u d’Stadt Bärn hei denn so Outore-Ustüsch gmacht. Ds isch für mi no e wichtigi Zyt gsi, wöui dert gmerkt ha, dasi chli meh uf die Mundart mues boue. I ha vorhär geng e chli Skrupu gha vo wäge Literatur isch öppis Höchers u geit nume uf Dütsch. I ha aber denn scho viu Mundartsache gmacht, has aber vorauem ufgno gha, wöui Respäkt drvor ha gha, das id Schrift umzsetze. Und in Schottland heimi viu Outore ungerstützt, wöusi mis Problem kennt hei. «We mir hie öppis schribe chöme die vo London u säge mir söues umschribe!, derbi isch beides weder besser no schlechter, es isch eifach so.» Das het mir när dr Impous gä, mis Mundart umszsetze, ha aber no proteschtiert, i heig ir Schwiz ja nume 5 Millione Läser, wo Schwizerdütsch überhoupt verstöh. När het dä gseit: «Hesch de ds Gfüeu, e Finn zum Bispöu heig meh!» So chlin isch dä Sprochruum hie eigentlech gar nid.

 

Um ihn live zu sehen, muss man mittlerweile weit reisen.  In der Region Bern findet am 28. Dezember 2016 eine Lesung in der Turnhalle unter dem Titel „Fanny-Tour: Pedro Lenz & Christian Brantschen bei bee-flat im PROGR Bern“ statt. Eine aktuelle Liste der Auftritte findest du hier.

 


Fotos: JDUBOiS

Da die Originalfotos vom Interview mit Pedro Lenz unauffindbar sind, stehen nun diese neuen Foto stellvertretend für unser Treffen mit ihm. Eure Vorstellungskraft sei gefordert.


Infos

Am 28. Dezember 2016 findet eine Lesung in der Turnhalle unter dem Titel "Fanny-Tour: Pedro Lenz & Christian Brantschen bei bee-flat im PROGR Bern" statt. Das aktuelle Interview erscheint im Rahmen der Bewegungsmelder Monatsinterview-Reihe. Bereits interviewte Bands, KünstlerInnen und Personen: Yokko, Liima und Suns of Thyme. Die nächste Ausgabe folgt im Januar 2017.

So 18.12. 2016