Mit einer neuen Saison des bee-flats im Progr dürfen wir uns ebenfalls über eine neue Konzertreihe der Carte Blanche freuen. In dieser Saison beehrt uns der junge Berner Luzius Schuler und bespielt die Turnhalle mit drei seiner Projekte. Von Kilian Ochsner
Zur ersten Ausgabe gibt Luzius Schuler mit Grimvötn’s Universe dem Zuhörer einen Einblick, wie sich das anhört, wenn ein Jazzer eine Popband gründet. Platz genommen im Saal – das Publikum lauscht sitzend – sticht einem sofort der Konzertflügel ins Auge, welcher die linke Hälfte der Bühne dominiert und rechtwinklig zu mehrerern Synthesisern angeordnet ist. Offenbar soll eine Person alle Tasteninstrumente bedienen.
Auch das Perkussions-Set neben dem Schlagzeug scheint für eine Popband nicht ungewöhnlich, aber auch nicht alltäglich. Als die Musiker schliesslich ihre Plätze einnehmen, fällt einem das doch sehr jugendliche Alter der Band auf. Neben dem Mastermind der aktuellen Carte Blanche, Luzius Schuler, welcher besagte Tasteninstrumente spielt, wird die Musik von Florian Möbes an der Gitarre, Christian Spahni am Bass, Emanuel Künzi am Schlagzeug und Lukas Weber an den Percussions gespielt. Gesungen wird meist zweistimmig von Claire Huguenin und Leoni Altherr. Alles begabte Musiker, woran bereits nach dem ersten Song kein Zweifel mehr besteht.
Begabte Musiker, unaufdringliche Lieder
Gekonnt werden elektronische Elemente dezent in die sonst sehr organischen Lieder eingebaut. Die Songs sind manchmal verträumt, manchmal groovig und funky und erinnern teilweise ein wenig an amerikanischen Powerpop. Meist beinhalten sie eine Bridge, die die sonst doch sehr eingängige Musik etwas auflockert: Der Rhythmus wird gebrochen und die Melodie geht plötzlich unerwartete Wege. Nach diesem unkonventionellen Kniff finden sich die Instrumentalisten aber ohne Problem wieder.
Nach den ersten Liedern wird den Zuschauern das reichlich vorhandene Talent, sowohl der Instrumentalisten, als auch der Sängerinnen eindrücklich vorgeführt. Jeder Ton und jeder Takt sitzen perfekt, die Sängerinnen, besonders Claire Huguenin, haben eine eindrückliche Stimme und Luzius Schuler beeindruckt, indem er mit der linken Hand Flügel spielt und gleichzeitig mit der rechten in die Tasten des Synthesisers haut. Jeder Song sagt der Kopf der Band kurz an, was für Pop im 21. Jahrhundert doch sehr unüblich ist. Dabei macht er – etwas salopp formuliert – ein wenig den Eindruck eines Musikschülers, der am Elternabend in einer gefüllten Aula vor seinem Auftritt erklärt, welches Lied er denn für den Abend einstudiert habe; ein wenig unbeholfen, aber durchaus sympathisch.
Defizite im Songwriting, nicht in der Umsetzung
Die erste Hälfte des Konzerts mochte durchaus begeistern, doch dann begannen einem die Defizite, vor allem im Songwirting, doch etwas aufzufallen. Obwohl die Band gekonnt zwischen verschiedenen Musikstilen wechselte, passierten diese Wechsel fast ausschliesslich zwischen den Songs, sie drifteten kaum vom einen Stil in den nächsten. Auch war der Aufbau der Lieder leider meist zu ähnlich: Nach zwei Strophen und zweimaligen Vortragens des Refrains folgte meist eine Bridge, darauf eine weitere Strophe und wiederum der Refrain, diesmal etwas rockiger vorgetragen, um danach den Song ausklingen zu lassen. Nach einer Weile begann sich das doch ein wenig phantasielos anzufühlen.
Bei Claire Huguenin und Leoni Altherr handelt es sich zweifellos um zwei sehr begabte Sängerinnen, doch gingen neben dem zweistimmigen Gesang die phantastischen Instrumentalisten etwas unter. Vor allem um den Konzertflügel hinter diesen Stimmgewalten zu hören, musste man schon etwas die Ohren spitzen. Auch der Umstand, dass praktisch zu jeder Zeit gesungen wurde, auch wenn es keinen Text zu singen gab, kann man als unnötig empfinden. Kann man.
Trotz etwas konventioneller erster Ausgabe, bleibt es spannend
Grimsvötn’s Universe wurde nicht für die Carte Blanche gegründet, es handelt sich hierbei um die existierende Band Grimsvötn, welche durch Lukas Weber und Leonie Alther verstärkt wurde. Daran ist ja nichts Falsches, da ja der Musiker, der diese Reihe gestalten kann, seine Projekte gemäss Konzept nach seinem Gusto vorstellen darf. Eine Prise Experimentelleres hätte man sich nach der letzten Carte Blanche von Simon Baumann erhoffen können. Lust auf mehr hat es allemal gemacht. In der zweiten Ausgabe (18. Dezember 2016) von Luzius Schulers‘ Carte Blanche erwartet uns mit Woodlander Extended mehr zeitgenössischer Jazz während sich in der dritten und letzten Ausgabe (11. Januar 2016) mit Casio Medicine fünf Musiker an irrste Klänge und etwas mehr Experimentelles heranwagen. Man darf also durchaus gespannt sein, denn wie es aussieht, wird es ab sofort etwas wilder.
Fotos von Jéré Dubois.