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Brother Frank: Oh brother, where art thou?

Brother Frank ist nicht gekommen, um zu bleiben. Deshalb tut man gut daran, Genuss und Besuch in die Länge zu ziehen. Entweder abends oder zum Zmittag bei einem Bánh mì und verlockender Reiselektüre aus dem Kitchener Pop-Up Store nebenan. Von Aline Jordi

Das neue vietnamesische Streetfood-Restaurant Brother Frank ist eine gute Einstimmung auf meine bevorstehende Asienreise. Entgegen den Befürchtungen ist es um 13 Uhr sehr ruhig im ehemaligen Fizzen-Lokal beim Bollwerk. Nur einige späte Mittagsgäste sitzen vereinzelt an den Marktstand-Tischen oder in der Lounge. Nach zwei Minuten halte ich bereits ein Bánh mì – vietnamesisches Baguette mit Tofu, Gemüse und frischen Kräutern – in der Hand. Der Tee mit Zitronengras und Minze steht auch parat, beides zusammen kostet 15.- Franken.

3 Monate, 8925km, 700kg
Nach dem Gespräch mit Tom Weingart sind die anfänglich etwas zu überteuert empfundenen 10.- Stutz für das Baguette mehr als vertretbar. Zusammen mit Sternekoch Markus Arnold hat er in knapp drei Monaten ein Pop-Up Konzept auf die Beine gestellt – inklusive 9-tägiger Vietnamreise, der Verschiffung von 700 Kilo Essgeschirr (Ikea kein Thema), der Organisation einer Zwischennutzung, dem Umbau der ca. 200 Quadratmeter und nicht zuletzt der Eröffnung des Restaurants, dessen Plätze fast bis auf den letzten Abend am 23. April ausgebucht sind.*

Der Berner Hunger auf ungewöhnliche Gastro-Konzepte scheint gross zu sein, weshalb Tom und Markus bereits erste Anfragen aus Zürich ausgeschlagen haben und sich auch in Zukunft auf Bern konzentrieren wollen. Je weniger Pop-Ups, desto mehr Aufmerksamkeit – was der mediale Hype der letzten Wochen auch bewiesen hat. Nach der hektischen Eröffnungsphase wollten wir nun wissen, wie das Brother Frank angelaufen ist.

Brother Frank inside
Bild Mitte: Der vietnamesische Reiseführer Frank ist Namensgeber des Restaurants und schützender Patron über die selbstgezimmerte Cocktailbar.

Vietnams Streetfod kulinarisch interpretiert
Tom sieht zwar etwas müde aus, spricht jedoch bereits von den nächsten Plänen, die er und Markus im Schilde führen. Zuerst gilt es aber, die knapp drei Monate Brother Frank so gut zu betreiben, dass sich das Risiko gelohnt hat. Die Herausforderung, innerhalb kurzer Frist ein anspruchsvolles Projekt mit einer grossen Lernkurve umzusetzen, stand ganz zu Beginn der Idee. Da Markus schon einmal durch Vietnam gereist war und sich mit dessen Strassenküche befasst hatte, war auch das Motto gesetzt. Fehlte nur noch ein geschicktes Marketingkonzept, wofür sich die beiden drei Tage lang vor laufender Kamera durch die Strassen Hanois gegessen und gesoffen haben (siehe Clip unten).

Mit den paar kritischen Stimmen betreffend fehlender Authentizität kommen die beiden klar. Vielmehr sehen sie die Menükarte als ihre eigene Interpretation, wobei vor allem Markus seine Handschrift in die Küche mit einbringt. Einige Gänge seien aber original, wofür sie sich von vietnamesischen Freunden aus Bern Tipps haben geben lassen. Auch Zutaten wie Reis, Nudeln oder Kräuter beziehen sie aus dem Asia-Lädeli im Breitsch, Fisch und Fleisch hingegen sind aus der Schweiz.

Die Mehrgänger vom Abend werden tagsüber von Markus in der angemieteten Küche des Casinos zubereitet, da es im Bollwerk keine Kochmöglichkeit und -Bewilligung gibt. Aus diesem Grund begrenzt sich auch das Zmittag auf ein Baguette mit oder ohne Fleisch. Da ich mein erstes und letztes Bánh mì vor 5 Jahren in New York hatte, lässt sich betreffend Authentizität nicht urteilen. Es ist knusprig, frisch, saftig, leicht pikant und am Tofu wird nicht gespart. Zudem bin ich nach einem Baguette satt und verbringe noch eine gute halbe Stunde mit Tee und Lektüre in der Lounge.

Das gesamte Mobiliar besteht aus Regenschirmen vom Fundbüro (meinen habe ich schon entdeckt), Harassen, Paletten, Holzplanken, Getränkekisten und einigen hundert Metern Leuchtschlangen und Lichterketten. Alles entweder von Freunden, Geschäftspartnern oder Stiftungen ausgeliehen, um es nach dem 23. April wieder zurückzugeben.

Adiö Brother Frank
Und was kommt danach? Mit ihrer «Evergreen Concepts GmbH» wollen Markus und Tom noch dieses Jahr 2-3 weitere Pop-Ups eröffnen. Anderer Raum, anderes Land. Das nächste dürften wir im Sommer erwarten – vorzugsweise mit Garten oder Dachterrasse, die Suche nach einer geeigneten Zwischennutzung läuft auch Hochtouren. Bis es soweit ist, lassen sich verregnete und kalte Wintertage ganz gut im Bollwerk verbringen.

*Betreffend der ausgebuchten Abende bittet Tom um eine Korrektur – wer um 18 Uhr oder 21 Uhr komme, habe gute Chancen auf einen Platz. In New York sei es gang und gäbe, eine Stunde auf einen Tisch zu warten – diese Wartezeit versuche man den Bernern mit der Lounge zu versüssen. Dort gibt es genügend Platz, sich bei einem Apéritiv oder Cocktail auf das bevorstehende Essen zu freuen.