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Bravely Second: End Layer

Oder: Warum Probieren über Studieren geht.

So manche Hypes schaffen es nicht von Japan nach Europa, die «Bravely»-Reihe gehört dazu. Im Land der aufgehenden Sonne waren beide Teile Verkaufsschlager, der hier rezensierte Zweitling erscheint jetzt auch im Westen. Von Rico Plüss

Bravely Default markierte den spirituellen Nachfolger von «Final Fantasy: Heroes Of Light», und die Verwandschaft zur berühmten Rollenspielreihe ist dem Spiel auch gut anzusehen. Produziert von der berühmten Videospielschmiede Square Enix, übernimmt die Bravely-Reihe diverse Elemente, die Rollenspielende bestens aus anderen Games der «Final Fanasy»-Reihe kennen. Das Job-System (und die Jobs), zahlreiche Items und ganz viele weitere Feinheiten, die einen klaren Hinweis darauf geben, dass hier Leute wie Tomoya Asano am Werk waren. Jener ist verantwortlich für vielfach übergangene Meisterwerke wie «Final Fantasy Tactics: War Of The Lions» oder das in Europa ebenfalls sträflich vernachlässigte «Bravely Default», das hoffentlich nach dem Release des Nachfolgers etwas mehr Aufmerksamkeit erhält.

Nerdiges Intermezzo:
Obwohl nicht ganz klar ist, ob die «Bravely»-Reihe zur fiktiven Welt «Ivalice» gehört (Stichwort: Ivalice Alliance), gibt es gute Gründe, warum dies doch der Fall sein könnte. Böse Zungen behaupten, dass die Heroes Of Light den «Final Fantasy»-Kleber nur zu Marketingzwecken erhalten haben, trotzdem hat dieses und die Bravely-Reihe viele Anleihen und Parallelen zum von Square Enix erschaffenen «Ivalice»-Universum.

Geschichte und Spielmechanik
Ein paar Jahre nach dem Erstling handelnd, führt man den Protagonisten (Yew) und drei Mitstreitende auf eine Reise quer durch den Kontinent Luxendarc.

Im Bild: Die Heldentruppe
Yew (zweiter von rechts) mit seinem Team.

Plot-mässig handelt es sich um solide Kost, erwähnenswert ist, dass die allermeisten Cutscenes durch Voice Actors gesprochen werden – die, nota bene, ihren Job hervorragend machen. Die Gefechte in BS:EL laufen in rundenbasierter Manier ab. Durch «Brave» und «Default» können Aktionen vorbezogen respektive angesammelt werden. Bei 0 Punkten hat man 1 Aktion zugute, die einen ins -1 bringt. Am Ende der Runde gibt es jedoch wieder einen Punkt, so dass der Zähler wieder auf 0 steht. Man kann jedoch auch Aktionen vorbeziehen, die einen dann entsprechend ins Minus katapultieren, was darin resultiert, dass die Figur mehrere Runden teilnahmslos zuschauen muss. Mit «Default» verteidigt man eine Runde lang, erhöht die Verteidigung und, was noch wichtiger ist, sammelt Aktionspunkte. Beim Maximum von 3 angelangt, kann man so 4 Aktionen hintereinander ausführen, ohne dass man danach den Gegner walten lassen muss. In Zufallskämpfen kann durch «Brave» simpel eine grössere Gruppe Gegner einfach ausgeschaltet werden, da die Zähler nach dem Beenden des Kampfes wieder auf 0 zurück fallen (Mit Vorbehalt: Es gibt auch die Möglichkeit, hintereinander mehrere Kämpfe zu bestreiten). Gegen Endgegner kann es sich lohnen, erst einmal zu verteidigen und seine Angriffsmuster zu erkennen, bevor dann mit den kumulierten Punkten umso härter zurückgeschlagen wird.

Bravely Second - Kampfbildschirm

Grundsätzlich trügt das knuffige Bild. BS:EL hat es in sich. Das Kampfsystem ist in Kombination mit den Job-Fähigkeiten und Ausrüstungsgegenständen ganz schön komplex und erfordert einiges an Mikromanagement, wenn die Gegner möglichst effizient und effektiv besiegt werden wollen. Dank der wunderbaren Funktion, die Zufallsbegegnungen auszuschalten, können Dungeons erkundet werden, ohne andauernd auf Gegner zu treffen. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, die Aktionen der vorherigen Runde zu wiederholen und die Geschwindigkeit des Ablaufs zu erhöhen.

Bild und Ton
Hier gibt es ein Problem. BS:EL ist das schönste jemals auf dem 3DS erschienene Spiel – ganz klar. Die einzelnen Städte sind wunderschön gezeichnet und strotzen vor Detailverliebtheit. Der Rezensent hätte nicht gedacht, dass er das einmal von den grafisch notorisch unterversorgten Nintendo-Handhelds sagen würde, aber es ist ihm tatsächlich das eine oder andere Mal die Kinnlade heruntergefallen. Grossen Anteil daran hatte, und auch das ist durchaus erstaunlich, der 3D-Effekt. In 99% aller Fälle spielt der Testende die Gameboy-Spiele mit abgeschaltetem 3D-Regler – nicht aber bei diesem Spiel. Die Vorteile einer «Fixed Perspective» nutzend, holt Square Enix das Maximum an Effekt aus der dritten Dimension heraus. Daraus resultiert ein optisches Vergnügen, das auf portablen Konsolen seinesgleichen sucht. Es gibt ganze Dungeons, die auf dem räumlichen Effekt basieren. Wo ist also nun das Problem?

Die beiden Screenshots illustrieren das Problem gut. Die vielen Details und die wunderschönen Zeichnungen sind sofort erkennbar. Nur: In 3D sieht das noch einmal eine ganze Stufe eindrücklicher aus. Die Plastizität und Tiefe kann hier in diesem Review nur annähernd schriftlich vermittelt werden. Doch 3D will erlebt und gesehen werden.

Stell dir vor es ist gut und niemand schaut hin
BS:EL hat das Pech, als Anwärter auf das «3DS Game Of The Year» schon im Februar zu erscheinen. Es bleibt zu hoffen, dass die locker 30 Stunden Spielzeit, die für das Durchspielen benötigt werden, reichen, damit im Herbst das Spiel noch präsent ist.

Nerdiges Intermezzo
Mikrotransaktionen oder: Warum die Welt irgendwann untergeht
«Buy XY to win» ist in BS:EL zwar nicht eingebaut, trotzdem haben es die verfluchten Mikrotransaktionen jetzt sogar in Rollenspiele von Square Enix geschafft. Will man zusätzliche Momente im Kampf um das Spiel zu pausieren und Extra-Aktionen auszuführen, kann man sogenannte SP kaufen, die dies ermöglichen. Ziemlich erbärmliche Angelegenheit, auch wenn hier gesagt werden muss, dass, abgesehen vom initialen Betrag für das Spiel, absolut kein Geld in die Hand genommen (respektive: ausgegeben werden) muss, um das Spiel in seiner Vollständigkeit geniessen zu können. Schon die ganze DLC-Diskussion bei Handheldspielen ist umstritten. Was auf Konsolen und PCs funktioniert, scheint je länger je mehr auch bei den portablen Geräten Einzug zu halten. Während manche DLCs Mehrwert bieten, etwa in Form von neuen Maps oder Spielabschnitten, tendieren viele davon dazu, vor allem kosmetischer Natur zu sein. Dass offenbar genügend Spielende bereit dazu sind, für irgendwelche Skins oder ähnliches Geld auszugeben, ist bedauerlich – bedauerlich insofern, als dass diese Mikrotransaktionen in den meisten Fällen ein ziemliches Übel sind.

Verdikt
Wer tragbare, rundenbasierte Rollenspiele mit Schwerpunkt auf die Story und Welterkundung mag, der kommt um «Bravely Second: End Layer» nicht herum. Das Spiel macht alles richtig. Für Einsteiger und Veteranen ist das Game gleichermassen zugänglich, die Charaktere sind zum Glück etwas weniger kindlich (/chibi) und die Präsentation ist sensationell. Das Gameplay ist reibungslos, ohne an Komplexität zu verlieren und der Umfang lässt sich sehen. Ob der Zeitgeist derzeit in die Richtung von Echtzeit-Kämpfen tendiert und somit «Oldschool»-RPGs schon etwas passé sind, bleibt abzuwarten. Klar ist: BS:EL ist ein mehr als würdiger Nachfolger und hat Bestnoten verdient.

Infos

ab sofort im Handel

Di 01.03. 2016