Im Gastgewerbe von sicheren Werten zu sprechen, grenzt beinah an Blasphemie. Doch gibt es sie tatsächlich noch, jene Etablissements, denen Herr und Frau Berner nun schon über Jahre hinweg ein beachtliches Mass an Vertrauen schenken. Zu diesen zählt auch unser aktuelles Stadtzmittag. Von Maurice Angst
Schier unscheinbar, fast ein bisschen versteckt anmutend, liegt die Brasserie Bärengraben am Fusse der Berner Altstadt, am östlichen Ende der Nydeggbrücke. Über ihr thront gelassen der Rosengarten, gleich vis-à-vis werden unsere stolzen Wappentiere tagtäglich und tausendfach auch fotografisch festgehalten und unter ihr bahnt sich eine klare, die Jahreszeiten spiegelnde Aare, in aller Ruh den Weg. Ein Gebäude umgeben von touristischen Hotspots also, und so dürfte man drinnen auf kaum jemals abreissende Besucherströme treffen, müsste man zumindest meinen. Umso überraschter stellt man aber fest, dass dem offensichtlich eher selten so ist.
Natürlich, es verirren sich auch Reisende immer mal wieder in dieses kleine, stets blitzeblank feine, ja eigentlich richtig herzige, seit jeher wohl recht chice Restaurant, dennoch sind es in erster Linie die Bernerinnen und Berner selbst, die das breitgefächerte, kulinarische Schaffen des weit um bekannten Lokals und seine einzigartige Atmosphäre echter, spürbar professioneller Entspanntheit, bei so mancher sich bietender Gelegenheit von Neuem zu feiern, ziemlich hoch zu leben, zu schätzen wissen.
Bevor es sich uns aber erstmals in diesem noblen Kleide des Feinschmecker-Restaurants präsentierte, in welchem wir es heute kennen, wurde das einstige Zollhaus, dessen Geschichte bis ins Jahr 1890 zurück reicht, in einem ersten Schritt zum noch unspektakulären, einfachen Café umfunktioniert. Bereits seit nun mehr 16 Jahren leitet Edy „Je te wünsch“ Juillerat, umtriebiger Gastronom mit Leib und Seele, die Geschicke der Brasserie. Seine jurassische Herkunft und seine Liebe zur französischen Küche, prägen ganz augenscheinlich sowohl das Angebot der Speisen und Getränke als auch ein heimelig klassisches Ambiente. Kaum verwunderlich also, wird hier vor allem auf die traditionelle, frische Zubereitung von Fleisch und Meeresfrüchten besonderen Wert gelegt. An dieser Stelle keinesfalls zu vergessen sind auch die auserwählten, sündhaft herrlich verführerischen Süssspeisen, die spätestens zu guter Letzt und mit Fug und mit Recht als Spezialitäten des Hauses gepriesen werden dürfen.
Man ahnt es und merkt’s auch bald: Die Brass beim Bärengraben gehört zweifellos nicht zu jenen Gaststuben, in denen man mittags kurz vorbei schaut, sich nebenbei, hauptsächlich, um was gegessen zu haben, schnell verköstigt und dann wieder auf und davon rauscht. Das wäre schlicht schade und macht -sind wir ehrlich- absolut keinen Sinn. Hier nämlich wird dem sogenannten savoir-vivre gefrönt, und zwar mit Hingabe und zwar 365 Tage im Jahr und zwar immer. Zugegeben, es lässt sich dies des Abends mit einer Handvoll Freunden, der Familie oder bei einem Date doch einiges bequemer einrichten. Doch lohnt sich ein Besuch am Muristalden, schon der Aussicht und der gelebten Entschleunigung wegen, definitiv auch bei glücklichem Tageslicht oder halt bei was dazwischen. Und auf die Terrasse lädt derzeit ja wohl nicht bloss das eine oder andere, chüschtige Frühlingsbier.
So auferweckt einem beispielsweise die rote Currysuppe von herausfordernder Schärfe gleich ein paar Sinne, wohingegen die darauf folgenden, tatsächlich perfekt auf den Punkt gebratenen Lachsfilet-Tranchen mit Reis an marktfrischem Gemüse, die unablässig aus der Ferne flüchtigen Gedanken, den lilafarbenen Weitblick, ein Weilchen ganz zufrieden am windstillen Horizont entlang schweifen lassen. Da könnt man sich doch mühelos, wir ahnen’s bereits, und glatt dran gewöhnen.
