Zurück

Im Gespräch mit Seven

Über MySpace, «Ich bin mir sicher!» und sein 20-jähriges Jubiläum

Seit 20 Jahren ist er auf den Bühnen der Schweiz & Welt unterwegs. Seven hat es geschafft, vom Samschtigsjass zur Festivalbühne. Vor dem Release seines neuen Albums sprach der Wahl-Luzerner im Bierhübeli mit dem BM über «Sing meinen Song», 20 Bühnenjahre und sein neues Album «Ich bin mir sicher!». Von Lenard Baum

Bierhübeli, die «heilige» Hallen der Berner Ausgangwelt und Beginn einer Bühnenkarriere, welche mit seiner Offenheit, Charisma und seinem Soul uns alle mitreisst sowie begeistert. Wir treffen Seven in Vorbereitung auf seine erst angekündigte, dann verschobene, dann wiederholt verschobene Tour im Backstage-Bereich.

2022 steht für Seven nicht nur sein neues Album «Ich bin mir sicher!» und eine endlich stattfindende Tour an. Sondern sein 20-jähriges Bühnenjubiläum. Es gibt daher viel, worüber sich reden lässt. Schnell noch Licht richten, Wasser und Kaffee fertig machen und ein kurzer Plausch über Social Media – schon machen wir es uns im Backstage gemütlich.

Jan Dettwyler aka Seven im BM-Gespräch.
Sämtliche Bilder von Jana Leu.

BM: Hey Seven, danke für das Interview. Fangen wir gleich mit der schwierigen Frage an: Wir befinden uns hier im Bierhübeli, dem Ort deines geplanten Konzertes im Jahr 2020. Dieses kann nun jetzt zwei Jahre später endlich stattfinden. Wie bist du mit dieser Verschiebung umgegangen?

Seven: Definitiv nicht gut. Mir wurde erstens bewusst, dass ich noch nie ein Konzert abgesagt hatte. Seit fast 20 Jahren sind wir von einem Beinbruch, Krankheitsausfall oder einem persönlichen Problem verschont geblieben. Es ist ein sehr komisches Gefühl, wenn so ein Arbeitsschritt dann wegfällt. Dazu kommen dann Entscheidungen, die man so nicht kennt. Wie weit soll man verschieben? Halbes Jahr? Bringt verschieben etwas? Sagt man gleich ab? Passt man auf Stühle an? Verringern wir die Besucheranzahl? Es ist ein Blick in die Glaskugel und ich dachte vorher, man hätte alles schon gesehen.

BM: Sicherlich Fragen, die man so sich noch nie gestellt hat. Dazu auch keine leichte Angelegenheit vor allem, wo man so oft verschieben musste. Ich weiss ja, dass du ein kleines Studio Zuhause hast. Mich würde daher interessieren, wie du mit diesem Unterbruch oder eben Wegfallen eines Arbeitsschritts umgegangen bist. Hast du dich gleich in neue Musik gestürzt oder erstmal persönlich bzw. mit der Familie verarbeitet?

Seven: Ich habe fast zwei Jahre an den ersten deutschen Songs gearbeitet. Mit den Songs von «Brandneu» hatten wir eine neue Tour aufgesetzt, was damals ein Riesenschritt für mich war, da es darum ging, mit einer neuen Sprache etwas auszuprobieren. Wir haben viel daran gearbeitet, um ein neues Set umzusetzen, neue Bühnendeko herzustellen, Lampen für die Show getestet und Regiepläne dazu erstellt. Da probiert man lang an allem herum, ich bin selber dort bei jedem Schritt involviert. Diese ganze Arbeit, nur um zu wissen, dass man diese Tour nie spielen wird.

Was zudem heisst, dass ich ein Jahr nichts machen würde. Mit dem Wissen, dass mein zwanzigjähriges Bühnenjubiläum ansteht, sass ich wieder an neuen Songs. Wenn Platz ist zum Rumgrübeln, stürze ich mich eher in Arbeit. Ich bin da sehr kindisch und reisse und stürze mich dann in Dinge. Etwa das Fernsehen, mit der neuen «Sing meinen Song»-Staffel, da habe ich mich reingestürzt in der Zeit. Es war viel Arbeit, hat aber sehr viel Spass gemacht. Das ist Beschäftigungstherapie bei mir. Fällt etwas aus, muss ich mich einfach beschäftigen. Damit ich nicht daran denke, wie schwierig alles gerade ist.

 BM: So ging es sicherlich vielen in den Lockdowns oder Menschen, welche anderweitig mit Verschiebungen umgehen mussten. Zum Thema Fernsehen: Zum dritten Mal erwartet uns «Sing meinen Song» mit dir als Gastgeber, läuft ab dem 2. März auf 3+. Innerhalb der Schweizer Musikbranche kennt man sich oft sehr gut. Gab es jemanden in der kommenden Staffel, welche:r dich persönlich überrascht hat?

Seven: In der Schweiz ist die Chance wirklich gross, dass man sich vorher schon kennt. Es ist oft ein Problem, wenn man nicht von Anfang an dabei war. Man kennt es von Partys, wen man später kommt und jeder ist gut drauf mit allen und hat so seine Inside-Jokes. Alle ausser du, welcher zu spät gekommen ist. Um dem Problem entgegenzuwirken haben wir in der 3. Staffel bewusst etwas Neues ausprobiert. Vorher hatten wir nur Solokünstler, mal abgesehen von Marc Storace von Krokus, welcher als Solokünstler aber ebenso gross unterwegs ist. Mit Noah Veraguth, David Bucher und Melanie Oesch sind zum ersten Mal Köpfe von Bands mit dabei. Von jeden kamen Teile der Band mit, wodurch so viele Leute in Gran Canaria waren, wie zuvor.

Wir haben zwar Verbindungen mit Stress und Noah Veraguth sowie Naomie Lareine – ich und Noah aber laufen uns schon lange über den Weg. Kennen tun wir uns abgesehen von einem kleinen Auftritt nicht wirklich. Ich denke, bei Noah denkt man von aussen oft, dass er eher eine kühle und distanzierte Art hat, aber in der dritten Staffel lernen ihn viele daher wohl von einer neuen Seite kennen.

BM: Mich hatte noch ein Projekt interessiert, worin du dich ebenso gestürzt hattest, und zwar den Musikcontainer aka «Ein Container voller Musik». Du und Hannes Schmid, welche viele wohl als Fotograph vom Malboro-Man kennen, haben sich dabei für eine Musikschule in Kambodscha eingesetzt, richtig?

Seven: Ja. Ich war bei NGOs und Charités immer etwas vorsichtig. Vor allem bei grösseren Organisationen kann es schwierig werden, dass das Geld dort landet, wo es hin soll. Vor sieben Jahren hatte ich eine Anfrage von Hannes, um im Hallenstadion für seine Organisation ein Konzert zu spielen. Ich meinte, dass ich mir vorstellen könnte, wollte aber vorher wissen, worum es ging. Er lud mich zu sich nach Hause ein und stellte mir das Projekt vor.

Ich sage dir, drei Stunden später sass ich mit nassen Augen da und meinte, dass ich alles mache, was er will. Wir haben uns immer wieder getroffen und kamen vor drei Jahren auf die Idee mit dem Projekt «Ein Container voll Musik». Die Idee war, dass Herr und Frau Schweizer ihre übrigen Instrumente spenden, um den Start für eine Musikschule in Kambodscha zu machen. Musik, Kreativität, Ideenaustausch, Kunst und das Ausleben davon sind für uns Grundnahrungsmittel. Als wir herausfanden, dass die Schulkinder dort nix haben im Sinne eines Musikraumes – also wirklich gar nichts – waren wir umso stärker motiviert. Für uns war es dann nicht nur eine gute Idee, sondern einfach notwendig für die Kinder dort.

BM: Wir fanden es eine wunderbare Initiative und waren umso begeisterter, dass ihr den Schiffscontainer voll mit Instrumenten schon losgeschickt habt. Der Spendenaufruf an sich ist schon verstrichen, gibt es eine andere Möglichkeit wie man das Projekt noch unterstützen könnte?

Seven: Die Organisation von Hannes, Smiling Gecko, kann man immer unterstützen. Helfen kann man, wer sich auf der Homepage eine halbe Stunde Zeit nimmt, um alles durchzulesen. Bewusstsein zu schüren ist eine grosse Hilfe, wer beim Unterstützen noch ein paar Franken übrig hat dann wäre allen geholfen.

Das Musikprojekt ist aber noch nicht abgeschlossen und war erst der Anfang. Smiling Gecko plant nun den Bau des «House of Music & Culture» – sozusagen das Zuhause des Containers. Im House of Music & Culture gibt es ein Aufnahmestudio und Übungsräume. Integriert in den Bau ist auch eine kleine Openair-Bühne, um Konzerte und Veranstaltungen zu realisieren. Das ist insofern spannend, weil es im ganzen Land kein Aufnahmestudio gibt. Auch für dieses Projekt kann via Smiling Gecko gespendet werden.

BM: Wir hoffen, dass ein paar Leser sich Zeit nehmen für die Aktion. Kommen wir zum Punkt unseres Treffen, kurz: zu deinem Album. Du hast vorher schon mehrmals erwähnt, dass du bestimmte Thematiken nur auf Deutsch ausdrücken kannst. Wie ist deine Einstellung zu Sprachen?

Seven: Ich schreibe seit 30 Jahren englische Texte und seit 20 Jahre ist es mein Beruf. Ich habe über 250 Songs veröffentlicht und es ist mein 13 Album mit allem Drum und Dran. Es war für mich die letzte Entblössung vor dieser Sprachbarriere. Manche Sachen kann ich nur auf Englisch sagen. Zum Beispiel das eigene Alter, die Verbindung zu den Kindern – einfach Dinge so krass beim Namen zu nennen. Einfach Begriffe nicht zu umschreiben, sondern direkt anzusprechen. Englisch ist für mich die beste Sprache der Welt dafür. Englische Texte schreibe ich daher weiterhin.

Deutsch hatte ich bis vor dreieinhalb Jahren nie so auf dem Schirm. Ich fühle mich mit der Sprache, als wäre ich wieder 16 Jahre alt. Als hätte ich neue Stifte bekommen und nun so schreibe, als würden zwei Motoren gleichzeitig laufen. Auf der Platte sind Songs, welche ich schon geschrieben hätte, wenn ich schon immer deutsche Texte geschrieben hätte. Es ist wie ein Schatz, der noch nicht aufgebracht ist und dieser Sprachschatz ist noch voll. Jede Sprache hat seinen Vorteil, Nachteil, Zauberkraft und Bösartigkeit und ich habe die alle noch nicht gebraucht.

BM: Du meintest einst, dass du Menschen mit deiner Musik nie ein schlechtes Gefühl geben wolltest, sondern mit deiner Musik Spass und Freude an die Menschen weitergeben. Begegnet uns das auf dem neuen Album genauso?

Seven: Genau, und das ist durch ein anderes Verständnis zu Deutsch schwieriger. Du kannst deutschsprachige Musik nicht hören und nachher sagen «Um was geht’s?» «Ich habe keine Ahnung». Wenn man dich bei englischen Liedern am Ende fragt; «Um was geht’s?», und du sagt, «Weiss es eigentlich nicht so genau, ist aber geil gewesen». Das funktioniert im deutschen nicht, da die Sprache aufdringlicher ist. Du kannst dafür aufdringlichere Themen ansprechen. Wobei man diese umschreiben muss. Die Gefahr, dass auf Deutsch etwas platt klingt ist gross.

Mal abgesehen von Lieblingssongs; bei wie vielen englischen Songs kannst du die zweite Strophe mitsingen? Die meisten entgegnen dann, «Oh Shit, was? Keinen Plan!». Sowas ist kein Standard für uns. Es ist für mich dadurch ein Album, was ich mit keinem anderen vergleichen kann.

BM: Es schimmert schon so eine sehr persönliche Ader bei diesem Album durch. Das merkte man genauso bei den vorher erscheinenden Singles «Lasst uns anders sein» und «Unser kleines Wunder». Bei «Unser kleines Wunder» sieht man dich neben deiner Frau im Musikvideo, welches man so noch nicht gesehen hat. Der Song selbst handelt passenderweise von deiner Frau. Wie kam es, dass sie im Video mitgemacht hat? War das eine Idee von ihr oder gab es da etwas Bitten und Betteln von deiner Seite?

Seven: Nein, die Idee ist sicher nicht von ihr gekommen (lacht). Es ist eine logische Schlussfolgerung gewesen, dass sie dabei sein sollte. Ich habe den Song für sie geschrieben und war inspiriert von ihr. Ich singe den Song und habe so Ideen dank Ihr, wofür ich ihr sehr dankbar bin.

Wir hatten uns entschieden, dass der Song als Single rausgebracht wird. Dann hat das Rumkonzipieren am Video gestartet und die Überlegung; «Wer ist noch in diesem Video?». Sie war die einzige Person, die infrage kam für mich. Nicht irgendein Model oder eine Tänzerin, denn ich kann nicht neben irgendeiner fremden Person tanzen, während ich vom ehrlichen Leben samt echter Liebe singe? Das kann nicht sein. Genauso habe ich es meiner Frau geschildert. Entweder nehme ich dich oder niemanden. Sie meinte dann: «Komm, los, machen wirs». Und so hatten wir einen wunderschönen Tag.

BM: Ich hatte dazu in Vorbereitung auf dieses Interview immer wieder zwei Namen aufgeschnappt, welche in Deutschland sehr stark präsent sind: Mich würde interessieren, welche Einflüsse diese für dich hatten auf das Album – es geht um Rio Reiser aka den König von Deutschland und die Soul-Queen Deutschlands Joy Denalane.

Seven: Ich bin ein Purist, der in den letzten vier bis fünf Jahren das nun ziemlich ablegen konnte. Ich dachte, früher dürfe man nur auf seiner Schiene bleiben und nicht davon abweichen. Was darf man? Was nicht? Man dürfe etwa nicht in einem Konzert verschiedene Sprachen singen, da es sonst Weltmusik sei. Ich habe es mir selbst schwierig gemacht. War dementsprechend streng mit mir selbst und habe mir dadurch Spass und Türen zugemacht, welche sich sonst ergaben. «Sing meinen Song Deutschland», als ich zum ersten Mal mitgemacht habe, war wie eine Spielform für mich, welche das aufgebrochen hatte. In der Sendung geht es darum, dass wir mit allen Regeln brechen und uns musikalisch entwickeln und Sachen ausprobieren. Das hat mich nachhaltig verändert.

Bis dahin dachte ich, jeder müsse bei seinem Ding bleiben. Die Nummer von Rio Reiser war so eine Nummer, welche ich ohne diese Entwicklung nie gewagt hätte. Ich hatte mich mit Volker Neumüller unterhalten, meinem Co-Management in Deutschland. Ich suchte einen Cover-Song für das Album und wir haben uns Ideen hin und her geworfen. Schliesslich kam die Idee mit Rio Reisers «Für immer und dich». Es wäre das Bescheuertste wie auch Geilste. Jan Delay etwa hatte es probiert und dabei voll die Schelte bekommen.

Seven: Mir war wichtig, dass ich nicht der Aufmerksamkeit wegen es mit dem Cover versuche. Ich probierte dem Original so weit weg wie möglich zu kommen, aber doch nah genug an meinen Stil heranzukommen.

Orientiert habe ich mich an einer Live-Version von ihm in Düsseldorf, wo er «Für immer und dich» am Piano spielt. Was wenn ich es so mache, einfach in meinem Stil und runtergerochen auf eine Gitarre. Dies, um von seinem Instrument wegzukommen. Das macht ein Cover-Song für mich spannend, wenn es nicht um Effekthascherei geht. Ich wollte den Song so klein wie möglich spielen. Kein grosses Bam Bam, Orchester oder anderweitig pompös. Ich will keinen Pathos, damit das Lied für sich wirken kann. Das Lied ist der Star und nicht ich als der Interpret.

Zu Joy Denalane: Ich hatte bis zu ihrem Album «Mamani» nie das Gefühl, dass Deutsch und Soul zusammenpassen. Es war das erste Soul-Album auf Deutsch, wo ich die Musik mehr wahrnahm als die Sprache. Sie hat bewiesen, dass es doch geht. Vor dem Album war ich, nach Jahren, endlich wieder bei einem Joy-Denalane-Konzert. Ich hatte gemerkt, dass ich die zweite Strophe von vielen Songs noch auswendig kenne (schmunzelt). Dass ich ihre Soul-Texte auf Deutsch noch so drin habe, hat mich noch mehr gereizt, dass selbst zu machen. Sie hat mir den letzten Kick in den Arsch gegeben für das Album.

BM: Kommen wir zu deinem grossen Jubiläum das Jahr. Lass uns zurückblicken auf ein paar der wichtigsten und beeindruckendsten Momenten deiner Karriere. Von den grössten Live-Shows und Auftritten auf den grössten Bühnen der Schweiz sowie Deutschland zu den Anfängen als Jugendlicher. Erinnerst du dich zufälligerweise noch an deinen Auftritt im Samschtig-Jass?

Der junge Seven mit einem Acapella Cover von Prince „7“ (Ebenso Herkunft Sevens Künstlernamen)

Seven: Das war damals der Beweis für mich, dass das Machen den nächsten Schritt ermöglicht, und nicht das Planen. Wir kamen auf die Idee, a capella zu singen, zum 60. Geburtstag für meinen Vater. Mein Vater hatte damals selbst eine A-Capella-Gruppe, daher die Idee. Ich, mein Bruder und zwei befreundete Brüder haben dann bei der Geburtstags-Gartenparty zwei Lieder gesungen. Gedacht war es nur als Geschenk, im Garten sass aber jemand, der meinte: «Ey, ich kenn da einen vom Fernsehen, der macht mit bei Samschtig-Jass». Es war sehr lustig und ich glaube, ich war der einzige im Kollegenkreis, welcher je im Samschtig-Jass war.

Durch die Ausstrahlung waren wir danach zwei Jahre ausgebucht, ohne das wir wussten, was für eine Band wir sind und welche Lieder wir singen könnten (lacht). Wir alle fanden es spassig und sind daher nicht verkrampft rangegangen. Es passierte einfach und so funktioniert es am besten. Ich finde es am ehrlichsten, wenn etwas aus einem künstlerischem Bedürfnis heraus geschieht und nicht aus einem Finanziellen.

BM: Es war sehr überraschend, dich darin zu sehen. Du hast dich dazu schon etwas verändert. Es ging danach gut weiter. So kam 2002 etwa dein erstes Musikvideo mit «Please», wie kam es dazu?

Seven: Mit Anfang 20 hatte ich mit einem DJ-Kollegen die ersten eigenen Songs aufgenommen. Nach den ersten beiden Songs «Anymore» und «Please» wollten wir ein Album daraus machen. Dies, ohne zu wissen, was es eigentlich heisst ein Album zu machen. Wir hatten gerade mal ein MPC, Mikrofone sowie ein Keyboard.

Wir brachten jeden Samstag die CDs zum Laden und fragten nach, ob welche verkauft wurden. Da wurde alles noch selbst vertrieben, aus dem Rucksack sozusagen und obendrauf meinte ich, da muss ein Video her (lacht). VIVA Swiss kam neu auf und wer als Schweizer ein Video hat, konnte sich Chancen auf die Schweizer Rotation machen. Es war eine Plattform für uns, weil es damals Urban Musik und Hip-Hop nicht oft im Radio gab. Ich habe dann all meine Kollegen zusammengetrommelt wie immer. Wir haben dann an einem Sonntagmorgen im März in Wohlen mit bisschen Glück und schönem Wetter ein Musikvideo gedreht.

BM: Weiter ging es dann eine Nummer grösser, mit deiner Reise in den USA zu den ganz Grossen. Neben dem Eröffnen des Sundance-Festivals, arbeitetest du ebenso in den Studios von etwa Commissioner Gordon (Amy Winehouse) oder James Poyser (The Roots). Von so grossen Namen zu lernen war sicherlich sehr bewegend. Wie kam es dazu?

Seven: Bis zum Album «Home» hatte ich alles selbst gemacht. Ich hatte dann gespürt, dass ich in der Schweiz nichts mehr lernen kann. Es hat hier keinen, welcher seit 30 Jahren Soul macht und alles erlebt hat. Wohin soll ich noch? Ich musste daher etwas machen. Ich hatte festgestellt, dass ich grosser Musikfan bin, defacto vom Handwerk aber nie etwas gelernt hatte.

So wollte ich dahin, wo diese Musik herkommt. Ich habe damals zig CDs umgedreht, um herauszufinden, wer die Songs produziert hat. Ich habe dann Commissioner Gordon, Keith Crouch, Beverly Knight und vielen anderen über MySpace angeschrieben. Das war zu den MySpace-Anfangszeiten. Alle Künstler betreuten ihre Seiten noch selbst. Ich schrieb diesen Leuten, woher ich komme, was für Musik ich mache. So hatte ich in kürzester Zeit eine neunmonatige Studioreise zusammengestellt. Nach diesen Monaten in den USA bin ich mit dem Album «Home» nach Hause in die Schweiz zurückgekehrt.

BM: Wow, MySpace? Wirklich ikonisch, wobei ich nicht ganz weiss, wer von den jungen Lesern noch MySpace kennt. Lass uns einen kleinen Sprung machen zu «BackFunkLoveSoul». Deinem ersten Album, welches direkt auf Platz 1 landete und sich 12 Wochen dort gehalten hat. Wie war das für dich? Totale Überraschung oder von Anfang an klar für dich?

Seven: Vorher kam ja «The Art is King» heraus, welches zu meinem zehnjährigen Jubiläum erschien. Es ist von der Art eher ein «altes» Seven-Album, was gut angekommen ist. Es gehört mit zu meinen erfolgreichsten Alben. Danach wollte ich Musik machen, wo mir egal war, ob sie nach mir tönt. Die Kunst habe ich in den Vordergrund gesetzt. Für mich war es fast ein Exempel, da ich Musik machen wollte, welche keinem Genre zugehört. Ein Back-to-the-Roots-Album, wo mir scheissegal war, wie es ankommen oder radiotauglich sein würde. «BackFunkLoveSoul» entstand daher als Retro-Anti-Projekt.

Die erste Single ging viereinhalb Minuten, samt Saxofon-Solo am Schluss. Das war 2014 nicht wirklich ein guter Plan gewesen. Das genau dieses Album auf die 1 steigt und so erfolgreich ist, war überraschend für mich. Michi Beck von den Fanta 4 hat das Album so geil gefunden, dass er via Management mich als Vorgruppe wollte. Das Album hat viel ausgelöst und mir wieder bewiesen: Mach, was du geil findest. Wenn alle rundherum meinen es sei dumm, du zu 100 Prozent aber dahinterstehst, dann ist es das was dich weiterbringt.

BM: Du hattest jetzt und auch mehrmals im Interview erwähnt, dass «Sing meinen Song» vieles für dich verändert hat. Die Einstellung wie du an Musik herangehst – natürlich auch die Kontakte und Reichweite etwa. Die Söhne Mannheims haben dich auf die Bühne geholt und nachher hat sich das Ergeben. Wie kam es zur Einladung? Waren da Label-Spielchen im Hintergrund oder Überraschungseinladung?

Seven: Rolf Stahlhofen von den Söhne Mannheims kenne ich schon länger. Er rief mich eines morgens an und meinte, dass die Söhne heute beim Blue Balls Festival in Luzern wären. Ob ich auch komme? Das war früh morgens, da war die erste Reaktion: «Puuh, okay». Ich wusste nicht, dass Sie da sind. So stand ich dann mit meiner Frau im Publikum und dann kam Rolf bei einem Gitarrensolo von rechts auf einmal auf mich zu. Er gab mir In-Ear, Bodypack, Stöpsel und meint: «Hey wir holen dich dann hoch, ist okay?». Ich war überrascht und wir haben dann wie früher auf der Bühne gemeinsam gejammt. Circa zwei Stunden später waren wir im Schweizer Hof in Luzern und dann kam die Frage, willst du bei «Sing meinen Song: Deutschland» dabei sein? Ich war ganz allein dort. Erst beim Nachhause laufen habe ich meinen Geschäftspartner Ilan Kriesi angerufen und gemeint: «Hey, heute ist mir was ganz Komisches passiert…», wir beide konnten dann nur «Whaat?!» sagen.

Das kam komplett out of the blue für mich. Dadurch, dass ich per Zufall Zeit hatte und zum richtigen Zeitpunkt am passenden Ort war. Da waren keine Label-Spielchen im Hintergrund, sondern ein gemeinsames Spielen auf der Bühne, was dazu geführt hat. Wenn du das machst, wofür du einsteht, führt es nicht immer zum grössten Erfolg im Rückblick. Es führt dazu, dass man nichts bereut und seine Würde nicht verliert. Ich finde, wenn du als Künstler auf der Bühne keine Würde mehr hast, keinen Stolz und das nicht ausstrahlst, solltest du kein einziges Ticket mehr verkaufen.

BM: Harte, ehrliche, aber genauso richtige Worte am Schluss. Seven, danke für das Gespräch.

Der BM dankt dem Bierhübeli und seinem Team für das Interview!
Alle Fotos von Jana Leu.